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»Hey«, meinte Dalziel. »Ist das nicht die Druckerei von diesem ätzenden Typ, an den unser Wieldy geraten ist?«

»Edwin Digweed. Der nämliche«, antwortete Pascoe.

»Hier steht: zehn Guineas. Ich hoffe, der Kerl gibt seinen Freunden wenigstens Rabatt! Sind Sie sicher, daß das für Kinder geeignet ist? So ein Bild könnte bei einem kleinen Mädchen Alpträume auslösen.«

Er klingt wie ein besorgter Großvater, dachte Pascoe.

Er sagte: »Caddy Scudamore hat die Illustrationen gemacht. Können Sie sich an die noch erinnern?«

»Diese Künstlerschnecke?« Dalziel schnalzte anzüglich mit der Zunge. »Wie ein heißer Marmeladen-Doughnut, der grade aus der Pfanne in den Zucker gehüpft ist. Lecker.«

Ein Vergleich, über den ein Lyrikprofessor in Oxford eine Stunde lang referieren könnte, dachte Ellie. Laut sagte sie jedoch spröde: »Was das Titelbild angeht, bin ich geneigt, Ihnen zuzustimmen, Andy.«

»Ach was«, meinte Pascoe. »In Disney-Comics sieht sie schlimmere Sachen. Es ist eher Nina, die mich beunruhigt. Neulich mußte ich für sie schon Eis kaufen.«

»Das kommt, weil du nie einen imaginären Freund hattest«, lachte Ellie. »Ich hatte einen, bis ich zehn war. Kinder stellen sich oft so was vor.«

»Erwachsene auch«, fügte Dalziel hinzu. »Der Chief Constable hat ebenfalls ein paar imaginäre Freunde. Und ich bin einer davon. Worum geht es in der Geschichte eigentlich?«

»Um ein kleines Mädchen, das von einem Nix entführt wird – das ist eine Art Wassergeist.«

Von irgendwo kam ein Lüftchen her, kaum stark genug, die Blätter der Rosen zu bewegen, jedoch ausreichend, um wie ein kühler Finger über die sonnenwarme Haut zu streichen.

»Nun hätte ich doch den Drink nehmen können«, meinte Dalziel bedauernd zu Pascoe. »Aber jetzt ist es zu spät. Kommen Sie, mein Junge. Wir haben genug Zeit vergeudet.«

Er drückte Ellie das Buch in die Hand und verschwand ins Haus.

Pascoe blickte zu seiner Frau. Sie hatte das Gefühl, er suche nach den richtigen Worten, um etwas Wichtiges zu sagen. Aber schließlich kam nur heraus: »Bis später. Ich bin … irgendwann wieder da.«

»Das weiß ich doch«, erwiderte sie. »Paß auf dich auf.«

Er drehte sich um, hielt einen Moment befangen inne, als sei er hier fremd, und ging dann durch die Terrassentür ins Haus.

Sie hörte die Eingangstür zuschnappen. In der Hand hielt sie noch immer Rosies Buch. Sie betrachtete die Zeichnung, legte das Büchlein mit dem Titel nach unten neben sich auf den Boden und stellte das Radio wieder an.

Erneut erklang die kräftige junge Stimme von Elizabeth Wulfstan:

»Look on us now for soon we must go from you.

These eyes that open brightly every morning

In nights to come as stars will shine upon you.«

Drei

Pascoe saß bei heruntergekurbelter Scheibe auf dem Beifahrersitz. Die Luft traf auf sein Gesicht wie die Druckwelle einer Bombe und bot ihm einen Vorwand, seine Augen zu schließen, während der Fahrlärm ein Gespräch verhinderte.

Das war eben ein befremdlicher Moment gewesen, als seine Füße ihren Dienst verweigert und sein Mund die Worte »Ich werde nicht gehen« zu formen versucht hatten.

Doch die Befremdlichkeit hatte nicht lange angehalten. Jetzt wußte er, daß es ein entscheidender Moment gewesen war – wie bei jemandem, der plötzlich aufhört, die Schmerzen in seiner Brust als Magenbeschwerden zu interpretieren.

Wenn er sich vorhin entschieden hätte, nicht zu gehen, wäre er vermutlich nie mehr gegangen.

Darüber war er sich bereits im klaren gewesen, als Dalziel angerufen hatte. Es war ihm die ganzen letzten Wochen über jeden Morgen klar gewesen, an dem er aufgestanden und zur Arbeit gegangen war.

Er kam sich vor wie ein Priester, der seinen Glauben verloren hatte.

Sein Verantwortungsbewußtsein ließ ihn immer noch Gottesdienste abhalten und Sakramente austeilen, aber es war bloßer Automatismus in der Hoffnung, der Glaubensverlust sei nur vorübergehend.

»Sind Sie Trappist geworden, oder schmollen Sie nur?« wollte der Dickwanst wissen.

Bedächtig kurbelte Pascoe die Scheibe wieder hoch.

»Ich warte nur, daß Sie mich aufklären, Sir«, entgegnete er.

»Ich dachte, das hätte ich getan.«

»Nein, Sir. Sie riefen mich an und sagten, in Danby werde ein Kind vermißt, und da Sie auf dem Weg dorthin sowieso bei mir vorbeikämen, würden Sie mich in zwanzig Minuten abholen.«

»Tja, das war eigentlich auch schon alles. Lorraine Dacre, sieben Jahre alt, ging mit ihrem Hund spazieren, bevor die Eltern aufgestanden waren. Der Hund ist wieder da, sie nicht.«

Pascoe sann darüber nach, während sie die Umgehungsstraße mit ihrer Autoschlange Richtung Küste überquerten, und sagte dann leichthin: »Nicht viel für den Anfang.«

»Sie meinen, nicht genug, um Ihnen Ihre Cocktailstunde auf der Terrasse zu versauen? Oder wollten Sie vielleicht noch bei Trockendock vorbeischauen und ’ne Runde in seinem Pool schwimmen?«

»Das hätte nicht viel Sinn«, erwiderte Pascoe. »Wir kommen gleich an Purlingstones Residenz vorbei, und wenn Sie über den Sicherheitszaun blinzeln, werden Sie entdecken, daß er genau das praktiziert, was er predigt. Der Pool ist leer. Deshalb sind sie heute ja auch mit den Mädchen ans Meer gefahren. Wir hätten mitfahren können, aber mir war nicht nach Stauschau zumute. Ein Fehler, wie ich jetzt merke.«

»Denken Sie ja nicht, ich hätte Sie nicht per Hubschrauber rausgeholt«, brummte Dalziel.

»Das glaube ich Ihnen sogar. Aber warum? Gut, ein vermißtes Kind ist immer ein ernster Fall, aber wir sind noch im grünen Bereich. Es kann doch sein, daß sie ausgerutscht ist und irgendwo mit verstauchtem Knöchel oder, schlimmer noch, mit einer Kopfverletzung am Berg hockt. Die örtliche Polizei organisiert eine Suche und hält uns auf dem laufenden. Erst wenn sich dabei nichts ergibt, werden wir vor Ort aktiv.«

»Stimmt, normalerweise hätten Sie recht. Aber bei diesem Ort handelt es sich um Danby.«

»Und das heißt?«

»Danbydale ist das Nachbartal von Dendale.«

Er machte eine bedeutungsvolle Pause.

Pascoe zermarterte sich das Hirn nach einer logischen Verbindung, und da sie gerade über Trockendock-Purlingstone geredet hatten, fiel ihm Wasser ein.

»Der Dendale-Stausee«, sagte er. »Der sollte all unsere Wasserprobleme bis ins nächste Jahrtausend lösen. Es gab eine öffentliche Umfrage, oder? Umweltschutz kontra das allgemeine Wohl der Bürger. Ich war damals nicht hier, aber wir haben ein Buch darüber, besser gesagt: Ellie. Sie interessiert sich für Lokalpolitik und Umweltsachen. ›Das Ende von Dendale‹ heißt es. Eher ein Kaffeeklatschgeschreibsel als eine soziologische Analyse, wenn ich mich recht erinnere … Entschuldigen Sie, Sir. Tut das überhaupt etwas zur Sache?«

»Sie sind nah dran, aber nicht ganz«, brummte der Dicke, dem seine zunehmende Ungeduld anzusehen war. »In dem Sommer damals, kurz bevor sie Dendale fluteten, verschwanden dort drei Mädchen. Wir haben ihre Leichen nie gefunden und den Fall nie abgeschlossen. Ich weiß, daß Sie nicht da waren, aber Sie müssen zumindest was davon gehört haben.«

»Ja, ich glaube, ich habe davon gehört«, antwortete Pascoe diplomatisch, während er fieberhaft überlegte. »Aber ich kann mich nicht an viel erinnern.«

»Ich kann mich sehr wohl erinnern«, sagte der Dicke. »Und die Eltern – ich wette, die können sich auch erinnern. Eines der Mädchen hieß Wulfstan. Deshalb bin ich vorhin bei ihrem Namen so zusammengezuckt.«

»Sie meinen die Sängerin? Gibt es eine Verbindung? Das kann kein häufiger Name sein.«

»Vielleicht. Aber sie ist nicht die Tochter. Sie hatten nur die eine, Mary. Den Vater hätte es beinah um den Verstand gebracht, als er sie verlor. Er bewarf uns mit allem möglichen Dreck und drohte, uns wegen Inkompetenz und ähnlichem zu belangen.«