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Er stand da und spürte, wie die Sonne auf seinen hellbraunen Haarschopf und die blasse Haut brannte. Noch ein paar Minuten derart ungeschützt im Freien, und er würde puterrot werden und sich pellen wie eine neue Kartoffel. Und nach ungefähr einer Stunde wäre sein Hirn in jenem Zustand sonnentrunkener Gefühllosigkeit, den er für gewöhnlich im Sommerurlaub an mediterranen Stränden erlebte, während Ellie neben ihm immer brauner und fitter wurde.

Manchmal war Gefühllosigkeit das wünschenswertere Schicksal.

»Ha’m Sie Wurzeln geschlagen, oder was?«

Er drehte sich um und sah Dalziel im Türrahmen stehen.

»Ich denke nur nach, Sir. Irgendwas Neues?«

»Nein. Sie hat sich etwas beruhigt. Mit der Mutter geht’s viel besser als mit dieser Schwägerin. Wo ist Clark? Ich wollte ihn nach Dennis Coe fragen, dem Bruder.«

»Mrs. Coes Mann?«

»Wir machen ja doch noch einen Kriminalen aus Ihnen! Sechs oder sieben Jahre älter als Elsie, wenn ich mich recht erinnere. Wir werden ihn unter die Lupe nehmen müssen.«

»Warum? Stand er denn vor fünfzehn Jahren unter Verdacht?« wollte Pascoe wissen, der Dalziels Coup mit Mrs. Coes Namen mittlerweile als simplen Zaubertrick abstempelte.

»Bei vermißten Kindern steht jeder Kerl unter Verdacht, der alt genug ist, einen Steifen zu kriegen. Er muß damals um die achtzehn gewesen sein. Schlimmes Alter. Und alle Kinder, die verschwanden, waren blond, und er hat ’ne Blonde geheiratet …«

»Ach, kommen Sie!« meinte Pascoe. »Stammt das aus Ihrer Trickkiste für Hobbypsychologen? Außerdem würde ich sowieso sagen, daß Mrs. Coes Haarfarbe aus dem Chemiekasten kommt.«

»Dann hat er sie meinetwegen mit dunklen Haaren geheiratet, sie aber wissen lassen, daß er Blondinen bevorzugt. Okay, hören Sie auf, Ihre Nasenflügel aufzublähen, sonst nisten sich noch Schwalben drin ein. Eins ist sicher: er ist Lorraines Onkel, und Onkels rangieren bei solchen Sachen ganz oben in der Statistik.«

Pascoe schüttelte traurig den Kopf »Mrs. Coe meinte, sie würde unseren Job nicht für tausend Pfund machen wollen. Aber manchmal ist eine Million nicht genug Entschädigung dafür, wie wir die Dinge sehen müssen.«

»Apropos sehen: was ist das da?«

Der Dicke starrte Richtung Norden. Über dem fernen Horizont hatte sich der Hitzedunst verdichtet.

»Keine Wolke, oder?« meinte Dalziel.

»Bestimmt keine Regenwolke«, sagte Pascoe. »Rauch, würde ich sagen. Bei diesem Wetter kann der kleinste Funke ein Feuer entfachen.«

»Wir geh’n mal lieber sicher, daß das auch wer anders bemerkt hat«, sagte Dalziel, zog sein Handy hervor, wählte, sprach und lauschte.

»Hm«, sagte er dann und stellte das Gerät aus. »Sie wissen davon. Großes Feuer. Und nicht das einzige. Die gesamte Feuerwehr ist alarmiert, und unsere Uniformierten sind auch im Einsatz, was keine gute Nachricht ist, wenn wir gleich den roten Knopf drücken müssen.«

»Gleich?« fragte Pascoe. »Sie glauben doch nicht, daß …«

Er wurde von Sergeant Clark unterbrochen, der in die Tür trat.

»Entschuldigen Sie, Sir, aber Mr. Douglas ist hier, der Tierarzt. Wir haben ihn über sein Handy erwischt, als er grad von einem Bauernhof kam.«

»Tierarzt?« Dalziel blickte fragend zu Pascoe. »Was ist los? Geht’s Ihnen nicht gut?«

In der Küche kniete der stämmige, graubärtige Mann bereits neben dem Hundekorb. Die Untersuchung des Mischlings entlockte ihm hin und wieder ein Brummen, das jedoch nicht so bedrohlich klang wie das vorhin durch Pascoes ungeübte Hand provozierte Knurren des Hundes.

Schließlich erhob er sich und wandte seine Aufmerksamkeit den menschlichen Wesen zu.

»Chief Inspector Peter Pascoe«, stellte Pascoe sich vor und streckte die Hand aus. »Und das ist Superintendent Dalziel.«

»Wir kennen uns«, erwiderte Douglas kurzangebunden.

»Na, wie geht’s, Dixie?« meinte Dalziel. »Und, was hat er?«

»Schwere Prellungen an Schulter und Brustkorb. Ich glaube nicht, daß was gebrochen ist, aber zur Sicherheit mache ich lieber noch eine Röntgenaufnahme. Möglicherweise innere Verletzungen. Unter den Umständen ist es wohl besser, ich nehme ihn mit in die Praxis. Irgendwas Neues von der Kleinen?«

»Noch nicht«, antwortete Pascoe. »Diese Verletzungen – was, glauben Sie, war die Ursache?«

»Kein Unfall, soviel ist sicher«, erwiderte der Tierarzt. »Ich würde vermuten, daß jemand das arme Tier kräftig getreten hat. Einen guten Tag noch.«

Vorsichtig hob er den Hund aus dem Korb und Küche.

»Guter Mann«, meinte Sergeant Clark anerkennend. »Sorgt sich wirklich um kranke Tiere.«

»Klar, er ist auch Fan der ›Raith Rovers‹«, bemerkte Dalziel trocken. »Kränkster Fußballverein aller Zeiten. So so, den Hund hat also jemand getreten. Das reicht aus, um die Truppen aufzufahren. Gute Idee, das Vieh untersuchen zu lassen.«

»Ja, gut gemacht, Sergeant Clark«, sagte Pascoe. »Also, was soll ich tun, Sir? Verstärkung anfordern und eine Einsatzzentrale einrichten?«

»Tja, wir geh’n am besten lehrbuchmäßig vor«, antwortete Dalziel ohne große Begeisterung. »Irgendwelche Vorschläge, Sergeant? Soweit ich mich erinnere, ist Ihr Dienstzimmer nicht groß genug, um einen Kricketschläger darin zu schwingen.«

»St. Michael’s Hall, Sir«, erwiderte Clark knapp und präzise. »Dient als Aula und Turnhalle für die Grundschule sowie als Gemeindezentrum. Ich hab schon mit Mrs. Shimmings telefoniert, der Schulleiterin. An die werden Sie sich bestimmt erinnern, Sir. Sie war auch in Dendale, so wie ich. Miss Lavery hieß sie damals noch. Sie ist wirklich sehr bedrückt. Meinte, sie würd jetzt zur Schule geh’n, um dazusein, falls wir ihre Hilfe brauchen … über das kleine Mädchen reden und so.«

Dalziel musterte ihn nachdenklich. »Gut gemacht, Sergeant. Sie denken ja so weit voraus, daß Sie uns bald die Zukunft weissagen können, wie? Also los, Peter, ab mit Ihnen. Sagen Sie denen, ich brauche jemanden, der rechts und links auseinanderhalten kann, um den Suchtrupp anzuführen. Maggie Burroughs wär wohl geeignet. Und wir brauchen einen Verpflegungswagen. Die Berge rauf und runter zu laufen, macht ganz schön durstig. Und einen Info-Bus für die Gemeindewiese. Ich werd hingeh’n und mich drum kümmern, daß sie auf ihren Posten finden. Noch Fragen?«

»Nein, Sir«, sagte Pascoe. »Sie voraus, Sergeant.«

Clark ging hinaus. Als Pascoe ihm folgen wollte, hielt Dalziel ihn zurück.

»Ein guter Rat, Junge.«

»Ist immer willkommen«, erwiderte Pascoe.

»Bin froh, das zu hören. Also, wenn Sie Nobby Clark einen Gefallen tun, lassen Sie sich das nicht etwa in Bier zurückzahlen, sondern sorgen Sie lieber dafür, daß er sich für Sie den Arsch aufreißt. Alles klar?«

Das war nicht nur ein Zaubertrick gewesen, dachte Pascoe. Er weiß wirklich alles.

»Ja, Sir«, antwortete er. »Klar wie Kantinenkaffee.«

Sechs

Ebenso wie Danby war auch die St.-Michael’s-Grundschule entsprechend gewachsen.

Das ursprüngliche Steingebäude, das offensichtlich der alten Kirche nachempfunden war, deren Namen es trug, hatte einige unschöne Anbauten bekommen, die allerdings mangelnde Anmut durch Modernität wettmachten. Die Aula, die zwischen der Kirche und dem Schulgebäude stand, war deutlich von demselben Architekten entworfen worden und hatte sogar einen Glockenturm und bunte Glasfenster, durch die ein gedämpftes, andächtiges Licht in den geräumigen Innenraum mit Bühne auf der einen und kleiner Empore auf der anderen Seite einfiel.

Der muffige Geruch beschwor die Erinnerung an Turnstunden und amateurhafte Theateraufführungen in zugigen Dorfhallen herauf, und Pascoe rümpfte die Nase. Allerdings waren nicht sämtliche hier dargebotenen Veranstaltungen amateurhaft. Zwischen den »Veranstaltungshinweisen« am Schwarzen Brett hing ein Plakat mit der Ankündigung für das Eröffnungskonzert des achtzehnten »Mid-Yorkshire Dales Musikfestivals« am kommenden Mittwoch: ein Liederabend mit Elizabeth Wulfstan, Mezzosopran, und Arne Krog, Bariton.