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»So? Und warum sollte ich das tun?«

»Weil Ihr damit nicht nur seinen Wunsch erfüllt, sondern auch einen strategischen Vorteil gewinnt. Antiochien ist auch das Ziel des Feldzugs, wie Ihr wisst, und jede Information, die wir über die Stadt und ihr Umland gewinnen, kann der Sache nur dienlich sein. Zudem«, fügte der Benediktiner hinzu und verbeugte sich leicht, sodass seine Tonsur sichtbar wurde, »würde ich mich erbieten, Conwulf zu begleiten. Als friedliche Pilger würden wir wohl kaum Aufsehen erregen, des Weiteren beherrsche ich die Landessprache, wie Ihr wisst.«

»Hm«, ließ Baldric sich vernehmen. Sein Widerstand schien nachzulassen, wie Conn erleichtert zur Kenntnis nahm.

»Bitte, Baldric«, drängte er, um wie bei einem Sturmangriff in die geschlagene Bresche nachzusetzen. »Ich kann es nicht erklären, aber ich habe das Gefühl, ihr helfen zu müssen. Mehr noch, dass es meine Bestimmung ist, ihr zu helfen. Könnt ihr das verstehen?«

»Nein«, erwiderte Bertrand an Baldrics Stelle und schüttelte das Lockenhaupt, »aber es spielt auch keine Rolle, denn ich werde dich ebenfalls begleiten. In diesen Zeiten werden auch friedliche Pilger angegriffen, und dann sind zwei Klingen besser als eine.«

Baldrics Kieferknochen mahlten, während er eingehend nachdachte. Die Aussicht, einen erfahrenen Kämpfer an der Seite seines Adoptivsohnes zu wissen, schien ihn noch ein Stück weiter zu beruhigen. »Einverstanden«, erklärte er endlich. »Aber ihr verliert unterwegs keine Zeit, habt ihr verstanden? Ich gebe euch unsere besten Pferde mit, und ich will, dass ihr, sobald ihr die Jüdin nach Antiochia gebracht habt, unverzüglich ins Lager zurückkehrt und Bericht erstattet.«

»Das werden wir«, versprach Conn ohne Zögern.

»Dann geh und tu, was du tun musst«, seufzte der Normanne. Der strenge Blick seines einen Auges wurde ein wenig milder, und die Andeutung eines Lächelns spielte um seine Lippen. »Und sieh dich dabei vor, hörst du?«

»Da werde ich«, sagte Conn. Und leiser fügte er hinzu: »Danke … Vater

14.

Damaskus

Oktober 1097

Es war nicht mehr als ein Gefühl, das Bahram al-Armeni hegte, aber er wurde es nicht mehr los.

Es begleitete ihn, als er am frühen Morgen das Haus verließ, um in der Kirche von Johannes dem Täufer zu beten; es verfolgte ihn, als er unter den großen, Schatten spendenden Planen hindurch die Gassen und Säulenhallen des Basars abschritt; und weder ließ es ihn los, als er seinem alten Freund, dem Mosaikmaler Kele einen Besuch abstattete, noch als er die Bibliothek der Großen Moschee aufsuchte, um seine Studien der arabischen Philosophie fortzuführen.

Erst als er in sein Haus zurückkehrte und sein Diener ihm berichtete, dass Abu Nasr al-Muluk Duqaq, der ebenso mächtige wie zum Jähzorn neigende Emir der Stadt, ihn unverzüglich in seinem Palast zu sprechen wünsche, schien sich die dumpfe Vorahnung zu bestätigen wie ein Sandsturm, der sich zunächst nur als ferner Schleier am Horizont ankündigte und sich dann mit aller Macht entlud. Bahram folgte dem Ruf, nicht ohne Turban und Kaftan abzulegen und sie gegen Helm und Harnisch zu tauschen. Wenn Duqaq ihn zu sehen wünschte, dann nicht als Mann der Wissenschaft.

Sondern als Soldat.

Der Palast erhob sich jenseits des Flusses, inmitten der unzähligen Kuppeln und Türme der von hohen Mauern umgebenen Stadt. Es war ein mächtiges Gebäude mit einem eindrucksvollen Portal, kühn geformten Erkern und wehrhaften Zinnen, über denen sich ein einzelner Turm erhob. Bahram war lange nicht dort gewesen. Länger, als aufgrund der politisch unsicheren Zeiten zu befürchten gewesen war; kürzer, als er sich insgeheim erhofft hatte.

In die Offiziersrobe aus orangefarbenem Brokat gehüllt, über der er den breiten Gürtel mit dem kilij trug, dazu den spitz geformten goldfarbenen Zeremonienhelm mit dem Turban, durchschritt Bahram die Eingangshalle. Ein Hofbeamter nahm ihn in Empfang und führte ihn zu Duqaq, vorbei an prächtigen Säulen und Wandteppichen, die die Taten von Duqaqs Vater Tutush priesen, der sich zum Sultan hatte aufschwingen wollen, dabei jedoch gescheitert war.

Nach Tutushs Tod war dessen einstiger Herrschaftsbereich unter seinen Söhnen Duqaq und Ridwan aufgeteilt worden: Während Duqaq Damaskus erhalten hatte, war die Stadt Aleppo mit all ihren Besitzungen Ridwan zugesprochen worden. Die aus dieser ungleichen Teilung resultierende Feindschaft zu seinem Bruder war die eine Eigenschaft, die den Fürsten von Damaskus kennzeichnete; sein berechnendes Wesen und sein messerscharfer Verstand die andere.

Und er war kein Mann, der leicht verzieh.

Eigentlich hatte Bahram gehofft, nie mehr in seine Dienste treten zu müssen. Nachdem er viele Jahre unter Tutush gedient hatte, hatte er nach dessen Tod um Entlassung aus der Armee gebeten, und Duqaq hatte sie ihm bereitwillig gewährt. Jedoch nur zeitweilig, wie es den Anschein hatte.

»Friede mit Euch, mein Fürst.«

Bahram verbeugte sich tief, als er vor seinem Herrscher stand, und er verharrte in seiner Verbeugung, bis der Emir von Damaskus seine Begrüßung erwiderte.

»Friede auch mit dir, Armenier«, entgegnete er, worauf Bahram sich wieder aufrichtete.

Duqaq hatte sich seit ihrer letzten Begegnung verändert, wenngleich Bahram nicht zu sagen wusste, worin genau diese Veränderung bestand. Lag es daran, dass graue Fäden seinen sorgsam gestutzten Kinnbart durchzogen? Dass er Gewicht verloren hatte und dadurch seinem Vater ähnlicher geworden war? Oder lag es am Glanz seiner Augen, der unverhohlen begehrlich wirkte?

»Ihr habt mich rufen lassen, mein Fürst?«

»In der Tat.« Duqaq war damit beschäftigt, seine beiden Falken mit kleinen Fleischbrocken zu füttern – prächtige Tiere, die auf einem holzgeschnitzten Ständer thronten. Unmittelbar dahinter öffnete ein breiter Fensterbogen den Blick auf das sandfarbene Häusermeer der Stadt, über dem sich ein blau leuchtender Himmel spannte – unerreichbar für die Vögel, deren Krallen an das Holz gekettet waren und deren Schicksal Bahram an sein eigenes erinnerte.

Obschon er dringend nach ihm hatte schicken lassen, schien der Emir jetzt, wo Bahram bei ihm war, keine Eile mehr zu verspüren. In aller Langsamkeit – wohl, um ihm seine Überlegenheit zu demonstrieren – brachte er die Fütterung der Vögel zu Ende. Erst dann wandte er sich seinem Besucher zu. Eine scharlachrote Robe, die an den Ärmeln mit einer goldenen Stickerei der Anrufung Gottes, dem tiraz, verziert war, umfloss seine hagere Gestalt.

Rot, dachte Bahram.

Die Farbe des Krieges.

»Du kommst spät«, stellte Duqaq fest.

»Verzeiht, mein Fürst, das lag nicht in meiner Absicht.«

Der Stadtherr von Damaskus nickte verzeihend, der Blick seiner grünen Augen jedoch blieb forschend. »Was weißt du über die Ereignisse im Norden?«, fragte er dann.

Bahram seufzte innerlich. Er hatte befürchtet, dass Duqaq ihm diese Frage stellen würde.

»Nur das, was man auf dem Basar und in den Souks zu hören bekommt. Dass sich die Franken mit dem Kaiser verbündet haben und ins Land der Seldschuken eingefallen sind. Nicaea ist gefallen.«

»Und nicht nur das«, stimmte Duqaq grimmig zu. Die Gesichtszüge unter dem weißen Turban verzerrten sich in schierer Missbilligung. »Dieser Schwächling Arslan hat den Angreifern Tür und Tor zu seinem Reich geöffnet und sie unbehelligt bis Iconium marschieren lassen.«

»Unbehelligt?« Bahram hob die Brauen. »Herr, wie ich hörte, hat der Sultan von Rum sein eigenes Land verwüstet, um den Vormarsch der Barbaren aufzuhalten.«

»Das hat er, aber die Franken haben ihren Weg dennoch fortgesetzt und sind bis Heraklea gelangt, wo sie die Überreste seiner Armee vernichtend geschlagen haben. Und nun«, fügte der Herr von Damaskus mit unheilvollem Lächeln hinzu, »sind sie auf dem Weg nach Syrien.«