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Die Mutter erschien fast graziös, mit ihren einnehmenden, sanften Zügen, ihrem Blick, der eine warme Liebe verrieth.

Dazu hatte sie wohlgeordnet stehende Zähne von blendender Weiße, und – bei welcher Vertreterin des schwächeren Geschlechts träfe man gar nichts von Koketterie? – einige Blumen, daneben aber – was rein unerklärlich erschien –einzelne Glas- und Elfenbeinperlen im Haar.

Die junge Wagddifrau erinnerte an den Typus der Kaffern im Süden, und zwar durch ihre runden, wohlgeformten Arme, mit den zarten, sein zugespitzten Fingern, den weichen Händen mit Grübchen, und mit ihren Füßen, um die sie manche Europäerin hätte beneiden können. Ueber dem wolligen Flaum der Haut trug sie einen Ueberwurf aus Rindenstoff, der in der Taille zusammengehalten war. An ihrem Halse hing eine Denkmünze von Doctor Johausen, ganz ähnlich der, die das Kind getragen hatte.

Zum großen Leidwesen John Cort’s war es nicht möglich, sich mit Lo-Maï und Li-Maï irgendwie zu verständigen, dagegen zeigte es sich unverkennbar, daß die beiden Eingebornen bemüht waren, allen Pflichten der wagddiischen Gastfreundschaft nachzukommen. Der Vater bot auf einer Schale einige Früchte an, Matofes, die von einer stark duftenden Liane stammen.

Die Gäste langten zu und verzehrten einige Matofes zur größten Befriedigung der Familie.

Im weiteren Verlaufe des Besuches fand man auch die schon lange ausgesprochene Bemerkung bestätigt, daß die Sprache der Wagddis, ganz entsprechend den polynesischen Mundarten, viel Aehnlichkeiten mit dem kindlichen Lallen aufweise, was die Philologen zu der Behauptung veranlaßt hat, daß es für das gesammte Menschengeschlecht eine lange Zeit gegeben habe, wo alle Sprachen nur aus Vocalen bestanden, und daß die Consonanten erst weit später aufgetaucht wären. In fast zahllosen Verbindungen ließen sich die Vocale in verschiedenster Bedeutung gebrauchen und lauteten, freilich schon mit einzelnen, wenig hervortretenden Consonanten verbunden, z. B. ori, oriori, oro, oroora, orurna u. s. w. – An Consonanten traten zunächst das ‘k’, das ‘t’ und das ‘p’ auf, und bald auch die Nasenlaute ‘ng’ und ‘m’. Allein mit den Vocalen (im vorher bezeichneten Sinne) ‘ha’ und ‘ra’ ließ sich schon eine Reihe von Wörtern bilden, die ohne Mithilfe wirklicher Consonanten die verschiedensten Ausdrücke gestatteten und zur Bildung von Hauptwörtern, Fürwörtern und Zeitwörtern dienten.

In der Umgangssprache der Wagddis waren die Fragen und die Antworten sehr kurz, und bestanden meist nur aus zwei oder drei Wörtern, die wie bei den Congolesen fast alle mit

‘ng’, ‘mgu’ oder ‘mf’ anfingen. Die Mutter erschien weniger gesprächig als der Vater, wahrscheinlich hatte ihre Zunge nicht, wie die Zunge der Frauen der beiden Welten, die Fähigkeit, in der Minute zwölftausend Bewegungen auszuführen.

Recht auffallend war auch – und John Cort wunderte sich darüber am meisten – daß die Urmenschen verschiedene congolesische und deutsche Ausdrücke gebrauchten, wenn diese auch infolge ihrer Aussprache stark verunstaltet waren.

Im ganzen hatte es den Anschein, als ob der Gedankenkreis dieser Wesen sich nur auf alles zur Lebenserhaltung nothwendige beschränkte, und daß sie nur über Wörter verfügten, Vorstellungen dieser Art auszudrücken. An Stelle der sonst auch bei den niedrigst stehenden Wilden zu beobachtenden Religiosität, die den Insassen von Ngala offenbar abging, ließ sich doch mit Sicherheit erkennen, daß sie der Empfindung der Liebe und Zuneigung fähig waren. Sie verriethen für ihre Kinder nicht nur das Gefühl, das auch den Thieren, soweit es die Vorsorge für die Erhaltung der Art betrifft, nicht abgeht, sondern das ging auch, wie man es an dem Vater und der Mutter gegenüber Li-Maï beobachten konnte, entschieden darüber hinaus. Dazu trat ferner eine gewisse Reciprocität zu Tage, ein Austausch elterlicher und kindlicher Zärtlichkeit, kurz, man hatte hier das Bild einer

»Familie« vor Augen.

Nach einviertelstündigem Verweilen in der Hütte verließen Khamis, John Cort und Max Huber diese wieder unter Führung des Hausvaters und seines Kindes. Sie kamen nun wieder nach der Hütte, worin sie eingeschlossen gewesen waren und wie es scheint bleiben sollten, bis… ja, bis wann?… Immer wieder diese Frage, deren Lösung wahrscheinlich auch nicht durch sie allein erfolgen sollte.

Vor der Hütte trennte man sich. Li-Maï umarmte noch einmal den jungen Eingebornen und streckte – nicht etwa wie ein Hund die Pfote oder wie ein Vierhänder seine Vorderhand, nein – beide Hände John Cort und Max Huber entgegen, die diese mit mehr Herzlichkeit drückten, als Khamis.

»Mein lieber Max, bekannte dann John Cort, einer unserer berühmten Schriftsteller hat behauptet, daß in jedem Menschen ein Ich und ein Anderer verborgen sei. Wahrscheinlich fehlt den Urmenschen hier einer davon…

– Und welcher, John?

– Ganz sicher der andere. Um sie gründlich zu erforschen, müßte man sich Jahre lang bei ihnen aufhalten; ich hoffe jedoch, daß wir binnen wenigen Tagen wieder aufbrechen können…

– Das dürfte, fiel Max Huber ein, wohl von Seiner Majestät abhängen, und wer weiß denn, ob der König Mselo-Tala-Tala uns nicht zu Kammerherren des wagddiischen Hofes ernennen will?«

Fünfzehntes Capitel.

Dreiwöchige Studien

Wie lange sollten John Cort, Max Huber, Khamis und Llanga sich in diesem Dorfe wohl zurückgehalten sehen? – Sollte irgend ein Ereigniß in ihrer immerhin beunruhigenden Lage eine Aenderung herbeiführen?…Sie sahen sich so scharf überwacht, daß an eine Flucht kaum zu denken war… Doch selbst angenommen, daß es ihnen gelänge, zu entfliehen, wohin hätten sie sich inmitten des undurchdringlichsten Theiles des großen Waldes wenden, wie dessen Ende erreichen oder das Bett des Rio Johausen wiederfinden sollen?

Trotz seiner Sehnsucht nach außergewöhnlichen Erlebnissen meinte Max Huber doch, daß die Sachlage, wenn sie in gleicher Weise fortbestand, ungemein an Reiz verliere. Er war denn auch der erste, dem die Geduld ausging und der jetzt nichts sehnlicher wünschte, als nach dem Becken des Ubanghi zu kommen und nach der Factorei in Libreville zurückzukehren, von der John Cort und ihm doch keinerlei Hilfe in Aussicht stand.

Der Foreloper zeterte über das Pech, das ihn den Tatzen –seiner Ansicht nach waren es eben Tatzen – dieses tief unten stehenden Waldmenschenvolkes zugeführt hatte. Er verheimlichte auch gar nicht die vollkommene Verachtung, die jene Geschöpfe ihm einflößten, während sie sich doch nicht wesentlich von den anderen in Centralafrika hausenden Stämmen unterschieden. Khamis empfand eine Art instinctive, unbewußte Eifersucht, die den beiden Freunden keineswegs entging. Jedenfalls aber verlangte es ihn ebenso wie Max Huber, Ngala den Rücken zu kehren, und was dazu zu thun nöthig wäre, das wollte er gerne thun.

Am wenigsten schien es John Cort eilig zu haben, denn ihn drängte es, sich über diese Urmenschen möglichst eingehend zu unterrichten. Zur Ergründung ihrer Sitten, ihrer Lebensweise, ihres ethnologischen Charakters und moralischen Werthes, sowie zu bestimmen, bis wie weit sie noch ins Thierreich hineinreichten, dafür hätten ja wenige Wochen genügt. Jetzt wußte freilich noch niemand, ob sich der unfreiwillige Aufenthalt bei den Wagddis nicht weit länger, auf Monate, vielleicht auf Jahre ausdehnen werde, und ebenso ungewiß war der endliche Ausgang dieses erstaunlichen Abenteuers.

Von einer schlechten Behandlung schienen John Cort, Max Huber und Khamis dagegen nicht bedroht zu sein; offenbar erkannten die Waldmenschen deren geistige Ueberlegenheit rückhaltlos an. Ferner – und das war eine kaum erklärliche Erscheinung – hatten sie sich über das Erscheinen wirklicher Menschen nie besonders verwundert gezeigt. Hätte die kleine Truppe aber ihre Flucht mit Gewalt durchsetzen wollen, so setzte sie sich damit sicherlich Fährlichkeiten aus, die besser vermieden wurden.