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»Ich glaube eher, daß Mr. Pontifex sich den Hardcastles gegenüber verpflichtet fühlt«, fuhr Clark fort. »Das würden so manche bestätigen. Ich meine, vielleicht, wenn er sein Land nicht verkauft hätte …«

»Aber dann hätte es einen Zwangsverkauf gegeben, oder?« meinte Pascoe.

»Es besteht ein großer Unterschied zwischen Zwang und Profit«, erwiderte Clark mit alttestamentlicher Sturheit.

»Sie meinen also, man kann ihm zu einem gewissen Grad die Schuld geben?« erkundigte sich Pascoe neugierig.

»Na ja, wenn jemand aus dem Ort die Mädchen umgebracht hat, wie etwa Benny Lightfoot, dann könnte es doch sein, daß der Verkauf von seinem Zuhause, gewissermaßen, in ihm was ausgelöst hat, das sonst bis zu seinem Tod nicht rausgekommen wäre.«

Von alttestamentlichem Rechtsempfinden zu modernem Psychogeschwätz! Wobei nicht zu leugnen war, daß etwas dran sein konnte. In der Akte stand allerdings nichts dergleichen. Vor fünfzehn Jahren war kaum jemand auf die Idee gekommen, von Straftätern ein psychologisches Profil zu erstellen, und selbst heute wurde diese Kunst nur in bestimmten Teilen Yorkshires und dort auch nur im geheimen praktiziert.

Pascoe fragte: »Gehörte Lightfoots Cottage denn zu Pontifex’ Besitz?«

»Nein. Der gehörte der alten Mrs. Lightfoot, Bennys Großmutter. Deren Mann hatte sie von Arthur Allgood gemietet, als der noch den Heck-Hof bewirtschaftete, und Neb Cottage gehörte zu seinem Besitz. Als der alte Lightfoot starb, übernahm sein Sohn Saul den Mietvertrag.«

»Das war Bennys Vater, oder? Der ertrunken ist.«

»Sie sind ja gut informiert«, meinte Clark anerkennend. »Ja, das stimmt. Nachdem der starb und Marion sich mit der alten Lady zerstritten hatte und mit ihren Kindern in die Stadt gezogen war, dachten alle, Arthur würde sie aus Neb Cottage rausschmeißen und einen neuen Mieter suchen. Aber ehe er das tun konnte, siehe da, mußte er selbst dran glauben. Hundert Jahre früher hätten sie die alte Mrs. Lightfoot wahrscheinlich als Hexe verbrannt.«

»Aber wieso? Das Cottage gehörte doch noch immer zum Heck-Hof.«

»Klar. Aber der gehörte jetzt Chloe Allgood, Arthurs Tochter, die Mr. Wulfstan geheiratet hatte. Sie wollten Heck als Ferienhaus behalten und den Rest verkaufen. Natürlich waren Mr. Pontifex’ Makler blitzschnell zur Stelle.«

»Aber Pontifex bekam Neb Cottage nicht?«

»Nein. Wie sich herausstellte, hatte sich die alte Lady gleich nach Allgoods Beerdigung Chloe geschnappt und sie überredet, ihr das Cottage zu verkaufen. Keiner weiß, woher sie die Kohle dafür hatte – es hieß, sie hätte das Geld aus der Lebensversicherung ihres Mannes in eine größere Lebensversicherung für ihren Sohn gesteckt. Na ja, sie wußte wohl, daß es ihr gutgehen würde, solange Saul am Leben war, aber wenn ihm was passierte, säße sie in der Tinte.«

»Kluge Frau«, sagte Pascoe.

»Ja, sicher. Man mußte schon früh aufstehen, um vor Mr. Pontifex auf dem Markt zu sein«, meinte Clark schmunzelnd. »Ich nehme mal an, daß er nicht besonders glücklich war, Neb Cottage nicht mit dem Rest von Heck in die Finger zu bekommen.«

»Und was passierte, als Pontifex sich entschloß, an die Wasserbehörde zu verkaufen?«

»Das war eigentlich das Ende. Die meisten Hofbesitzer gaben nach und verkauften ebenfalls. Mr. Wulfstan regte sich zwar ziemlich auf, aber das brachte ihm auch nichts mehr. Nur die alte Mrs. Lightfoot hielt bis zum Ende durch, und sie hätten schon Vollstreckungsbeamte schicken müssen, um sie rauszukriegen, wenn sie nicht den Schlaganfall bekommen hätte. Es war wohl alles zuviel für sie, dachten die Leute, der Umzug und das ganze Tamtam um Benny. Also karrten sie sie in einem Krankenwagen weg und walzten die Hütte ruckzuck nieder. Es war direkt eine Schande, daß ihr Leben im Tal so enden mußte. Noch etwas, das Mr. Pontifex auf dem Gewissen lastet, wie die Leute meinen.«

»Sie gaben ihm die Schuld?«

»Klar. An allem. Dem Umzug. Und den verschwundenen Kindern. In den Köpfen der Leute hing das eben zusammen, versteh’n Sie? Und in Mr. Pontifex’ Kopf auch. Deshalb hat er dann auch Cedric Hardcastle Stirps End gegeben, was er eigentlich Jack Allgood schon fest versprochen hatte. Der war als Bauer zweimal so gut, wie Cedric je sein wird. Und das war noch nicht alles. Wie ich schon sagte, als er mitbekam, was da zwischen Jed und seinem Vater ablief, griff er ein und gab dem Jungen eine Stelle in seinem Büro.«

»Nach all den Jahren?« fragt Pascoe. »Da muß es ihm aber mächtig schwer auf dem Gewissen lasten.«

»Tja, bei manchen Leuten wird’s immer schwerer, je länger es anhält.«

Sie waren bei ihren Fahrzeugen angekommen und standen im Schatten der hohen Eibe. Es war angenehm kühl hier, außerhalb der Reichweite der unablässig brennenden Sonne.

»Also, welchen Wegs, Sergeant?«

»Sir?« Ratlos.

»Sie sind dran. Hier in der Gegend heißt es doch bestimmt, daß die Furcht nicht so schnell zu flüchten weiß, wie Clark zu verfolgen weiß.«

»Sir?« Nun völlig verstört.

»Wo finden wir den Burschen?« sprach Pascoe es aus.

»Na, er wird nach Haus gelaufen sein, oder? Wohin sonst?« meinte Clark zuversichtlich. »Mit Ihnen alles in Ordnung, Sir?«

Pascoe hatte plötzlich die Hand ausgestreckt und auf die rauhe Rinde der Eibe gelegt.

»Bestens«, sagte er. »Mir ist es gerade nur eiskalt über den Rücken gelaufen. Das kommt davon, wenn man zu lange unter Friedhofsbäumen steht.«

Mit energischen Schritten marschierte er auf seinen Wagen zu. Er sah blaß aus.

»Sind Sie sicher, Sir?« fragte Clark besorgt nach.

»Ja, mir geht’s gut«, sagte Pascoe etwas irritiert. »Und es gibt Arbeit zu erledigen. Fahren Sie einfach voraus nach Stirps End, Sergeant, und das mit angemessener Eile.«

Acht

Ellie Pascoe hatte die Geschwindigkeitsbegrenzung bereits überschritten, noch ehe sie aus ihrer eigenen kurzen Ausfahrt bog. Sie wußte, daß es dumm war, und drosselte mit großer Willensanstrengung bis zum Straßenende die Geschwindigkeit auf dreißig Meilen die Stunde. Bis zur Schule waren es nur vier Meilen, und der Zeitgewinn, der zwischen normalem und geistesgestörtem Fahren lag, war absolut unbedeutend.

Miss Martindales Gesichtsausdruck war so gelassen und ruhig wie zuvor ihre Stimme am Telefon.

»Nichts, um was Sie sich Sorgen machen müssen, Mrs. Pascoe«, sagte sie. »Miss Turner hatte nur den Eindruck, daß sie ein wenig abwesend sei, wie sie es ausdrückte. Sie hatte keine Lust, ihre Aufgaben zu machen, und gab geradezu schnippische Antworten, als sie dazu ermahnt wurde. Wir haben alle solche Tage, an denen wir uns lieber mit uns selbst beschäftigen, als uns den äußeren Anforderungen zu stellen. Passiert mir auch ständig. Dann fiel Miss Turner auf, daß Rosies Gesicht ein bißchen heiß und gerötet war. Möglicherweise der Beginn einer Sommergrippe. Das ewige Schwitzen und Abkühlen macht die Kinder dafür empfänglich. Halb so schlimm, aber besser, man erstickt die Sache gleich im Keim mit einer halben Aspirintablette und Bettruhe für den restlichen Tag.«

Der tröstende Redefluß beruhigte Ellie, obwohl sie merkte, daß genau dies der Zweck der Übung war. Miss Martindale war eine kluge junge Frau. Nein, mehr als das. Ellie kannte eine Menge kluger junger Frauen, aber Miss Martindale gehörte zu der seltenen Sorte, von der sie sich immer kritisiert fühlte. Nicht, daß sie in Konkurrenz standen, aber bei den seltenen Gelegenheiten, wo sie die Klingen kreuzten, war es jedesmal Ellie, die nachgab.

Sie hatte versucht, es Peter zu erklären, aber der meinte nur: »Was für Pillen sie auch schluckt – ich würde gern die Marke wissen.«

Rosie saß unter den wachsamen Augen der enorm mütterlichen Schulsekretärin in dem kleinen Krankenzimmer auf der Bettkante.