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Dasselbe konnte auch von dem jetzt ausgeführten Zuge gelten, denn dieser hatte ihm eine beträchtliche Menge sehr schönes Elfenbein eingebracht, das in den Gebieten jenseits des Bahar-el-Abiad, fast an der Grenze von Darfur, erbeutet worden war.

Jetzt wurde nun im Schatten prächtiger Tamarinden ein Lager aufgeschlagen, und als John Cort, nachdem die Träger mit dem Auspacken des Proviants begonnen hatten, den Portugiesen fragte, was er von der Stelle halte, antwortete Urdax in dem ihm völlig geläufigen Englisch:

»Ich denke, Herr Cort, die Haltestelle ist für uns ganz passend, und auch für unsere Zugthiere bietet sie einen reichbesetzten Tisch.

– Ja freilich, sie finden hier hohes fettes Gras in Ueberfluß, sagte John Cort.

– Das verzehrte man selbst mit Vergnügen, setzte Max Huber hinzu, wenn man den Organismus eines Wiederkäuers und drei Magen zum Verdauen hätte!

– Danke schön, erwiderte John Cort, ich bevolzuge aber doch ein über Kohlen gebratenes Antilopenviertel, den Zwieback, womit wir ja reichlich versehen sind, und unsere Tönnchen Cap-Madeira…

– Dem man einige Tropfen aus dem klaren Rio, der durch die Ebene verläuft, zusetzen könnte,« bemerkte der Portugiese.

Er zeigte dabei nach einem Wasserlaufe, jedenfalls einem Nebenflusse des Ubanghi, der sich etwa einen Kilometer weit vom Hügel entfernt dahinschlängelte.

Die Lagereinrichtung wurde bald vollendet. Das Elfenbein hatte man in großen Haufen dicht neben dem Wagen niedergelegt. Die Zugochsen tummelten sich in der Umgebung der Tamarinden. Da und dort flammte aus herabgefallenem, dürrem Holze schon ein Feuer auf. Der Foreloper überzeugte sich, daß es den verschiedenen Gruppen der Leute an nichts fehle. Elch- und Antilopenfleisch, frisches sowie gedörrtes, gab es in Ueberfluß, die Jagd lieferte mehr, als man brauchte. Bald verbreitete sich nun ein angenehmer Bratengeruch, und alle entwickelten dann einen tüchtigen Appetit, den der letzte Halbtagesmarsch gewiß rechtfertigte.

Waffen und Munition waren natürlich im Wagen gelassen worden. Dieser enthielt mehrere Kistchen mit Patronen, verschiedene Jagdgewehre, Karabiner und Revolver, lauter vortreffliche Erzeugnisse der modernen Waffentechnik, die dem Portugiesen, Khamis, John Cort und Max Huber im Nothfalle zur Verfügung standen.

Eine Stunde später war die Mahlzeit beendet. Den Magen befriedigt und tüchtig ermüdet, mußte die Karawane bald in tiefen Schlaf fallen.

Der Foreloper vertraute ihre Bewachung einigen seiner Leute an, die sich alle zwei Stunden ablösen sollten. In jenen entlegenen Gebieten muß man eben stets gegen zwei- und vierfüßige Uebelthäter auf der Hut sein. Urdax unterließ es auch niemals, alle von der Vorsicht gebotenen Maßregeln zu treffen. Bei seinen fünfzig Jahren noch sehr kräftig und vertraut mit Zügen dieser Art, erfreute er sich einer außerordentlichen Ausdauer; doch auch der fünfunddreißigjährige Khamis, der ebenso gewandt und geschmeidig wie kräftig, ebenso kaltblütig wie muthig war, bot jede erwünschte Garantie für die Führung von Karawanen durch Afrika.

Am Fuße einer der Tamarinden hatten die beiden Freunde und der Portugiese sich zum Abendessen niedergesetzt, das der kleine Knabe gebracht und einer der Eingebornen, der als Koch für die Gesellschaft waltete, zubereitet hatte.

Bei der Mahlzeit rasteten die Zungen ebensowenig wie die Kiefer. Das Essen hindert ja nicht am Sprechen, wenn man sich dabei nicht zu sehr beeilt. Wovon war denn nun die Rede?…

Von den Erlebnissen der Reisegesellschaft auf dem Wege nach Nordosten?… O nein, Zwischenfälle, die sich noch auf dem Rückwege ereignen konnten, boten ein mehr actuelles Interesse. Bis zu den Factoreien von Libreville war es noch ein weiter, über zweitausend Kilometer langer Weg, dessen Zurücklegung recht wohl neun bis zehn Wochen beanspruchen konnte. Bezüglich dieses zweiten Theiles der Reise hatte John Cort auch sein »Wer weiß?« gegen seinen Begleiter geäußert, der nicht nur Unerwartetes, sondern auch etwas Außerordentliches zu erleben verlangte.

Bis nach dem jetzt erreichten Punkte war die Karawane von den Grenzen Darfurs an nach Ubanghi zu heruntergezogen, wobei sie die Furten des Aukadebe und seiner zahlreichen Nebenflüsse passiert hatte. Heute rastete sie nahe der Stelle, wo der zweiundzwanzigste Längen- und der neunte Breitengrad einander kreuzen.

»Von jetzt an, sagte Urdax, werden wir aber in südwestlicher Richtung weiter ziehen…

– Und das erscheint um so mehr geboten, als der Horizont –wenn meine Augen mich nicht trügen – durch einen Wald abgeschlossen ist, dessen Ende man weder im Osten noch im Westen erkennen kann.

– Jawohl, durch einen ungeheueren Wald! bestätigte der Portugiese. Wären wir gezwungen, ihn nach der Ostseite zu zu umwandern, so würden Monate vergehen, ehe wir ihn hinter uns hätten.

– Im Westen dagegen…

– Im Westen, fiel Urdax ein, treffen wir, wenn wir seinem Rande folgen, ohne besondere Verlängerung unseres Weges in der Nähe der Stromschnellen des Zongo auf den Ubanghi.

– Würde es unsere Reise nicht abkürzen, wenn wir quer hindurch zögen? fragte Max Huber.

– Ja freilich, um etwa vierzehn Marschtage.

– Nun, warum sollen wir das denn nicht thun?

– Weil jener Wald ganz undurchdringlich ist.

– Oho… undurchdringlich! erwiderte Max Huber mit dem Ausdrucke des Zweifels.

– Für Fußgänger vielleicht nicht, fuhr der Portugiese fort, und doch bin ich mir dessen nicht sicher, weil es noch keiner versucht hat; sich aber mit den Zugochsen hinein zu wagen, wäre ein Unterfangen, das mißglücken müßte.

– Sie sagen, Urdax, daß es noch niemand versucht hat, durch diesen Wald zu kommen?

– Ob versucht, das weiß ich nicht, Herr Huber, doch ausgeführt hat es noch keiner, und in Kamerun wie im Congogebiete wird es niemand einfallen, es zu unternehmen.

Wer getraute sich auch wohl, da hindurchzudringen, wo es nur stachlige Dickichte und dorniges Strauchwerk, doch keine Spur von einem Pfade giebt? Ich glaube, kaum mit Feuer und Axt könnte man sich dort einen Weg bahnen, von den umgestürzten Bäumen gar nicht zu reden, die fast unüberwindliche Hindernisse bilden müssen…

– Unüberwindliche, Herr Urdax?…

– Ich bitte Dich, lieber Freund, nahm John Cort jetzt das Wort, gieb den Gedanken, Dich in jenen Wald zu wagen, getrost auf. Ein Glück für uns, daß wir nur um ihn herumzufahren brauchen. Ich gestehe, daß es mir nie einfallen könnte, mich in ein derartiges Labyrinth von Bäumen zu verirren.

– Nicht einmal, um zu sehen, was sich darin findet?

– Ja, was in aller Welt soll sich denn da finden, Max?… Etwa unbekannte Königreiche, verzauberte Städte, mythologische Eldorados, bisher nie gesehene Geschöpfe, vielleicht Raubthiere mit fünf Füßen oder menschliche Wesen mit drei Beinen?