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Der in solchen Dingen geübte Foreloper zerlegte das Thier und behielt davon nur die brauchbaren Stücke zurück, die nach einem schnell zurecht gemachten Feuerherd geschafft wurden.

John Cort schüttete einen Armvoll dürres Holz auf, das in wenigen Minuten hell aufflackerte. Nachdem sich dann eine Schicht glühender Kohlen gebildet hatte, legte Khamis mehrere Schnitte des leckeren Fleisches darauf.

Auf Conserven und Zwieback, wovon die Karawane viele Büchsen und Kisten mit sich geführt hatte, mußte man freilich verzichten; jedenfalls hatten die entflohenen Träger sich auch diese Vorräthe angeeignet. Zum Glück ist in den wildreichen Wäldern Centralafrikas ein Jäger immer in der Lage, die nöthige Nahrung zu erbeuten, wenn er sich nur mit gebratenem oder geröstetem Fleisch begnügt.

Dazu gehört natürlich, daß ihm die Munition nicht ausgeht.

John Cort, Max Huber und Khamis waren nun jeder mit einem Präcisionsgewehr und einem Revolver ausgerüstet. Diese Feuerwaffen konnten ihnen bei geschickter Benutzung große Dienste leisten, nur machte es sich nöthig, die Patronentaschen ordentlich zu füllen. Alles in allem verfügten sie aber, obwohl sie vor dem Verlassen des Wohnwagens ihre Taschen gehörig vollgestopft hatten, doch nicht über mehr als fünfzig Schuß.

Das war, wie man zugeben wird, ein dürftiger Vorrath, vorzüglich wenn die Wanderer auf dem sechshundert Kilometer langen Wege bis zum rechten Ubanghiufer auch noch in die Nothlage kamen, sich gegen Raubthiere oder nomadisierende Eingeborne zu vertheidigen. Von dem genannten Flusse aus konnten sich Khamis und seine Begleiter entweder in den Dorfschaften und den Niederlassungen der Missionäre, oder auch an Bord von Flottillen, die den großen Nebenfluß des Congo befahren, leicht mit allem nöthigen versorgen.

Nachdem sie sich an dem Fleische des Inyala tüchtig gesättigt und sich mit dem klaren Wasser eines zwischen den Bäumen verlaufenden Baches erquickt hatten, traten alle drei zur Berathschlagung ihrer weiteren Schritte zusammen.

John Cort begann die Verhandlung mit folgenden Worten:

»Bisher, Khamis, ist Urdax unser Leiter und Chef gewesen.

Er hat uns stets bereit gefunden, seinen Rathschlägen zu folgen, denn wir hatten auf ihn ein unbedingtes Vertrauen.

Dasselbe Vertrauen flößen Sie uns durch Ihren Charakter und Ihre Erfahrung ein. Erklären Sie, was Sie, in der Lage, worin wir uns befinden, zu thun für richtig halten, und Sie dürfen unserer Zustimmung sicher sein.

– Gewiß, bekräftigte Max Huber die Worte seines Freundes, darüber wird zwischen uns niemals ein Zwiespalt aufkommen.

– Ihnen, Khamis, ist das Land hier bekannt, fuhr John Cort fort. Seit einer Reihe von Jahren haben Sie Karawanen durch diese Gebiete, und zwar mit einer Ergebenheit geführt, die wir selbst an Ihnen schätzen zu lernen Gelegenheit hatten. An diese Ergebenheit, diese Treue appellieren auch wir, und ich weiß, daß wir damit keine Fehlbitte thun.

– Herr Cort und Herr Huber, Sie können auf mich rechnen«, erwiderte der Foreloper einfach.

Er drückte die ihm entgegengestreckten Hände der jungen Männer und reichte auch Llanga noch die Hand.

»Was ist nun Ihre Ansicht? nahm John Cort wieder das Wort.

Sollen wir, wie Urdax es wollte, den Wald an der Westseite umwandern oder nicht?

– Wir müssen vielmehr durch diesen ziehen, erklärte der Foreloper ohne Zögern. Dabei werden wir vor unliebsamen Begegnungen mehr geschützt sein. Auf wilde Thiere könnten wir ja treffen, auf Eingeborne aber nicht. Weder Pahuins oder Denkas, noch Funds oder Bughos haben sich jemals in dessen Inneres gewagt, so wenig wie überhaupt eine Völkerschaft aus Ubanghi. Auf der Ebene sind wir, vorzüglich durch Nomaden, weit mehr Gefahren ausgesetzt. Durch den Wald hier, in dem eine Karawane mit ihren Zugthieren niemals vorwärts käme, können sich Fußgänger schon einen Weg bahnen. Ich wiederhole also: brechen wir nach Südwesten hin auf, und ich habe die beste Hoffnung, daß wir damit die Fälle des Congo glücklich erreichen.«

Diese Stromschnellen unterbrechen den Lauf des Ubanghi an dem Winkel, den der Strom da beschreibt, wo er sich von Westen nach Süden zu wendet. Bis dahin soll sich den Berichten von Reisenden nach auch der große Wald ausdehnen. Weiterhin braucht man nur den Ebenen unter der Parallele des Aequators zu folgen, und da ist es, dank den zahlreichen, diese durchziehenden Karawanen, immer leicht, Proviant und sogar Transportmittel zu erhalten.

Der Rathschlag Khamises war gewiß klug zu nennen. Der Weg, den er empfahl, mußte auch die Wanderung bis zum Ubanghi wesentlich abkürzen. Die ganze Frage hing nur an den Hindernissen, die dieser tiefe Wald etwa bieten könnte. Daß ein gangbarer Pfad hindurch vorhanden wäre, darauf war gar nicht zu rechnen… vielleicht enthielt er nur einzelne Fährten von wilden Thieren, wie von Büffeln, Rhinocerossen und andern plumpen Säugethieren. Der Erdboden war gewiß vielfach mit Gesträuch bedeckt, was die Anwendung einer Axt verlangte, während der Foreloper nur ein kleines Beil bei sich trug und die anderen nur mit ihren Waidmessern ausgerüstet waren. Lange Verzögerungen würde der Marsch trotzdem aber wohl nicht erfahren.

Als diese Einwürfe abgethan waren, wollte John Cort keinen Augenblick mehr zögern. Was die Schwierigkeit betraf, unter den Bäumen, die kaum ein Sonnenstrahl durchdrang, die nöthige Richtung einzuhalten, darüber brauchte man sich keine große Sorge zu machen.

Eine Art Instinkt, der mit dem der Thiere verwandt sein muß

– eine unerklärliche Naturgabe, die man auch bei manchen Menschenrassen beobachtet – ermöglicht es unter anderen den Chinesen, doch auch verschiedenen wilden Völkerschaften des

»Fernen Westens« (in Nordamerika), sich mehr mit Hilfe des Gehörs und Geruchs, als mit der der Augen, zurecht zu finden und die einzuschlagende Richtung an mancherlei unscheinbaren Zeichen zu erkennen. Khamis besaß nun diese Orientierungsgabe in hervorragendem Maße und hatte davon wiederholt schon entscheidende Beweise abgelegt.

Einigermaßen konnten sich der Franzose und der Amerikaner auf diese mehr physische als intellectuelle Befähigung verlassen, die nur selten fehlgeht, auch wenn es nicht möglich ist, den Stand der Sonne zu beobachten.

Bezüglich der sonstigen Schwierigkeiten, die der Wald bieten könnte, bemerkte der Foreloper:

»Ich weiß, Herr John, daß wir nirgends einen Pfad, sondern nur einen von Gestrüpp, dürrem Holz und vor Alter umgestürzten Bäumen bedeckten Erdboden finden werden…

das sind aber leicht überwindliche Hindernisse. Meinen Sie aber nicht, daß ein so ausgedehnter Wald nicht auch von manchen Flüssen bewässert sein müsse, die dann nur Zuflüsse des Ubanghi sein könnten?

– Fände sich darin nur der Wasserlauf, der östlich vom Hügel verlief, bemerkte Max Huber. Er hatte die Richtung nach dem Walde, und warum sollte er da nicht zu einem wirklichen Flusse werden?… Dann erbauten wir uns ein Floß… aus einigen, mit einander verbundenen Baumstämmen…

– Halt, halt, bester Freund, unterbrach ihn John Cort, laß Dich nur von Deiner Phantasie nicht gleich auf dem Flusse dahintragen, den wir nur vermuthen…

– Herr Huber hat schon recht, erklärte Khamis. Weiter im Westen werden wir auf einen Wasserlauf treffen, der sich in den Ubanghi ergießen muß.

– Das mag ja sein, erwiderte John Cort, doch wir kennen sie schon, diese Art afrikanischer Flüsse, die meist nicht schiffbar sind.

– Du erblickst immer und überall nur Schwierigkeiten, lieber John…

– Besser, man erkennt solche zu früh, als zu spät, Freund Max!«

John Cort’s Erwiderung war ganz zutreffend. Die Ströme und Flüsse Afrikas bieten keinesweges dieselben Vortheile, wie so viele in Amerika, Asien und Europa. Man zählt an Hauptströmen vier: den Nil, den Sambesi, den Congo und den Niger. Diese werden von sehr vielen, ein dichtes Netz bildenden Nebenflüssen gespeist. Trotz dieser scheinbar günstigen Anordnung erleichtern sie die Züge ins Innere des Schwarzen Erdtheils doch nur in recht beschränktem Maße.