Selbstverständlich wurde seine Lehre vielfach erörtert. Er entschloß sich, mit den betreffenden Geschöpfen, die er in den Wäldern des tropischen Afrika in großer Zahl und großer Verschiedenheit finden mußte, unmittelbar in Berührung zu treten. Wenn er dann dem Gorilla und dem Schimpansen ihre Sprache abgelauscht hätte, wollte er nach Amerika heimkehren und neben einer Grammatik ein Wörterbuch der Affensprache veröffentlichen. Dann müßte man, solchen greifbaren Beweisen gegenüber, ihm wohl recht geben.
Hat Garner nun das sich selbst und der Gelehrtenwelt gegebene Versprechen gehalten?… Das war die Frage, und –darüber konnte kein Zweifel aufkommen – Doctor Johausen glaubte das, wie es sich im weiteren zeigen wird, offenbar nicht.
Im Jahre 1892 begab sich Garner von Amerika nach Afrika, erreichte Libreville am 12. October und nahm bis zum Februar 1894 in der Factorei von John Holland und Cie. Wohnung. Erst hier entschloß sich der Professor eigentlich, seine Studienreise zu beginnen. Nachdem er den Oguë auf einem kleinen Dampfer hinausgefahren war, ging er bei Lambarana an’s Land und langte am 22. April in der katholischen Mission von Fernand Vaz an.
Gastfreundlich nahmen ihn die Väter vom heiligen Geist in ihrem am Ufer des prächtigen Fernand Vazsees errichteten Hause auf. Der Gelehrte hatte die Zuvorkommenheit der Insassen der Mission nur zu rühmen, denn alle bemühten sich, ihm sein abenteuerliches zoologisches Unternehmen zu erleichtern.
Gleich hinter der Niederlassung erhoben sich die ersten Bäume eines ausgedehnten Waldes, worin es von Affen geradezu wimmelte. Günstigere Verhältnisse, sich mit diesen in Verkehr zu setzen, konnte man sich gar nicht vorstellen.
Nothwendig war nur, sich mit den Vierhändern auf guten Fuß zu stellen und ihre Lebensweise so gut wie möglich zu theilen.
Zu diesem Zwecke hatte Garner einen eisernen, zerlegbaren Käfig anfertigen lassen, und dieser wurde nun in den Wald geschafft. Angeblich hat er darin drei Monate und auch meist ganz allein gewohnt, um die Vierhänder im Naturzustande zu beobachten.
Thatsächlich hatte der vorsichtige, kluge Amerikaner dafür eine Stelle gewählt, die nur zwanzig Minuten von der Wohnstätte der Patres und nahe dem Brunnen der Mission gelegen war, und hatte sein metallenes Haus das Fort Gorilla genannt. Nach diesem gelangte man auf einem schattigen Wege. Hier hat er sogar drei Nächte geschlafen. Verzehrt von Myriaden von Moskitos, konnte er es daselbst aber nicht lange aushalten. So brach er denn seinen Käfig wieder ab und nahm aufs neue die Gastfreundschaft der Väter vom heiligen Geist in Anspruch, die ihm ohne Widerrede bewilligt wurde. Am 18.
Juni verließ er dann endgiltig die Mission und kehrte über England nach Amerika zurück, wobei er als einzige Andenken von seiner Reise zwei kleine Schimpansen zurückbrachte, die sich leider nicht bewegen ließen, mit ihm zu plaudern.
Das war der ganze Erfolg der Garner’schen Studienreise.
Erwiesen war dadurch nur das eine, daß das Patois der Affen, wenn es überhaupt ein solches giebt, noch ebenso zu entdecken war, wie die betreffenden Lebensäußerungen, die in der Gestaltung ihrer Sprache eine Rolle spielten.
Der Professor behauptete freilich, es sei ihm gelungen, mehrere Affenworte von bestimmter Bedeutung erlauscht zu haben, z. B. »Whuri« gleich Futter, »Cheny« gleich Getränk,
»Jegk« gleich Achtung! und einige andere. Später versicherte er, auf Grund sorgfältiger, im Washingtoner Zoologischen Garten angestellter und mit Hilfe des Phonographen gleichsam fixierter Beobachtungen, überdies, daß er auch ein Wort von ganz allgemeiner Bedeutung erkannt habe, ein Wort, das etwa
»Nahrung«, d. h. alles, was eß- oder trinkbar wäre, ausdrückte, ferner eines, das sich auf den Gebrauch der Hände bezöge, und eines, das auf eine gewisse Messung der Zeit hinauskäme.
Seinen Erfahrungen nach bestand diese Thiersprache aus acht oder neun Grundlauten mit dreißig bis fünfunddreißig daraus abgeleiteten Lauten, deren musikalische Lage er sogar angab, und die meist in Aïs-moll ausgesprochen würden. Kurz, seiner Meinung nach könnte man, in Uebereinstimmung mit der Darwin’schen Lehre von der Einheit der ganzen Schöpfung und der Vererbung physischer Eigenschaften, nicht der Mängel, etwa den Satz aufstellen: »Wenn das Geschlecht der Menschen aus dem der Affen hervorgegangen ist, warum sollte die menschliche Sprache nicht nur eine Weiterentwicklung der unvollständigen Sprache dieser Anthropoïden sein?« Dabei bleibt nur die Frage bestehen, ob die Affen wirklich die Ahnen der Menschen seien. Das hätte bewiesen werden müssen, ist aber bisher nicht erwiesen worden.
Die von dem Naturforscher Garner vermuthete und von ihm ergründete Sprache der Affen kam also auf weiter nichts hinaus, als auf eine Reihe von Lauten, die diese Säugethiere ausstoßen, um sich ihresgleichen mitzutheilen, wie das allen Thieren, Hunden, Pferden, Schafen, Gänsen, Schwalben, Bienen, Ameisen u. s. w. möglich ist. Nach der Angabe des Beobachters erfolgt diese Art der Mittheilung entweder durch ein Geschrei oder durch Zeichen oder bestimmte Bewegungen, und wenn dadurch auch keine eigentlichen Gedanken zum Ausdrucke gelangen, so verdeutlichen sie doch äußerlich einzelne seelische Empfindungen, wie die der Freude oder des Erschreckens.
Es lag also auf der Hand, daß die vorliegende Frage durch die unvollkommenen Beobachtungen und Experimente des amerikanischen Professors ihrer Lösung keinen Schritt näher gerückt war. Da kam zwei Jahre später einem deutschen Arzte der Gedanke, den Versuch Garner’s zu wiederholen, und er begab sich dazu aber mitten hinein in den Wald und in die Welt der Vierhänder, auch nicht nur zwanzig Minuten weit von einer Mission, selbst auf die Gefahr hin, eine Beute der Moskitos zu werden, denen die simiologische Leidenschaft Garner’s zu trotzen nicht stark genug gewesen war.
Jener Zeit wohnte in Kamerun, und zwar in Malinba, ein Gelehrter Namens Johausen. Er hatte hier bereits einige Jahre geweilt. Es war eigentlich ein Arzt, doch ein Mann, der sich mehr zur Zoologie und Botanik als zur Heilkunde hingezogen fühlte. Als er von dem erfolglosen Versuche des Professor Garner Kunde erhielt, reiste in ihm – obwohl er die Fünfzig schon überschritten hatte – der Entschluß, das Unternehmen zu wiederholen. John Cort hatte in Libreville wiederholt Gelegenheit gehabt, mit dem Manne zu sprechen.
War der Doctor Johausen auch kein Jüngling mehr, so erfreute er sich doch einer vortrefflichen Gesundheit. Englisch und Französisch verstand er wie seine Muttersprache und war, infolge seiner Thätigkeit als Arzt, auch der Sprache der Eingebornen einigermaßen mächtig. Seine
Vermögensverhältnisse gestatteten ihm, auch ohne Entlohnung thätig zu sein, denn er hatte weder directe Angehörige, noch erbberechtigte Verwandte. Unabhängig im weitesten Sinne des Wortes, keinem Menschen für sein Thun und Lassen verantwortlich und von unerschütterlichem Selbstvertrauen erfüllt, konnte er sich ja unbedenklich zu einem so gewagten Schritte entschließen. Immerhin gehört hierzu die Bemerkung, daß es bei dem seltsamen Manne – wie man zu sagen pflegt –im Oberstübchen nicht ganz richtig zu sein schien.