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Conn kam sich vor wie ein Trottel. Schnaubend schob er sich die nächste Dattel in den Mund und kaute sie vorsichtig. Das Fruchtfleisch schluckte er, den Kern spuckte er aus.

»Du lernst schnell«, sagte der Lockenschopf.

»Geht so«, meinte Conn. »Wollt ihr auch?«, fragte er dann und hielt den beiden seinen Teller hin.

»Nein danke«, wehrte der andere Soldat ab, ein hagerer Kerl in einem schäbigen Schuppenpanzer. »Wir haben in den letzten Wochen so viele Datteln gegessen, dass sie uns zu den Ohren rauswachsen.«

»Wie lange seid ihr schon hier?«

»Seit dem vergangenen Winter.«

»Demnach müsst ihr Lothringer sein«, folgerte Conn.

»Das will ich meinen«, bekräftigte der Bogenschütze und schlug sich mit der Faust auf die Brust, »und zwar die Besten, Vasallen von Bouillon. Mein Name ist Hernaut, dies ist mein wackerer Kamerad Bovo.«

Der Hagere, der sein schwarzes Haar kurz gestuft trug – wohl als Folge von Lausbefall –, nickte zustimmend. »Und wie ist dein Name?«, wollte er wissen.

»Conwulf«, entgegnete Conn. Als er sah, dass die Nennung seines Namens für keinerlei Reaktion sorgte, fügte er spontan hinzu: »Des Baldrics Sohn.«

»Ein Normanne also«, sagte Hernaut, und es kostete Conn einige Überwindung, zustimmend zu nicken. Aber warum nicht? Er hatte in den zurückliegenden Wochen so viele Kröten geschluckt, um am Leben zu bleiben (und das mitunter im wörtlichen Sinn), dass es auf diese eine nicht mehr ankam. Letzten Endes war es ein Diebstahl wie jeder andere, den er begangen hatte. Nur dass er sich diesmal nicht einer fremden Geldbörse, sondern eines Namens bediente.

»Kennt ihr Herrn Baldric?«, fügte er hoffnungsvoll hinzu. »Habt ihr zufällig von ihm gehört?«

»Nein.« Der Bogenschütze schüttelte den Kopf. »In diesem Lager gibt es keine Normannen mehr, soweit ich weiß. Sie sind bereits nach Süden weitergezogen.«

»Ich verstehe.« Conn versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Wie sehr hatte er darauf gehofft, am Ziel seiner langen Reise Baldric und die anderen wiederzutreffen. Aber nicht nur diese Hoffnung zerschlug sich, er wusste noch nicht einmal, ob seine Gefährten überhaupt noch am Leben waren! Seinem inneren Aufruhr zum Trotz blieb Conn äußerlich gelassen. Das Leben auf der Straße hatte ihn gelehrt, dass es gefährlich sein konnte, sich Fremden gegenüber zu weit zu offenbaren.

»Wie kommt es, dass du allein unterwegs bist?«, erkundigte sich Bovo. »Hast du den Anschluss an deine Marschkolonne verloren?«

»Gewissermaßen. Ich bin mit einem Trupp Burgunder hier angekommen, Leute im Dienst von Toulouse. Und ihr?«, fragte er, um rasch das Thema zu wechseln. »Was ist hier los? Warum ist das Lager fast leer?«

Hernaut grinste wieder. »Noch vor einem Mond hat es hier anders ausgesehen, das kannst du mir glauben. Überall Gedränge und Streiter des Herrn, die nur darauf warteten, endlich den Kampf gegen die Heiden aufzunehmen. Allerdings hat uns Kaiser Alexios nicht gerade besonders freundlich empfangen.«

»Was heißt das?« Conn hatte unterwegs Gerüchte von Spannungen zwischen Herzog Godefroy de Bouillon und dem Kaiser von Konstantinopel gehört, sie jedoch als blanken Unsinn abgetan. Wieso, hatte er gesagt, sollten Christen gegen Christen kämpfen, wenn es doch gegen die Ungläubigen ging?

»Das heißt, dass Alexios unseren Herrn dazu bringen wollte, ihm den Treueid zu leisten«, erklärte Bovo rundheraus, »was dieser natürlich abgelehnt hat.«

»Und dann?«

»Die Weihnachtstage verbrachten wir innerhalb der Stadtmauern, auf Einladung des Kaisers. Aber während wir darauf warteten, dass sich das Wetter besserte und wir den Feldzug endlich beginnen konnten, wurde uns auf Alexios’ Geheiß der Proviant gekürzt.«

»Der Kaiser hoffte, sich unseren Herrn damit gefügig zu machen«, fügte Hernaut erklärend hinzu, »aber da hatte er seine Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wir griffen uns die byzantinischen Wachen, zogen ihnen das Fell über die Ohren und verließen dann die Stadt, um auf das Eintreffen der anderen Kreuzfahrer zu warten. Als unsere Vorräte knapp wurden, beschloss unser Herzog, sie sich mit Gewalt vom Kaiser zu holen. Am Gründonnerstag attackierten wir die Stadt, aber die Truppen des Kaisers waren uns an Zahl weit überlegen. Wir wurden zurückgedrängt und in die Enge getrieben, sodass unserem Herrn nichts anderes blieb, als am Osterfest den Eid zu schwören.«

»Als des Kaisers Vasall?«, fragte Conn.

»Als sein Verbündeter«, verbesserte Hernaut barsch. »Immerhin sind die Verhältnisse seit diesem Tag geklärt, und die Christenheit steht vereint im Kampf gegen die Heiden. Deshalb ist ein Großteil des Heeres vor wenigen Tagen aufgebrochen, um die Stadt Nicaea zu belagern, die sich die Türken unter den Nagel gerissen haben.«

»Und die anderen? Was ist mit den Rittern der Provence? Den Franken? Den Normannen?«

»Was soll mit ihnen sein?« Der Bogenschütze zuckte mit den breiten Schultern. »Sie haben es unserem Herren gleichgetan und den Eid geleistet, einer wie der andere. Raymond de Toulouse, Stephen de Blois, der Graf von Flandern – und auch Robert von der Normandie.«

»Demnach ist er noch am Leben«, folgerte Conn laut – um sich sogleich einen Narren zu schelten, als er sah, welches Befremden seine Worte in den Gesichtern der beiden anderen hervorrief.

»Weshalb sollte der Herzog nicht mehr am Leben sein?«, erkundigte sich Bovo mit hochgezogenen Brauen.

»Für einen Fremden stellst du ziemlich viele Fragen, Conwulf«, stellte Hernaut fest und richtete sich auf dem Stein, auf dem er saß, ein wenig auf, sodass man den Dolch an seinem Gürtel sehen konnte. »Wie man hört, unterhält der Kaiser Spitzel …«

»Keineswegs«, beeilte sich Conn zu versichern. »Ich bin kein Spion, glaubt mir. Es ist nur so, dass ich …«

»Wollt ihr uns nicht vorstellen?«

Conn verstummte, als jemand zu ihnen ans Feuer trat. Überrascht blickte er an dem Fremden hoch, dessen Gestalt und Gesicht vom Feuerschein beleuchtet wurden – und stellte zu seiner Verblüffung fest, dass er den Mann kannte!

Dieselben hageren Züge.

Dasselbe rotblonde Haar.

Dieselbe schwarze Kutte.

Nur das Lodern der Begeisterung war aus den Augen gewichen. Ansonsten war Conn sicher, genau jenen Mönch vor sich zu haben, dessen flammende Predigt ihn damals in Rouen so berührt hatte.

»Natürlich, Pater«, erklärte Hernaut sich ohne Zögern bereit. »Dies ist Conwulf, des Normannen Baldrics Sohn. Conwulf – Pater Berengar vom Orden der Benediktiner.«

»Der Segen des Allmächtigen sei mit dir, Conwulf«, sagte der Mönch und zeichnete mit der rechten Hand ein Kreuz in die Luft.

»I-ich kenne Euch«, stammelte Conn.

»Tatsächlich?« Ein Lächeln huschte über Berengars Züge, die seit ihrer letzten Begegnung noch ein wenig schmaler geworden waren, jedoch nicht mehr blass wie damals, sondern von der Sonne gebräunt. »Das sollte mich wundern. Denn ich, junger Freund, kenne dich nicht.«

»Das könnt Ihr auch nicht«, räumte Conn ein. »Es waren damals viele Menschen auf dem Platz. Und alle haben sie Euch zugehört.«

»Wann? Und wo?«, wollte der Mönch wissen.

»In Rouen«, erwiderte Conn ohne Zögern. »Vor einem Winter.«

»Meiner Treu, das stimmt«, stellte Berengar fest. In einer Geste, die ein übelwollender Beobachter als Stolz hätte deuten können, schob er die Daumen in den Strick, den er um seinen Leib geschlungen hatte, und nickte. »In Rouen bin ich gewesen – und wenn ich mich recht entsinne, habe ich dort feurige Worte für den Feldzug Christi gefunden. Jedenfalls«, fügte er einschränkend hinzu und zog die Hände aus dem Gürtel und faltete sie, so als würde er sich jäh des Demutsgebots entsinnen, »waren sie sehr viel feuriger, als sie es heute sind.«