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– Und sich nach Belieben sein Horn abbrechen!« schloß Max Huber die Rede.

Es wäre unvorsichtig gewesen, nach dem Baobab zurückzukehren. Das Grunzen der beiden Rhinocerosse war aus dem Dickicht noch immer zu hören. Nach einem Umwege, der sie auf den Wildpfad zurückführte, nahmen alle vier ihren Marsch wieder auf, den sie erst gegen sechs Uhr nahe bei einem großen Felsen unterbrachen.

Der nächste Tag verlief ohne jeden Zwischenfall. Die Schwierigkeiten des Weges nahmen vorläufig nicht weiter zu, und so wurden einige dreißig Kilometer nach Südwesten hin zurückgelegt. Der Wasserlauf freilich, nach dem es Max Huber so dringend verlangte und den Khamis so zuversichtlich erwartet hatte, zeigte sich noch immer nicht.

An diesem Abend und nach einer Mahlzeit, zu der eine Antilope, eine sogenannte Käse-Antilope, den wenig abwechslungsreichen Braten lieferte, überließ man sich sorglos der Ruhe. Leider wurden die zehn Schlummerstunden durch das Umherflattern von Tausenden großer und kleiner Fledermäuse gestört, die erst mit dem anbrechenden Morgen davonflogen.

»Zu viele Harpyien… viel zu viele! rief Max Huber, als er sich nach einer so schlecht verbrachten Nacht gähnend und die Glieder streckend erhob.

– Wer wird sich immer gleich beklagen! sagte der Foreloper.

– Warum denn nicht?…

– Weil es immer noch besser ist, es mit Fledermäusen als mit Moskitos zu thun zu haben, und von den zweiten sind wir bis jetzt verschont geblieben.

– Am besten wäre es wohl, Khamis, man könnte den einen wie den anderen aus dem Wege gehen.

– Na, die Moskitos werden uns nicht geschenkt werden, Herr Max…

– Und wann werden wir von diesen abscheulichen Insecten aufgefressen werden?

– Mit der Annäherung an einen Rio…

– Einen Rio! platzte Max Huber heraus. An einen solchen haben wir wohl früher geglaubt, lieber Khamis, das ist aber jetzt nicht mehr möglich.

– Sie haben doch unrecht, Herr Huber, vielleicht ist er gar nicht mehr fern!«

Dem Foreloper waren thatsächlich schon einige Veränderungen des Erdbodens aufgefallen, und von Nachmittag drei Uhr an bestätigte sich seine Beobachtung nur noch weiter: der Wald, durch den sie zogen, wurde allmählich sumpfig.

Da und dort zeigten sich bereits Tümpel mit Wasserpflanzen, auch bot sich Gelegenheit, einzelne Gaupas, eine Art wilde Enten, zu erlegen, deren Vorkommen auf die Nähe von Wasser hinwies. Als sich die Sonne dem Horizonte zuneigte, ließ sich noch obendrein das Quaken von Fröschen hören.

»Entweder irre ich mich stark… oder das Land der Moskitos ist nicht mehr ferne,« sagte der Foreloper.

Auf der heute noch zurückzulegenden Wegstrecke ging die Wanderung recht beschwerlich vor sich, denn der Boden war mit den zahllosen Phanerogamen bedeckt, deren Entwicklung ein feuchtwarmes Klima so ungemein befördert. Dagegen zeigten sich die dünner stehenden Bäume weniger durch Lianen verbunden.

Max Huber und John Cort konnten die Veränderung gar nicht verkennen, die der sich nach Südwesten fortsetzende Theil des Waldes aufwies.

Trotz der Vorhersage Khamis’ war in dieser Richtung aber noch nichts von dem Spiegelglanze eines fließenden Gewässers wahrzunehmen.

Je mehr indeß die Neigung des Erdbodens zunahm, desto häufiger war er von Morastlöchern durchsetzt, so daß es große Aufmerksamkeit erforderte, nicht in ein solches zu versinken.

Ohne Stiche zu erleiden, wäre auch keiner wieder herausgekommen.

In den Löchern wimmelte es nämlich von Blutegeln, und auf ihrem morastigen Wasser huschten riesige Myriapoden umher, widerwärtige Gliederthiere von schwärzlicher Farbe und mit rothen Füßen, die man nur mit einem gewissen Abscheu betrachten konnte.

Eine herrliche Augenweide boten dafür unzählige Schmetterlinge mit schillernden Farben und graziöse Libellen, die von den vielen Eichhörnchen, den Zibet- und Ginsterkatzen, den Bengalischen Fischern, Traueramseln und Martinsfischern als Leckerbissen verzehrt wurden.

Der Foreloper bemerkte auch, daß nicht nur Wespen, sondern auch Tsetsefliegen in großer Menge im Gebüsch umherschwirrten. Muß man sich auch vor dem Stachel der ersten hüten, so braucht man glücklicherweise den Biß der zweiten nicht besonders zu fürchten. Deren Gift ist nur für Pferde, Kameele und Hunde tödtlich, nicht aber für Menschen und auch nicht für Raubthiere.

Die kleine Gesellschaft wanderte bis halb sieben Uhr des Abends nach Südwesten weiter und hatte damit bis jetzt die längste und erschöpfendste Wegstrecke zurückgelegt. Schon bemühte sich Khamis, einen geeigneten Platz für das Nachtlager zu wählen, als Max Huber und John Cort durch ein Geschrei Llangas erschreckt wurden.

Seiner Gewohnheit nach war der Knabe den anderen immer voraus gelaufen und von einer Seite zur anderen gesprungen.

Jetzt hörte man ihn mit lauter Stimme rufen… sollte er von einem Raubthiere überfallen worden sein?

John Cort und Max Huber liefen in der Richtung, aus der die Rufe kamen, hin und hatten sich bereits schußfertig gemacht.

Sie sollten jedoch bald beruhigt werden.

Auf dem dicken Stamme eines umgestürzten Baumes stehend, wies Llanga mit der Hand nach einer umfänglichen Lichtung und wiederholte mit scharfer Stimme:

»Der Rio!… der Rio!«

Khamis kam ebenfalls herzugeeilt und John Cort sagte zu ihm einfach:

»Der gewünschte Wasserlauf.«

Einen halben Kilometer entfernt und durch eine baumlose Stelle schlängelte sich ein klarer Fluß dahin, der eben die letzten Sonnenstrahlen widerspiegelte.

»Dort… dort werden wir meiner Ansicht nach unser Nachtlager aufschlagen, äußerte John Cort.

– Jawohl… dort, stimmte ihm der Foreloper zu, und verlassen Sie sich darauf, daß uns dieser Rio bis zum Ubanghi führen wird.«

Es konnte ja in der That nicht schwierig sein, ein Floß herzustellen und sich darauf der Strömung des Flusses anzuvertrauen.

Ehe man an dessen Ufer kam, war noch eine recht sumpfige Wegstrecke zu überwinden.

Da die Dämmerung hier in der Aequatorialgegend nur von sehr kurzer Dauer ist, war es schon recht dunkel geworden, ehe der Foreloper und seine Gefährten an einer ziemlich hohen Uferwand ankamen.

An dieser Stelle standen die Bäume mehr vereinzelt, stromauf- und stromabwärts dagegen bildeten sie wieder dichte Massen.

Die Breite des Flusses betrug nach John Cort’s Schätzung etwa vierzig Meter. Es war das also kein einfacher Bach, sondern ein nicht unbedeutender Nebenfluß mit scheinbar recht schneller Strömung.

Natürlich galt es, bis zum Morgen zu warten, um die Sachlage klarer zu übersehen. Das Nothwendigste war vorläufig die Aufsuchung eines geeigneten Platzes für die Nachtruhe. Khamis entdeckte auch einen solchen in einer Felsaushöhlung, einer Grotte in dem Kalkstein der Uferhöhe, die zur Aufnahme aller vier Wanderer ausreichen mußte.

Zunächst wurde der Ueberrest des letzten Wildbratens kalt verzehrt. Dadurch konnte man davon absehen, ein Feuer anzuzünden, dessen Glanz ja leicht genug Thiere aus der Nähe herbeilocken konnte. Krokodile und Flußpferde giebt es in den afrikanischen Flüssen in großer Menge. Hausten solche auch in diesem Flusse – und das war höchst wahrscheinlich – so mußte man sich wenigstens hüten, von ihnen in der Nacht überfallen zu werden.

Freilich hätte ein an der Grottenöffnung auflodernder und stark rauchender Feuerherd die Wolken von Moskitos vertrieben, die am unteren Theile der Uferwand umhersummten. Unter zwei Uebeln entschied man sich aber doch für das kleinere, und wollte lieber den Stacheln der Stechfliegen und anderer lästiger Insecten ausgesetzt, als von den ungeheueren Kiefern der Alligatoren bedroht sein.

In den ersten Stunden hielt John Cort am Eingange der Aushöhlung Wache, während seine Gefährten trotz des Summens und Schwirrens der Moskitos in tiefem Schlummer lagen.

In dieser Zeit bemerkte er nichts verdächtiges, nur glaubte er mehrmals ein Wort zu vernehmen, das in kläglichem Tone aus dem Munde eines Menschen zu kommen schien.