Zwischen dem Gestein wimmelte es von Schalenthieren, von Miesmuscheln und Austern. Diese vervollständigten, die einen gekocht, die anderen roh, das Abendessen in angenehmster Weise. Mit noch einigen Stücken Brod und dem nöthigen Salz
– freilich fehlte beides – wäre da wirklich nichts zu wünschen übrig gewesen.
Da die Nacht sehr finster zu werden drohte, wollte der Foreloper sich der Strömung heute nicht noch einmal anvertrauen, da der Rio Johausen gelegentlich auch mächtige Baumstämme mit hinabtrug, und der Anprall eines solchen für das Floß zu leicht hätte verderblich werden können. So machte man sich denn auf zusammengerafftem Grase ein Nachtlager am Fuße des Gummibaumes zurecht.
Dank der abwechselnden Ueberwachung durch John Cort, Max Huber und Khamis wurde das Lager auch von keinen zudringlichen Besuchern belästigt. Nur das Geschrei von Affen dauerte vom Sonnenuntergange bis zum Morgengrauen ununterbrochen an.
»Na, daß diese Burschen nicht sprechen, dafür stehe ich ein!«
rief Max Huber, als er am Morgen Gesicht und Hände, die von Moskitos arg zerstochen waren, in das klare Wasser des Rio tauchte.
Heute erfolgte die Abfahrt um eine gute Stunde später, da wieder ein furchtbarer Platzregen niederging. Rathsamer erschien es gewiß, sich dem Wasserströme, den der Himmel so häufig über die Aequatorialgebiete Afrikas ausschüttet, nicht auszusetzen. Die dichte Belaubung des Gummibaumes schützte dagegen bis zu gewissem Grade nicht nur den Lagerplatz, sondern auch das Floß, das an den dicken Wurzeln des Baumes angebunden lag. Die Witterung war übrigens gewitterhafter Natur. Auf dem Flusse bildeten die aufklatschenden Regentropfen kleine, gleichsam elektrisch geladene Blasen.
Ohne daß von hier aus Blitze zu sehen waren, hörte man doch stromaufwärts schon ein dumpfes Donnergrollen. Ein Hagelschlag war nicht zu fürchten; die ungeheueren Wälder Afrikas haben die Eigenschaft, einen solchen auszuschließen.
Der ganze Zustand der Atmosphäre hatte jedoch ein sehr bedenkliches Aussehen, das John Cort zu der Bemerkung veranlaßte:
»Wenn dieser Regen kein Ende nimmt, ist es besser, wir bleiben, wo wir sind. Wir haben jetzt Munition genug, unsere Patronentaschen sind gefüllt, dagegen fehlt es uns an Kleidung zum wechseln…
– Ja, unterbrach ihn Max Huber lachend, warum könnten wir uns denn nicht nach Landesgebrauch – einfach mit Menschenhaut – costümieren? Das vereinfacht doch die Sache gewaltig. Da braucht man nur zu baden, um seine Wäsche zu reinigen und sich gehörig zu reiben, um seine Kleidung abzubürsten!«
Thatsächlich hatten die beiden Freunde schon seit etwa acht Tagen diese Reinigung vornehmen müssen, da sie keine Kleidung zum wechseln besaßen.
Der Platzregen wurde zwar sehr heftig. doch gerade deshalb hielt er nur etwa eine Stunde an. Diese Zeit benutzte man für das erste Frühstück. Dabei erschien auch ein neues, sehr willkommenes Gericht: frische Trappeneier, die Llanga gesammelt hatte und die Khamis sofort im kochenden Wasser hart sott. Auch bei dieser Gelegenheit beklagte sich Max Huber bitter und nicht mit Unrecht, daß Mutter Natur es versehen habe, den Eiern die doch so nothwendige kleine Menge Salz beizumischen.
Gegen halb acht Uhr hörte der Regen auf, doch behielt der Himmel noch weiter sein gewitterhaftes Aussehen. Das Floß wurde nun wieder nach der Mitte des Rio in die Strömung gesteuert.
Die Angelschnüre wurden nachgeschleppt, und da hatten wohl die Fische die Verpflichtung, bald anzubeißen, um noch zur Mittagsmahlzeit zu dienen.
Khamis schlug vor, dazu nicht den gewohnten Halt zu machen, um den eben erlittenen Zeitverlust wieder auszugleichen. Das wurde angenommen; John Cort schürte das Feuer wieder an und bald summte der Kochtopf auf den glühenden Kohlen. Da von dem Wasserbock noch genug übrig war, blieben die Gewehre stumm, wenn Max Huber auch mehr als einmal durch feistes, an den Ufern äsendes Wild arg in Versuchung geführt wurde.
Dieser Theil des Waldes erwies sich überhaupt sehr wildreich. Ohne von den Wasservögeln zu reden, gab es hier auch Wiederkäuer in Menge. Häufig streckten sich die Köpfe von Pallahls und Sassabys – einer Abart der Antilopen – mit ihren mächtigen Hörnern aus dem hohen Grase und dem Gesträuch des Ufers hervor. Wiederholt zeigten sich große Elenthiere, rothbraune Damhirsche, Steinböcke, zierliche Gazellen, Kudus – eine besondere Hirschart Afrikas – Quaggas und selbst Giraffen, die ein sehr schmackhaftes Fleisch liefern.
Wie leicht wäre es gewesen, verschiedene dieser Thiere zu erlegen, doch was hätte es genützt, da es an Nahrung bis zum nächsten Tage ja nicht fehlte. Obendrein verbot es sich, das Floß unnöthig zu bepacken und zu belasten, worauf John Cort seinen Freund besonders aufmerksam machte.
»Ja, ich bitte Dich, entgegnete Max Huber, meine Flinte rutscht mir zuweilen von selbst an die Wange, wenn mir ein so hübsches Ziel vors Auge kommt.«
Das wäre aber immerhin nichts anderes gewesen als ein Schießen, um nur zu schießen, und wenn eine solche Betrachtung einen übereifrigen Jäger auch nicht leicht zu zähmen vermag, so befahl Max Huber seinem Gewehre doch, sich ruhig zu verhalten und sich nicht von selbst in Anschlag zu legen. Durch die Umgebung dröhnte also kein Knall von unzeitgemäßen Schüssen, und friedlich glitt das Floß den Rio Johausen hinunter.
Khamis, John Cort und Max Huber fanden jedoch am Nachmittage Gelegenheit, sich für ihre Zurückhaltung schadlos zu halten; da mußten die Feuerwaffen wieder den Mund aufthun, wenn auch nicht zum Angriffe, so doch zur Abwehr.
Seit dem Morgen waren etwa zehn Kilometer zurückgelegt worden. Der Fluß zeigte viele launenhafte Windungen, obwohl seine Hauptrichtung eine südwestliche blieb. Seine sehr unebenen Ufer waren von sehr großen Bäumen eingefaßt, vorzüglich von Bombaxarten (Wollbäumen), deren breiter Schirm weit über die Fläche des Rio hineinreichte.
Trotzdem, daß sich die Breite des Johausen nicht vermindert hatte, sondern da und dort über fünfzig, sogar bis sechzig Meter betrug, vermischten sich die Bombaxzweige von beiden Seiten her und bildeten ein tiefgrünes Laubgewölbe, worunter das Wasser leise plätscherte.
Die meisten davon, die mit ihren Enden in die von den jenseitigen Bäumen hinüberreichten, waren noch durch schlangenartige Lianen mit einander verbunden – eine Naturbrücke, über die gewandte Clowns oder mindestens Vierhänder von einem Ufer zum andern gelangen konnten.
Von den niedrigeren Theilen des Horizonts waren die Gewitterwolken immer noch nicht ganz verschwunden, im übrigen aber schien die Sonne wieder und ihre Strahlen fielen fast lothrecht auf den Fluß.
Khamis und seine Gefährten konnten sich also beglückwünschen, hier unter dem Blätterdome hinzufahren.
Das erinnerte sie an ihre Wanderung unter den Bäumen und längs tiefschattiger Gänge, nur daß sie jetzt mühelos vorwärts kamen und keinen von Sisiphus und anderen Stachelkräutern bedeckten Boden zu überwinden hatten.
»Wahrhaftig, der reine Park, dieser Wald von Ubanghi, rief John Cort, ein Park mit üppigem Baumschlag und plätscherndem Wasser. Man könnte hier glauben, im Nationalpark der Vereinigten Staaten, an den Quellen des Missouri und des Yellowstone zu sein!…
– Ja, ein Park, worin sich Affen tummeln, bemerkte dazu Max Huber. Wahrlich, hier scheint sich das ganze Affengeschlecht ein Stelldichein gegeben zu haben! Wir sitzen mitten drin im Reiche der Vierhänder, wo Schimpansen, Gorillas und Gibbons eine unbeschränkte Herrschaft führen!«
Eine Bestätigung erhielt dieser Ausspruch durch die ungeheuere Menge dieser Thiere, die auf den Ufern durcheinandersprangen, von den Bäumen herablugten und im tieferen Walde hin und her liefen. Noch niemals hatten Khamis und dessen Gefährten so viele, so lärmende und so überaus gelenkige Affen beobachtet. Das war ein ewiges Schreien und Springen und Purzelbaumschlagen, und ein Photograph hätte hier ganze Bilderserien urkomischer Grimassen aufnehmen können.