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»Der Weichspülgang ist wahrhaftig nicht nötig, Mr. Dalziel«, sagte sie. »Wir wissen doch alle, was los ist, oder? Wir wissen es alle.«

»Verzeihen Sie, Mrs. Dacre, ich wollte nur …«

»Ich weiß genau, was Sie wollen, und ich weiß auch, was Sie als nächstes tun. Aber letztes Mal hat’s auch nix genützt, oder? Also, was hat sich geändert, Mister? Sagen Sie’s mir. Was zum Teufel hat sich geändert?«

Jetzt schrie sie aus voller Kehle, ihre Augen funkelten, und ihr Gesicht war vor Wut und Angst verzerrt.

»Also hören Sie, gute Frau«, bat Dalziel eindringlich. »Es ist noch zu früh, viel zu früh, um von einem ›letzten Mal‹ zu sprechen. Ich versteh, weiß Gott, daß Sie daran denken, das tu ich auch, aber ich behalte es ganz hinten im Hinterkopf, solange es geht. Ich werde die Vergangenheit nicht voreilig heraufbeschwören, und das sollten Sie auch nicht tun.«

»Dann erinnern Sie sich also an mich?« fragte Mrs. Dacre und starrte Dalziel an, als wäre es ein Trost, in das Gedächtnis dieses Dickwansts eingebrannt zu sein.

»Ja, das tu ich. Als ich Ihren Mädchennamen hörte, dachte ich, das könnte eine von den Coes aus Dendale sein. Sie waren die jüngste, oder?«

»Ich war elf, als es anfing. Ich kann mich gut an damals erinnern, es war so heiß wie jetzt, und wir Kinder liefen rum und hatten Todesangst. Ich dachte, ich würde das nie vergessen. Aber man vergißt es doch. Oder zumindest, wie Sie das sagen, schiebt man es so weit hinten in den Hinterkopf, daß es ist wie Vergessen … Und man wird älter und fühlt sich allmählich sicher, und man kriegt selbst ein Kind und erlaubt sich nie, daran zu denken … Aber das war falsch, Mister! Wenn ich es nicht in den Hinterkopf gedrängt hätte, wenn ich es nur immer vor Augen gehabt hätte … Etwas wie das ist zu wichtig … zu schrecklich … um es nur im Hinterkopf …«

Sie brach unter Tränen zusammen und wurde von den tröstenden Armen der Schwägerin umschlungen. Dann öffnete sich die Tür, und eine ältere Frau betrat den Raum. Diesmal war die Ähnlichkeit nicht zu übersehen. Sie sagte: »Elsie, ich war unten bei Sandra … Ich hab’s gerade erst gehört …«

»Oh, Mam«, schluchzte Elsie.

Die Schwägerin wurde beiseite geschoben, und sie warf sich ihrer Mutter in die Arme, als könnte sie Hoffnung und Trost aus ihr herauspressen.

Dalziel sagte: »Mrs. Coe, warum machen Sie uns allen nicht eine Tasse Tee?«

Die drei Polizisten begleiteten sie in die Küche. Das war auch gut so, denn dort pfiff ein Wasserkessel bereits dampfschnaubend auf höchster Gasstufe. Mrs. Coe ergriff ein Handtuch und benutzte es als Topflappen, um den Kessel von der Flamme zu ziehen.

»Oh, der Tee wird gut!« sagte Dalziel. »Das Wasser muß immer richtig heiß sein. Mrs. Coe, was halten Sie von Tony Dacre?«

»Was ist denn das für ’ne Frage?«

»Eine ganz einfache. Was haben Sie Ihrem Schwager gegenüber für ein Gefühl?«

»Ich will erst mal wissen, wozu Sie das fragen.«

»Stellen Sie sich doch nicht dumm. Sie wissen genau, warum ich das frage. Wenn ich ihn aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen kann, muß ich dieses Haus nicht in seine Einzelteile zerlegen.«

Ehrlichkeit ist nicht nur die beste Politik, sie ist gelegentlich auch die beste Form polizeilicher Gewalt, dachte Pascoe, der beobachtete, wie die robuste Frau schockiert innehielt.

Dalziel fuhr fort: »Bevor Sie anfangen, mich anzuschreien, denken Sie lieber weiter. Wollen Sie etwa, daß ich die arme Frau frage, ob ihr Mann ein Hitzkopf ist oder sich auffallend innig für seine kleine Tochter interessiert? Sie sind doch nicht dumm, Mrs. Coe, Sie wissen, daß solche Dinge passieren. Also sagen Sie mir einfach, ob es irgend etwas gibt, das ich über Tony Dacre wissen muß.«

Sie fand ihre Stimme wieder.

»Nein, da gibt es nichts. Ich mag ihn nicht besonders, aber das ist was Persönliches. Was Lorraine angeht, er betet die Kleine an, ich meine, wie ein Vater das eben so tut. Wenn Sie mich fragen, verwöhnt er sie über alle Maßen – er wäre ihr wohl nicht mal böse, wenn sie das Haus anzünden würde. Gott im Himmel, Ihren Job möchte ich für tausend Pfund nicht haben! Sind die Dinge hier nicht schon schlimm genug, ohne daß Sie dazu noch so was Schweinisches denken müssen?«

Sie klang erregt, doch es gelang ihr, die Stimme auf Zimmerlautstärke zu halten.

»Wunderbar«, sagte Dalziel mit einem freundlichen Lächeln. »Bringen Sie den Tee, wenn er fertig ist, ja?«

Er ging hinaus und zog die Tür hinter sich zu. Dabei fiel Pascoe auf, daß dahinter ein Hundekorb mit einem kleinen Mischling auf dem Boden stand, irgend etwas zwischen Cockerspaniel und Terrier. Der Hund hatte die Augen geöffnet, rührte sich aber nicht. Als Pascoe sich über ihn beugte, legte er sofort die Ohren an und knurrte leise. Pascoe gab besänftigende Laute von sich, und obwohl die Augen des Tieres mißtrauisch blieben, ließ es sich zwischen den Ohren kraulen. Doch als Pascoes Hand tiefer bis zu seiner Schulter wanderte, knurrte er wieder laut und bedrohlich und richtete sich auf.

»Hat schon jemand den Tierarzt gerufen?« wollte er wissen.

»Das ist ja wohl die Höhe!« ereiferte sich Mrs. Coe. »Meine Nichte wird vermißt, und alles, worum Sie sich Sorgen machen, ist dieser verdammte Köter!«

Der Sergeant antwortete: »Nicht, daß ich wüßte. Ich meine, mit allem anderen hier …«

»Tun Sie es jetzt, ja? Ich möchte kein Tier leiden sehen, aber vor allem möchte ich wissen, woher es seine Verletzungen hat.«

»Ja, klar. Daran hab ich nicht gedacht, Sir«, erwiderte Clark schuldbewußt. »Ich werd mich sofort darum kümmern.«

Mrs. Coe, die in der Zwischenzeit den Tee aufgebrüht hatte, schob sich verärgert an den Männern vorbei. Clark folgte ihr, blieb jedoch an der Tür stehen und fragte: »Noch was, an das ich hätte denken sollen, Sir?«

»Falls Lorraine nicht innerhalb der nächsten halben Stunde oder so auftaucht, werden wir das Ganze zu einer großen Suchaktion ausweiten. Wir werden eine Einsatzzentrale brauchen, irgendwas mit ausreichend Platz und nicht zu weit entfernt. Irgendwelche Ideen?«

Das derbe Gesicht des Sergeant legte sich in nachdenkliche Falten, dann sagte er: »Da wär die St. Michael’s Hall. Wird von der Kirche als Gemeindezentrum und von der Schule als Aula benutzt und ist nur ein paar Ecken entfernt.«

»Das klingt gut. Und jetzt holen Sie den Tierarzt. Wie gut, daß Sie noch vor dem Superintendent daran gedacht haben.«

Er lächelte dabei, und nach einem kurzen Augenblick lächelte Clark zurück und ging.

Pascoe öffnete die Hintertür, die zu einem kleinen, sorgsam gepflegten Garten mit einem Rasenfleck und einem Holzschuppen führte. Er trat in die laue Luft hinaus und öffnete die Tür zum Schuppen. Ein paar Gartengeräte, ein ausrangierter Kinderwagen und ein Kinderfahrrad.

Bemüht, seine Gedanken im Zaum zu halten, ging er als nächstes zum Gartentor und entriegelte es. Vor ihm breitete sich eine niedergetretene vertrocknete Wiese mit vereinzelten Stechginsterbüschen aus, deren leuchtendgelbe Blüten mit der grellen Sonne konkurrierten. Dies mußte der Ligg Common sein, hinter dem sich das langgezogene Tal Danbydale erstreckte, das im Norden vom Neb begrenzt wurde.

Helles Sonnenlicht verfälscht die Entfernungen, deshalb wirkte das Ende des Tals nur etwa eine halbe Stunde entfernt, und der lange Ausläufer des Neb schien für einen Kricket-Außenspieler mit gutem Wurfarm problemlos erreichbar. Pascoe ließ seinen Blick zum gegenüberliegenden Talhang schweifen und sah dort reflektiertes Sonnenlicht in der Scheibe eines hinabfahrenden Wagens aufblitzen, dessen Winzigkeit die Perspektive plötzlich korrigierte.

Das war ein riesiges Gebiet hier draußen, zu groß, als daß ein paar Dutzend Männer es an einem Tag gründlich durchsuchen konnten. Und wenn man zum offenen Gelände noch alle Häuser und Scheunen und Schuppen vom Stadtrand bis zu den äußersten bewohnten Ecken des Tals hinzuzählte, so hatten sie ein gigantisches Unternehmen vor sich.