Als Diener hatte der Doctor einen Eingebornen, mit dem er außerordentlich zufrieden war. Als dieser die Absicht seines Herrn, im Walde mitten unter den Affen zu leben, vernahm, zögerte er keinen Augenblick, den Arzt zu begleiten. Er mochte aber wohl kaum wissen, was er damit auf sich nahm.
Der Doctor Johausen und sein Diener gingen nun unverzüglich an die Arbeit. Mit einem Frachtschiffe, das Malinba anlief, traf ein in Deutschland bestellter, zerlegbarer Käfig ein, der zwar dem Garner’s ähnelte, doch fester und bequemer benutzbar als jener war. In der Hafenstadt war es leicht, genügende Mundvorräthe zu erwerben, wie Conserven und andere, und auch so viele Munition, daß eine Vervollständigung der Ausrüstung für einen langen Zeitraum unnöthig erschien. Die im übrigen sehr einfache Ausstattung an Bett- und Leibwäsche, Kleidung, Küchengeräthen u. dergl.
wurde dem Hause des Doctors entnommen, und ebenso eine alte Drehorgel, in der Hoffnung, die Affen könnten für die Reize der Musik vielleicht nicht unempfänglich sein.
Gleichzeitig ließ Johausen eine große Menge Medaillen aus Nickel anfertigen, die auf der einen Seite seinen Namen, auf der anderen sein Bildniß zeigten, und die er unter den höherstehenden Mitgliedern der Affencolonie, die er zu gründen gedachte, zur Vertheilung bringen wollte.
Der Arzt und der Eingeborne schifften sich endlich am 13.
Februar 1896 in Malinba mit allem Zubehör auf einer Barke des Nbarri ein und fuhren den Fluß hinauf, um später nach…
Ja, wohin denn zu gehen? Das hatte der Doctor keinem Menschen sagen wollen. Da seine Bedürfnisse für lange Zeit gedeckt waren, schützte er sich damit am besten gegen Störungen durch Unberufene. Der Eingeborne und er würden sich schon selbst genug sein. Das verhinderte auch jede Störung und Ablenkung der Vierhänder, die er sich als einzige Gesellschaft wünschte, und er hoffte, sich mit ihrem Geplauder zu begnügen, überzeugt, daß es ihm gelingen werde, die Geheimnisse der Makakensprache zu entschleiern.
Später erfuhr man nur, daß die Barke, nach etwa hundert Lieues langer Fahrt auf dem Nbarri, bei dem Dorfe Nghila vor Anker gegangen war. Dort waren gegen zwanzig Schwarze als Träger angenommen worden und der ganze Zug hatte sich von dem Dorfe aus nach Osten hin gewendet. Von dieser Stunde an war von dem Doctor Johausen aber nichts mehr zu hören gewesen. Die nach Nghila zurückgekehrten Träger hatten auch die Stelle nicht genau angeben können, wo sie sich von dem Doctor verabschiedet hatten. Kurz, auch nach zwei Jahren und trotz wiederholten, leider erfolglosen Nachsuchungen, hatte von dem deutschen Arzte und seinem treuen Diener keine Silbe wieder verlautet.
Was nun inzwischen vorgegangen war, konnten John Cort und Max Huber jetzt, wenigstens theilweise, erkennen und feststellen.
Der Doctor Johausen hatte mit seiner Begleitmannschaft einen Fluß im Nordwesten des Waldes von Ubanghi erreicht gehabt. Dann hatte er nach Zurücksendung der Eingebornen, die Herrichtung eines Flosses begonnen, für das er die Planken und Pfähle seinen Vorräthen entnahm. Nach Vollendung dieser Arbeit waren sein Diener und er den Lauf des unbekannten Flusses hinausgefahren und hatten ihre Käfigwohnung an der Stelle errichtet, wo sie hier unter den ersten Bäumen des rechten Ufers entdeckt worden war.
Soweit herrschte über die Angelegenheit des gelehrten Forschers also einige Gewißheit. Bezüglich alles weiteren waren freilich nur Vermuthungen aufzustellen. Warum mochte der Käfig denn leer sein?… Warum hatten seine beiden Bewohner ihn verlassen?… Wie viele Monate, Wochen oder Tage war er bewohnt gewesen? Darüber ließ sich gar nichts urtheilen. Waren die zwei Männer fortgeschleppt worden?…
Durch wen denn?… Durch Eingeborne?… Der Wald von Ubanghi galt aber doch für unbewohnt. Sollte man annehmen, daß sie vor einem Anfalle durch Raubthiere entflohen wären?… Lebten der Doctor Johausen und der Eingeborne überhaupt noch heute?
Alle diese verschiedenen Fragen drängten sich den beiden Freunden auf. Leider konnten sie für keine Vermuthung eine annehmbare Erklärung geben, und so verloren sie sich immer mehr in die Dunkelheit des Geheimnisses.
»Wir wollen doch in dem Notizbuche nachsehen, schlug John Cort vor.
– Ja, das ist das einzige, was uns übrig bleibt, sagte Max Huber. Vielleicht können wir, wenn es auch keine ausführlichen Mittheilungen enthält, schon aus etwaigen Zeitangaben weitere Schlüsse ziehen.«
Max Huber schlug das Notizbuch auf, in dem einige Blätter, die feucht geworden waren, aneinander klebten.
»Ich glaube nicht, daß dieses Buch uns besonderen Aufschluß geben wird, bemerkte er.
– Warum denn?
– Weil alle Seiten darin, mit Ausnahme der ersten, unbeschrieben sind.
– Nun… und diese erste Seite, Max?…
– Die enthält einige abgerissene Sätze, auch einige Datumangaben, wahrscheinlich bestimmt, dem Doctor Johausen später bei der Abfassung eines Reiseberichtes zu dienen.«
Max Huber gelang es, wenn auch mit einiger Schwierigkeit, die folgenden, mit Bleistift geschriebenen Zeilen zu entziffern.
»29. Juli 1896. – Mit den Trägern und meinem Diener am Rande des Waldes von Ubanghi eingetroffen. – Gelagert am rechten Ufer eines Flusses. – Unser Floß gebaut.
»3. August.
– Das Floß fertig gestellt.
– Die
Begleitmannschaft nach Nghila zurückgeschickt. – Mit meinem Diener eingeschifft.
»9. August. – Den Fluß sechs Tage lang ohne Hinderniß befahren… Bei einer Lichtung angehalten. – Viele Affen in der nächsten Umgebung. – Die Stelle scheint recht passend zu sein.
»13. August. – Unsere Einrichtung vollendet. – Die Käfighütte bezogen. – Die Nachbarschaft völlig menschenleer.
– Auch keine Spuren oder Fährten von Eingebornen oder anderen. – Wasserwild im Ueberfluß. – Der Fluß sehr fischreich. – In der Hütte bei einem schlimmen Wetter gut geschützt.
»25. August. – Siebenundzwanzig Tage verflossen. – Unser Leben regelmäßig geordnet. – Einige Hippopotamusse im Wasser, doch kein Angriff durch diese. – Elenthiere und Antilopen erlegt. – In der Nacht drängen sich große Affen an die Hütte heran. – Welcher Art sie angehören, habe ich noch nicht zu erkennen vermocht. Einmal auf dem Boden umherlaufend und einmal in den Baumkronen hin und her springend, zeigen sie doch keine feindlichen Absichten. – Habe etwa hundert Schritte weit von hier einen Feuerschein unter dem Hochwalde wahrzunehmen geglaubt. Merkwürdig! Diese Affen scheinen zu sprechen, mit einander zusammenhängende Worte zu wechseln! Ein kleiner hat »Ngora! Ngora! Ngora!« gerufen, ein Wort, worunter die Eingebornen doch »Mutter« verstehen.«
Llanga hatte aufmerksam zugehört, als sein Freund Max das Vorstehende verlas; jetzt rief er plötzlich mit lauter Stimme:
»Jawohl… jawohl! Ngora, ngora… Mutter… ngora… ngora!«
Als er dieses von dem Doctor Johausen gebrauchte und von dem Knaben wiederholte Wort vernahm, mußte sich John Cort doch unwillkürlich erinnern, daß dasselbe Wort ihm vorige Nacht ebenfalls zu Ohren gekommen war. Da er das aber für eine Gehörtäuschung, für einen Irrthum hielt, hatte er den anderen überhaupt nichts davon gesagt. Nach der eben gehörten Beobachtung des Doctors glaubte er sie aber doch über diesen Vorfall unterrichten zu müssen. Da rief eben Max Huber:
»Wahrlich, sollte der Professor Garner doch recht haben? Es gäbe sprechende Affen?…
– Ich kann Dir, lieber Max, nur sagen, daß auch ich das Wort
»Ngora« schon einmal zu hören bekommen habe!« erklärte John Cort.
Er erzählte nun, unter welchen Umständen dieses Wort in der Nacht vom 14. zum 15. als er die Wache gehabt habe, mit einer kläglichen Stimme ausgesprochen worden sei.