Nachdem sie ihre Lagerstatt unter den Baumwollbäumen verlassen hatten, umkreisten sie die Waldlichtung und wurden hier von Myriaden von Vögeln begrüßt, von Sängern, die ihre Triller lustig hinausschmetterten oder Orgeltöne erklingen ließen, um die sie die Patti und alle anderen Virtuosen der italienischen Musik hätten beneiden können.
Doch vor dem eigentlichen Aufbruche empfahl es sich noch, ein Frühstück einzunehmen. Dieses bestand einzig aus kaltem Antilopenfleisch und Wasser aus dem zur Linken vorüberfließenden Bache, aus dem sich auch der Foreloper seine Feldflasche füllte.
Anfänglich führte der Weg nach rechts unter die Baumkronen, die schon die ersten Strahlen der Sonne durchblitzten, deren Stand sorgsam ermittelt wurde.
Offenbar hausten mächtige Vierfüßler in größerer Menge in diesem Theile des Waldes. Nach jeder Richtung hin waren hier Durchgänge gebrochen. Noch im Laufe des Vormittags wurden auch eine Anzahl Büffel und sogar zwei Rhinozerosse sichtbar, die sich aber in gemessener Entfernung hielten. Da dieselben offenbar in keiner kampflustigen Stimmung waren, brauchte man auch keine Patrone zu opfern, um sie zu vertreiben.
Nachdem etwa ein Dutzend Kilometer zurückgelegt waren, machte die kleine Gesellschaft gegen Mittag zum erstenmale wieder Halt.
Dabei fand John Cort Gelegenheit, ein Paar Trappen von der Abart der sogenannten Korans zu erlegen, die am Leibe ein gagatschwarzes Gefieder haben und mit Vorliebe im dichten Laubwerk nisten. Ihr von den Eingebornen sehr geschätztes Fleisch fand bei der Mittagsmahlzeit auch den Beifall eines Amerikaners und eines Franzosen.
»Ich wünschte aber dringend, hatte Max Huber gesagt, daß einmal wirklich gebratenes Fleisch an die Stelle des nur gerösteten träte.
– Nichts leichter als das,« hatte der Foreloper sofort erwidert.
Eine Trappe wurde infolgedessen gerupft, ausgenommen, an einen spitzen Stock gespießt und über lebhaft flackerndem Feuer gebraten. Sie mundete dann allen vortrefflich.
Der weitere Weg bot Khamis und seinen Gefährten größere Schwierigkeiten, als die des vorigen Tages.
Nach Südwesten zu fanden sich weniger häufig gangbare Durchbrüche. Hier mußten sie sich selbst einen Weg bahnen, und meist durch Buschwerk, das eben so zähe und fest war, wie die Lianen, die sich nur mit dem Messer zertrennen ließen.
Mehrere Stunden lang fiel jetzt auch ein ziemlich starker Regen. Die Baumkronen waren aber so dicht belaubt, daß nur einzelne Tropfen den Boden erreichten. Inmitten einer anderen Lichtung konnte Khamis jedoch die fast geleerte Feldflasche aufs neue füllen, was gewiß höchst erwünscht war, denn der Foreloper hatte unter dem Gebüsch bisher vergeblich nach einem Wässerchen gesucht. Aus diesem Mangel erklärte sich wohl auch die Seltenheit der Thiere und der gangbaren Wildpfade.
»Das deutet freilich nicht auf die Nähe eines Wasserlaufes hin,« bemerkte John Cort, als am Abend wieder Rast gemacht wurde.
Es erhellte daraus auch, daß der Rio, der sich um den Tamarindenhügel schlängelte, nur am Rande des Waldes hinlaufen möge.
An der bisher eingehaltenen Richtung durfte deshalb immerhin nichts geändert werden, schon aus dem einfachen Grunde, daß sie nächsten Weges nach dem Ubanghi führte.
»Sollten wir übrigens nicht, meinte Khamis, an Stelle des neben dem vorgestrigen Lagerplatze gesehenen Flüßchens in dieser Richtung auf ein anderes treffen?«
Die Nacht vom 11. zum 12. verbrachten die Wanderer nicht zwischen den Wurzeln eines Baumwollbaumes, sondern am Fuße eines anderen Waldriesen, eines Bombax, dessen runder, gerader Stamm sich bis auf hundertfünfzig Fuß über den dichten Teppich des Erdbodens erhob.
Die Nachtwache wurde ebenso wie vorher geordnet, und die Schläfer wurden höchstens durch entferntes Brüllen von Büffeln und Rhinozerossen dann und wann gestört. Daß auch das dröhnende Gebrüll eines Löwen sich zu diesem nächtlichen Concert gesellen werde, war kaum zu befürchten. Diese gewaltigen Raubthiere bewohnen kaum die Wälder Centralafrikas. Sie bevorzugen höher gelegene Landestheile, entweder jenseits des Congo im Süden, oder nahe der Grenze des Sudan, in der Nachbarschaft der Sahara, im Norden. Die allzudichten Waldmassen passen dem launenhaften Charakter und der gewohnten Bewegungsfreiheit des Königs der Thiere –des Königs aus eigener Macht, nicht Kraft einer Constitution –offenbar nicht. Er braucht mehr Raum, von der Sonne überfluthete Ebenen, wo er ganz nach Belieben umherjagen kann.
So wie sich dessen Gebrüll nicht hören ließ, so war es auch mit dem Grunzen des Flußpferdes – und das erschien bedauerlich, denn das Vorhandensein solcher amphibischer Säugethiere hätte auf die Nähe eines Wasserlaufes hingewiesen.
Am folgenden Morgen erfolgte der Aufbruch bei trübem Wetter. Max Huber gelang die Erbeutung einer Antilope von der Größe eines Esels, oder vielmehr von der eines Zebras, das in dieser Hinsicht zwischen Pferd und Esel steht. Es war ein weingelber Oryx mit mehrfachen, regelmäßigen Streifen. Der Oryx zeigt ein schwarzes Band vom Widerrist bis zum Hintergestell und schwarze Flecken an den übrigens weißlich behaarten Beinen, dazu hat er einen buschigen Schweif, der den Erdboden berührt, und auch an der Kehle ist er mit einem Bündel schwarzer Haare gezeichnet. Ein sehr schönes Thier, hat es wohl einen Meter lange Hörner mit etwa dreißig Ringwülsten nahe am Kopfe; seine Bewegungen sind zierlich, und im ganzen zeigt es ein Ebenmaß der Formen, wie ein solches nur selten zu finden ist.
Bei dem Oryx bilden die Hörner eine Schutzwaffe, die es ihm in den nördlichen und südlichen Gebieten Afrikas ermöglicht, sich sogar eines Löwen zu erwehren. Heute konnte das von dem Jäger scharf aufs Korn genommene Thier dessen gut sitzender Kugel freilich nicht entgehen, und mit durchbohrtem Herzen brach es auf der Stelle zusammen.
Hiermit war die Ernährung der Gesellschaft auf mehrere Tage gesichert. Khamis ging sofort daran, den Oryx auszuweiden, was gut eine Stunde in Anspruch nahm.
Dann wurde die Last unter alle vertheilt, selbst Llanga erbat sich, etwas davon auf sich zu nehmen, und dann ging es des Weges weiter.
»Wahrhaftig, scherzte John Cort, hier beschafft man sich mehr als das nöthige Fleisch erstaunlich billig, da es ja nur eine Patrone kostet…
– Wenigstens wenn einer ein geschickter Schütze ist, sagte der Foreloper.
– Und dazu etwas Glück hat,« setzte Max Huber hinzu, der sich bescheidener erwies, als sonst die Jünger des edlen Waidwerkes.
Hatten Khamis und seine Gefährten bisher aber ihr Pulver schonen und ihr Blei sparen können, da sie es nur zum Erlegen eßbaren Wildes gebraucht hatten, so sollte doch der Tag nicht vergehen, ohne daß die Gewehre zur Vertheidigung benutzt wurden.
Auf einer reichlich einen Kilometer langen Strecke glaubte der Foreloper sogar, sie würden sich schon zur Abwehr einer großen Affenbande genöthigt sehen. Diese Rotte tummelte sich weithin zur Rechten und zur Linken ihres Weges umher; die einen davon sprangen von einer Baumkrone zur anderen, die anderen hüpften mit grotesken Sätzen durch das Gesträuch am Erdboden mit einer Gewandtheit, die gewiß den Neid der geübtesten Akrobaten erregt hätte.
Die Affengesellschaft bestand aus mehreren Arten großer Vierhänder, aus Kynocephalen von drei Farben – gelben, wie die Farbe der Araber, rothen, wie die der Indianer des fernen Westens, und schwarzen, wie die der Eingebornen des Kaffernlandes – alle aber gehörten zu den gefährlichsten Thieren ihres Schlages. Darunter gaukelten mehrere Arten von Coloben umher, von leibhaftigen Dandys, den elegantesten Stutzern der Affenwelt, die unausgesetzt beschäftigt waren, ihren weißen Halskragen – um deswillen sie auch den Namen Bischofscoloben erhalten haben – zu bürsten und zu glätten.
Die unbehagliche Begleitung, die sich während der Mittagsmahlzeit angesammelt hatte, verschwand aber gegen zwei Uhr, wo Max Huber, John Cort, Khamis und Llanga ihre Wanderung längs eines unübersehbar weiten Pfades wieder antraten.