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Als er Schritte hörte, sprang er auf in der Hoffnung, es könnte vielleicht Chaya sein. Aber es war nur Berengar, der Feuerholz gesammelt hatte und zurückkehrte.

Der Benediktiner, der seine schwarze Robe gegen einen unscheinbaren Kaftan getauscht hatte, warf einige trockene Äste ins Feuer. Dann ließ er sich seufzend neben Conn auf einen Stein nieder. »Alles ruhig«, erklärte er dabei. »Bertrand lässt ausrichten, dass du ihn um Mitternacht ablösen sollst.«

»Hm«, machte Conn nur und starrte weiter in die Flammen.

»Nun?«, fragte der Mönch, nicht auf Französisch wie sonst, sondern auf Englisch, das er ebenfalls zu beherrschen schien.

»Nun was?«

»Mein guter Conwulf, ohne dass ich es wollte, bin ich heute Zeuge geworden von … du weißt schon.«

Conn ließ ein dumpfes Schnauben vernehmen. »Erinnert mich nicht daran, ich bitte Euch.«

»Es liegt mir auch fern, dich in Verlegenheit zu bringen«, versicherte Berengar, »aber ich kam nicht umhin zu bemerken, dass du etwas für die Jüdin zu empfinden scheinst.«

»Und?«, fragte Conn barsch.

»Ich möchte dich warnen.«

»Wovor?«

»Ich sagte es schon einmal, Conwulf – als vom Herrn gesandter Begleiter dieses Feldzugs fühle ich mich für das Seelenheil jener verantwortlich, die unter dem Kreuz kämpfen. Auch für deines.«

»Tatsächlich?« Conn wandte den Blick und schaute den Mönch mit einer Mischung aus Trotz und Zweifel an. »Ist meine unsterbliche Seele denn gefährdet, Pater?«

»Das kann ich nicht beurteilen, denn in dein Herz vermag ich nicht zu blicken, Conwulf. Dein Gewissen wird dir diese Frage beantworten. Wenn du es lässt.«

»Was versucht Ihr mir einzureden, Pater? Dass Chaya meine Verdammnis bedeutet?«

»Du solltest keinen Spott damit treiben, Conwulf. Der Schritt von der Unbekümmertheit zur Blasphemie ist nur ein geringer.«

»Und wenn schon – sie hat ihren Vater verloren und Schlimmes durchgemacht. Was ist falsch daran, sie zu trösten?«

»Nichts – solange du dabei nicht vergisst, wer du bist und wofür du stehst. Nämlich für die Reinheit des Glaubens und die Wahrheit.«

»Die Wahrheit wird nicht weniger wahr, wenn ich mit einer Jüdin spreche.«

»Das nicht. Aber ich hege die Sorge, dass du die Wahrheit nicht mehr von der Lüge unterscheiden kannst, wenn die Jüdin dich erst mit ihren Reizen umgarnt.«

»Was redet Ihr da?« Conn schaute verständnislos in die bleichen Züge des Mönchs, über die der Widerschein des Feuers irrlichterte. »Wart nicht Ihr selbst dafür, Chaya nach Antiochia zu begleiten?«

»Gewiss. Aber ganz sicher ging es mir nicht darum, zarte Bande mit ihr zu knüpfen. Sie ist eine Frau, Conwulf – mit allen Vorzügen und Gefahren, die ihr mit ewiger Sündhaftigkeit behaftetes Geschlecht nun einmal in sich birgt.«

»Als da wären?«, fragte Conn provozierend. Er schätzte es nicht, auf diese Weise belehrt zu werden, zumal seine Gefühle ohnehin zurückgewiesen worden waren. Und ihm missfiel die Art und Weise, wie Berengar über Chaya sprach.

»Sie ist nicht aufrichtig zu dir«, behauptete der Mönch.

»Woher wollt Ihr das wissen?«

»Was hat sie dir über sich erzählt?«

»Genug«, war Conn überzeugt.

»Auch über die Beweggründe ihres Hierseins? Über den Grund, warum sie unbedingt nach Antiochia will?«

»Sie hat ihrem Vater ein Versprechen gegeben, das sie erfüllen muss. Genügt Euch das als Antwort?«

»Genügt es dir?«

»Gewiss.«

»Dann weißt du sicher auch, was sich in dem Behältnis befindet, das sie ständig bei sich trägt«, bohrte der Mönch weiter.

»Woher wisst Ihr …?«

»Ich habe es gesehen, an jenem Tag, als ihr sterbender Vater es ihr übergab. Und auch später sah ich es wieder, wenn auch nur für einen Augenblick. Sie hütet es wie ihren Augapfel, nicht wahr?«

»Möglich.« Conn zuckte die Schultern.

»Aber du weißt nicht, was sich darin befindet, oder?«

»Nein«, antwortete er.

»Ich verstehe.«

»Was versteht Ihr?«

Berengar schaute ihn an und schien Conn etwas sagen zu wollen. Dann besann er sich jedoch anders und stand auf, um sich zur Ruhe zu betten. »Ich verstehe dein Handeln und bin erleichtert, dass dir die Jüdin nichts verheimlicht und sie keine dunklen Pläne hegt«, sagte der Mönch nur, ehe er sich abwandte und im Dunkel jenseits des Feuerscheins verschwand.

16.

Pons Farreus

21. Oktober 1097

Der Kampf war zu Ende. Mit ernüchterndem Ergebnis.

Auf einem Hügelgrat stehend, der nach Südwesten sanft abfiel, beobachtete Guillaume de Rein den Rückzug des Heeres – oder besser von dem, was noch davon übrig war.

Mit eintausend Reitern und etwa doppelt so viel Fußvolk war Herzog Robert von der Normandie vorausgezogen, um dem Hauptheer den Weg nach Antiochia zu ebnen. Durch das Tal von Amuk waren sie zum Orontes vorgestoßen und ihm gefolgt, bis sie zu jener Brücke gelangten, die in der Nähe des Ortes Farreus über den Fluss führte. Die Kreuzfahrer jedoch hatten ihr einen eigenen Namen gegeben.

Pons ferri.

Die Brücke aus Eisen – und diesem Namen hatte sie alle Ehre gemacht. Noch immer klangen Guillaume die Schreie der Männer in den Ohren, die versucht hatten, den Wachturm einzunehmen, der den Brückenkopf sicherte, und die geradewegs in den Pfeilhagel des Feindes geraten waren, dazu das panische Wiehern der Pferde, die unter ihren Reitern zusammenbrachen. Und sobald er die Augen schloss, sah Guillaume überall blutende, mit Pfeilen gespickte Leiber. Hundertfach hatte der gefiederte Tod die Kreuzfahrer ereilt und ihren Angriff jäh ins Stocken gebracht.

Auch Guillaume blutete. Die Wunde an seinem Arm war nicht tief, aber sie schmerzte höllisch. Einer der unzähligen Pfeile, die auf die normannische Vorhut niedergegangen waren, hatte das Kettengeflecht seiner Rüstung durchdrungen und sich durch Polsterung und Haut geschnitten. Jedesmal, wenn der Schmerz durch seinen Arm flutete und er am liebsten laut aufgeschrien hätte, fragte sich Guillaume, warum er den Auftrag, den König Rufus ihm erteilt hatte, nicht längst ausgeführt und Herzog Robert, der sich als völlig unfähig erwiesen hatte, eine Truppe zu führen, einfach beseitigt hatte. Doch seine Mutter hatte es ihm verwehrt mit dem Hinweis, dass die Zeit noch nicht reif dafür sei.

So hatte Guillaume also stillgehalten, hatte die entbehrungsreichen Märsche durch das anatolische Hochland und über die schneebedeckten Gipfel Armeniens bestritten und darauf gewartet, dass seine Stunde schlug. In diesem Augenblick allerdings kam es ihm vor, als wäre sie in weite Ferne gerückt.

»Ein trauriger Anblick, nicht wahr?«

Eustace de Privas, der neben ihm stand und wie er auf das elende Schauspiel blickte, verzog angewidert das Gesicht. Obschon er weder Normanne war noch zu Roberts Gefolge gehörte, hatte er sich der Vorhut angeschlossen, zusammen mit einigen anderen Rittern der Bruderschaft, von denen nicht alle das Scharmützel am Fluss überlebt hatten.

»Adelard und Huidemar sind tot, Landri liegt schwer verwundet«, erstattete Eustace Bericht, während er erschöpft ins gelbe Gras sank. Auch er blutete aus einer Wunde am Kopf, die er sich beim Sturz vom Pferd zugezogen hatte. »Zusammen mit jenen Brüdern, die wir vor Herakleia und beim Überqueren der Berge verloren haben, sind es damit nun schon achtundzwanzig, Guillaume. Achtundzwanzig! Und dabei haben wir das Heilige Land noch nicht einmal erreicht.«