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In diesem Moment erreichte seine Abteilung den Hügelkamm. Conns Atem stockte, als er über die Kuppe stürmte und zum ersten Mal einen Blick auf das wogende Chaos erhaschte, das sich in der weiten Senke vor ihnen abspielte.

Zur Linken, nach Westen hin, wurde sie von flachem Sumpfland begrenzt, im Norden erstreckten sich kahle Hügel, die zum Leben erwacht zu sein schienen: Unzählige Reiter, die auf gedrungenen, wendigen Rossen saßen, sprengten an den Ausläufern der Hügel entlang und ließen dabei unablässig Pfeile von den Sehnen ihrer kurzen Bogen schnellen. Von den Hängen strömten in großer Anzahl Fußsoldaten herab, die nur leicht gerüstet waren, jedoch mit Klingen bewaffnet, die so krumm waren wie die Sichel des Mondes. Flankiert wurden sie von Lanzenreitern, von Trommlern, die ebenfalls zu Pferde saßen und das Kommando zum Angriff gaben, und von Kamelen, auf deren hohen Rücken bunte Fahnen wehten.

Todesmutig und unter entsetzlichem Geschrei drangen die Türken zu Hunderten auf das Schlachtfeld vor und stürzten sich auf die Kreuzfahrer, die dort in arge Bedrängnis geraten waren. Soweit Conn es beurteilen konnte, waren Herr Bohemund und die Seinen wohl gerade dabei gewesen, das Lager zu errichten, als der Feind sie angegriffen hatte. Noch immer versuchten tapfere Kämpen, Zelte zu errichten und Wagen in Stellung zu bringen, die ihnen Schutz vor den unzähligen Pfeilen bieten sollten, die unablässig und mit der Gewalt eines Gewitterschauers auf sie niedergingen. Dutzende von Männern waren bereits getroffen und lagen tot oder verwundet im Staub, der sich dunkelrot unter ihnen färbte – und ohne Unterlass versuchten die herandrängenden Türken, den Kordon der gepanzerten Reiter zu durchbrechen, der sich nach Norden und Osten hin um das Lager gebildet hatte und erbittert Widerstand leistete.

Atemlos sah Conn, wie eine Gruppe normannischer Ritter, von Kopf bis Fuß in Kettengeflecht gehüllt, den Angreifern entgegenstürmte, wobei sie ihre Schilde hoch und die Lanzen mit dem Kreuzbanner gesenkt hielten. Einige Kämpen kippten von Pfeilen oder Speeren getroffen aus den Sätteln und wurden unter den Hufen der nachfolgenden Reiter zerschmettert; die Übrigen erreichten den Feind, der von den Spitzen ihrer Lanzen durchbohrt wurde. Sodann zogen sie ihre Schwerter, und dasselbe wüste Handgemenge entbrannte, das zu ihrer Linken bereits in vollem Gange war. Wohin Conn auch blickte, sah er sich wild aufbäumende Pferde, niedergehende Reiter, abgetrennte Gliedmaßen und Fontänen von rotem Blut.

Grauen packte ihn. Ein Instinkt riet ihm, sich zur Flucht zu wenden und diese Stätte grausamen Schlachtens so rasch wie möglich zu verlassen. Aber in diesem Moment erscholl der Angriffsbefehl und der Pulk der Fußsoldaten, dem auch Conn angehörte, setzte sich erneut in Bewegung. Wer nicht mitlief, der musste damit rechnen, niedergetrampelt zu werden.

Ihr markerschütterndes Gebrüll eilte den Franken voraus. Eine Abteilung türkischer Reiter, die den östlichen Höhenzug herabkam und sich in das Kampfgeschehen hatte stürzen wollen, änderte die Richtung ihres Angriffs und sprengte Conn und seinen Kameraden entgegen – und wenige Herzschläge später prallten die feindlichen Kämpfer aufeinander.

Es war, als hätte ein Blitz eingeschlagen.

Mit urtümlicher Gewalt begegneten sich die Klingen, wurden Kettenhemden durchbohrt und Knochen gespalten. Das Geklirr der Waffen, das Lärmen der Kriegstrommeln, das Gebrüll der Kämpfenden und die gellenden Schreie derjenigen, die verwundet niedergingen, ließen die Luft erzittern, die erfüllt war von Staub und vom ekelerregenden Gestank von Blut.

Conn stand unbewegt, wie erstarrt inmitten der nachdrängenden Massen, den Speer noch immer umklammernd. Einen flüchtigen Augenblick lang hatte er den Eindruck, nicht wirklich hier zu sein, an diesem Ort des Grauens, dann packte ihn jemand an der Schulter und riss ihn mit. Conn stolperte und wankte dem Feind entgegen, der ihm schon im nächsten Moment gegenüberstand.

In einem aus Messingplatten gefertigten Panzer gehüllt.

Einen spitz geformten Helm auf dem Kopf.

Das schwarze Haar zu einem Zopf geflochten.

Die sonnengebräunten, blutverschmierten Züge, aus denen ihn ein dunkles Augenpaar anstarrte, waren kaum älter als seine eigenen.

Conn zögerte noch, als der andere einen Ausfall unternahm. Der Türke warf sich nach vorn, die gekrümmte Klinge in einem engen Kreis gegen Conns Kehle führend – und in einem Reflex riss Conn den Speer empor, um den Streich abzuwehren.

Der Schaft aus Eschenholz fing die feindliche Klinge knapp oberhalb der Parierstange ab, wo die Wucht des Hiebes am geringsten war. Die Zähne gefletscht, die Muskeln zum Zerreißen angespannt, stieß Conn den Türken zurück, der über den leblosen Körper eines erschlagenen Kreuzfahrers fiel. Noch während er niederging, setzte Conn nach, und noch ehe er auch nur darüber nachdenken konnte, was er tat, hatte er die Spitze des Speeres bereits in den Leib seines überraschten Feindes gestoßen. Der Seldschuke schrie, und Conn, der den Speer wieder freizubekommen suchte, begriff, dass er genau den Fehler begangen hatte, vor dem Remy ihn stets gewarnt hatte: Seine Waffe hatte sich zwischen den Rippen des Gegners verfangen!

Conn unternahm keinen zweiten Versuch, sie herauszuziehen, was ihm beide Hände rettete. Denn ein weiterer Türke war plötzlich heran und schlug nach seinen Armen. Nur mit knapper Not entging Conn dem Hieb. Er wich zurück, um sich außer Reichweite des Muselmanen zu bringen, der im nächsten Moment von einem verirrten Pfeil in den Hals getroffen wurde.

Hastig sah sich Conn nach einer neuen Waffe um. Lange zu suchen brauchte er nicht, der Boden war übersät mit den Körpern Erschlagener und Verwundeter, herrenlose Klingen lagen allenthalben umher. Er griff nach einem Schwert, das nach den endlosen Lektionen, die Baldric ihm erteilt hatte, ohnehin die Waffe seiner Wahl war, und sprang einem lothringischen Soldaten bei, der sich dem Angriff gleich zweier Gegner ausgesetzt sah. Conn fällte den einen, indem er die Klinge mit beiden Händen führte. Der Krieger war auf die Attacke nicht gefasst und kam nicht dazu, sich zu wehren, blutüberströmt ging er nieder. Der andere Kämpfer war schwer gepanzert, offenbar ein seldschukischer Edler. Sein goldfarbener Helm wurde von Kranichfedern geziert, sein Plattenpanzer war aufwendig gefertigt und mit einem Kragen aus Kettengeflecht versehen; aus seinem Blick jedoch sprach dieselbe Überheblichkeit, die Conn schon in den Augen normannischer Adeliger gesehen hatte. Und als gelte es, sich zu beweisen und für alle Schmach zu rächen, die er jemals von der Obrigkeit zu erdulden hatte, stürzte sich Conn unter wüstem Gebrüll auf ihn.

Der Edle hob seinen Rundschild und wehrte den Angriff ab, worauf Conn sofort zu einem zweiten Streich ansetzte. Die Klingen – Conns schwerfälliges Langschwert und der gekrümmte, sehr viel leichter zu führende Stahl des Seldschuken – trafen aufeinander. Ein wüstes Hauen und Stechen setzte ein, bei dem jeder dem anderen einen Vorteil abzuringen suchte. Dabei musste Conn sich vorsehen; der schäbige Kettenpanzer, den er trug und der von einem bei Nicaea gefallenen Lothringer stammte, war nicht dazu angetan, der vollen Wucht eines Schwerthiebs zu trotzen, und anders als bei seinem Gegner war sein Nacken ungeschützt. Eine falsche Bewegung, eine Unachtsamkeit oder auch nur ein verirrter Pfeil mochten genügen, um Conns Kampf – und sein Leben – jäh zu beenden.

Wieder griff der Türke an, nicht mit wuchtigen Schlägen, wie Remy es in unzähligen Übungen getan hatte, sondern schnell und mit einer Eleganz, wie Conn sie nie zuvor bei einem Schwertkämpfer gesehen hatte. Tödliche Erfahrung sprach aus jeder Bewegung. Als die Klinge erneut herabfiel und seine Kehle nur knapp verfehlte, begriff Conn, dass seine Kenntnisse nicht ausreichen würden, um diesen Gegner zu besiegen.