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Geordie war niemand Wichtiges, er fuhr einen der großen Bulldozer, aber er kam gern ins Dorf, um ins Pub zu gehen oder im Postamt einzukaufen. Jeder mochte ihn, außer vielleicht ein paar Männer, denen es nicht paßte, daß er bei den Frauen so gut ankam.

Sogar Mrs. Winter, unsere alte Schuldirektorin, fand ihn nett, und Miss Lavery schien geradezu hingerissen. Ein paar Monate vorher hatte die Wasserbehörde eine Reihe von Vorträgen in der Gemeindehalle abgehalten, um alles über den Damm zu erklären, todlangweilig, wie mein Dad sagte. Er stand auf und stellte Fragen, und es kam zu einer Schlägerei, und er wollte den Referenten schlagen, aber ein paar andere hielten ihn davon ab, obwohl die meisten seiner Meinung waren. Jedenfalls fragte die Wasserbehörde bei Mrs. Winter an, ob sie einen Referenten in die Schule schicken könnten, und sie sagte nein, es würde die Kinder wahrscheinlich nur beunruhigen, aber wenn sie jemanden schicken würden, den wir alle kennen, wie zum Beispiel Geordie Turnbull, der alles über den Damm erklärt, das wäre in Ordnung.

Also kam Geordie.

Er redete ganz komisch, aber Miss Lavery sagte, das wäre, weil er aus Newcastle kommt. Er hielt uns keinen Vortrag, sondern erzählte einfach und beantwortete Fragen. Ich kann mich erinnern, daß er fragte: »Wer von euch Kindern hat schon mal versucht, einen Staudamm an einem Fluß zu bauen?« Und als alle Hände hoch gingen, sagte er: »Na fein, dann sagt mir doch, liebe Kinder: womit baut man am besten einen Staudamm?« Ein paar sagten Erde, und andere sagten Steine, und wieder andere sagte Zweige. Geordie nickte und sagte »Gute Antwort« zu allen. Dann meinte er. »Jetzt wird’s schwer. Was ist denn das allerschlimmste für euren Damm?« Und während alle nachdachten, rief Madge: »Na, das Wasser!« Und Geordie lachte laut auf, und wir alle lachten mit ihm, weil man einfach lachen mußte, wenn er’s tat, und er hob sie hoch und setzte sie auf seine Schultern und sagte: »Ja, das Wasser – genau das Zeug, das man stauen will, wehrt sich dagegen, daß man es staut. Wenn es also heiß und trocken ist wie jetzt, ist es viel einfacher einen Staudamm zu bauen, als wenn es kalt und naß ist. Tatsächlich kann man sagen, es ist ver-damm-t viel einfacher.« Wir lachten wieder alle, und sogar Mrs. Winter mußte schmunzeln.

Dann setzte er Madge wieder auf den Boden, gab ihr einen Kuß und sagte, wenn sie je einen Job als Bulldozerfahrerin haben wolle, brauche sie bloß zu ihm zu kommen.

Es war also ein großer Erfolg. Und Geordie war danach noch beliebter. Und alle sagten immer, es wären ja die gutbetuchten Leute in ihren großen Büros in der Stadt für die Überschwemmung vom Tal verantwortlich, und man dürfte nicht die Bauleute dafür verantwortlich machen, die bloß gewöhnliche Arbeiter sind, die sich ihr täglich Brot verdienen.

Aber als Madge verschwand, wurde alles anders. Auf einmal durften wir nicht mehr in die Nähe der Baustelle gehen und mit niemandem dort mehr reden, und wenn jemand mit uns reden wollte, sollten wir schnellstmöglich zu Constable Clark laufen und ihm Bescheid sagen.

Und vor allem sollten wir nicht mehr mit Geordie Turnbull reden. Als er in der Schule gewesen war, hatte sich niemand was dabei gedacht, als er Madge auf die Schulter nahm oder ihr einen Kuß gab, oder ihr sagte, sie solle zu ihm kommen, wenn sie einen Job sucht. Jetzt sprach jeder darüber und im »Holly Bush« kriegte er kein Bier mehr, und es kam beinahe zur Schlägerei, als er nicht gehen wollte. Dann sahen wir eines Tages, wie er im Polizeiwagen weggebracht wurde, und alle sagten, jetzt hätten sie ihn und er sollte gelyncht werden. Zwei Tage später war er wieder bei der Arbeit, doch er kam nie mehr wieder ins Dorf. Aber das war egal, denn jetzt gab es was Neues, womit die Leute beschäftigt waren.

Die Polizisten schafften es einfach nicht, Benny Lightfoot zu fassen, aber schließlich bekamen sie ein Papier, das ihnen erlaubte, sein Zimmer zu durchsuchen. Die alte Mrs. Lightfoot sagte, es braucht mehr als ein Stück Papier, um in ihr Haus zu kommen, und hetzte die Hunde auf sie, aber letztendlich kamen sie doch rein, und oben in Bennys Zimmer fanden sie Bücher mit schmutzigen Bildern und ein paar der Höschen, die von den Wäscheleinen verschwunden waren. Ich glaube nicht, daß sie wollten, daß jeder das gleich wußte, aber innerhalb einer Stunde machte es im Dorf die Runde.

Jetzt waren sie alle heiß darauf, Benny zu fassen. Sie postierten zwei Männer in dem alten Kuhstall neben Neb Cottage. Alle sagten, sie müßten ja bescheuert sein zu denken, daß Benny sie nicht vom Neb aus beobachtet, und nach ein paar Tagen rumpelte ein Wagen den Pfad hinauf und sammelte die beiden Männer wieder ein. Was keiner wußte, war, daß gleichzeitig ein anderer Mann hinten aus dem Wagen kletterte und sich im Stall versteckte, und als Benny in der nächsten Nacht zu seiner Oma ging, schnappte er ihn. Dann schloß er sich selbst und Benny in den Stall ein und forderte über Funk Verstärkung an, was auch gut war. Als die andern dann kamen, war Mrs. Lightfoot mit ihren Hunden und einer Schrotflinte draußen vor dem Stall und versuchte, die Tür aufzubrechen.

Sie brachten Benny in die Stadt, und während die alte Mrs. Lightfoot jedem leid tat, hoffte doch jeder, daß nun alles vorbei wäre. Aber vier oder fünf Tage später war Benny wieder zurück. Nobby Clark erzählte, sie hätten ihn verhört und verhört, aber er hätte immer wieder gesagt, er hätte nix Böses getan, und sie mußten ihm einen Anwalt geben, und obwohl sie ihn so lange dabehielten, wie sie konnten, mußten sie ihn am Ende gehen lassen.

Niemand im Tal wußte, was man davon halten sollte, aber alle Mütter sagten ihren Kindern dasselbe: wenn du Benny Lightfoot siehst, dann lauf, was das Zeug hält! Und einige der Väter waren nach ein paar Bier im »Holly Bush« dafür, zum Neb Cottage raufzugehen und die Sache zu klären, obwohl mein Dad sagte, sie wären ein Haufen Idioten, die ihr Hirn an die Wand gepißt hätten. Es wäre beinahe zur Schlägerei gekommen, aber Mr. Wulfstan war auch in der Kneipe, zusammen mit Arne Krog, und jemand wollte wissen, was er denn denkt. Die Leute hatten viel Respekt vor Mr. Wulfstan, obwohl er ein Auswärtiger war. Er hatte eine Ansässige geheiratet, hatte nix gegen Jagen und Schießen und brachte sein Geld unter die Leute im Tal. Vor allem hatte er hartnäckig gegen die Wasserbehörde gekämpft. Also hörten sie auf ihn, als er sagte, sie sollten dem Gesetz vertrauen. Das Beste, was sie tun könnten, wäre, ihre Kinder immer im Auge zu behalten, bis wir alle umziehen müßten. Und das war ja nicht mehr lange hin.

Es war komisch. Je mehr die Leute sich Sorgen um ihre Kinder machten, desto weniger sorgten sie sich um den Damm. Tatsächlich meinten ein paar Mütter, es wäre ein Segen, umzuziehen und alles hinter sich zu lassen und irgendwo neu anzufangen, weit weg von Benny Lightfoot – als ob er und seine Oma nicht umziehen müßten!

Das heiße Wetter hielt an. Der Wasserspiegel des Sees sank, der Damm wuchs in die Höhe. Die Leute meinten, ohne Wasser wäre es gar kein richtiger Damm, nur eine hohe Mauer wie der Hadrianswall im Norden, um die Fremden abzuhalten.

Aber es hatte nicht funktioniert. Es waren ja schon zwei drin. Arne Krog und Inger Sandel.

Ich kannte sie ganz gut, weil Tante Chloe mich oft nach Heck einlud, um mit Mary zu spielen. Außerdem erinnerte sich Arne daran, daß ich letztes Jahr im Schulchor gesungen hatte, und als er hörte, daß ich in diesem Jahr »The Ash Grove« solo singen würde, bat er mich eines Tages, es ihm vorzusingen. Ich hab mich so darüber gefreut, daß ich gleich anfing, ohne zu warten, daß er am Klavier die Begleitung spielte. Er hörte zu, bis ich fertig war, und setzte sich dann ans Klavier. Das war so ein Stutzflügel. Mr. Wulfstan spielte selbst ein bißchen, aber er hatte ihn eigentlich für Mary gekauft, damit sie in den Ferien üben konnte. Mary spielte nicht besonders gern, wie sie mir verraten hatte. Ich hätte es gern gelernt, aber wir hatten kein Klavier und es bestand keine Hoffnung, daß wir je eins kriegen würden. Jedenfalls spielte Arne einen Ton und bat mich, ihn nachzusingen, dann spielte er noch einen und noch ein paar mehr und fragte mich dann, welcher Ton am Ende der zweiten Zeile von »The Ash Grove« kommt.