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Sie sah, wie die Miene ihres Vaters immer finsterer wurde, während sie erzählte. Der Blick, den er ihr zuwarf, war geradezu zum Fürchten. Sie versuchte die Geschichte so kurz wie möglich zu halten.

»Nein«, beharrte ihr Vater. »Ich will alles hören .«

Ashley war viel zu erschöpft, um einschlafen zu können, als sie an diesem Abend zu Bett ging. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wenn bekannt wird, was Dennis mir angetan hat, bin ich blamiert. Jeder in der Firma weiß dann, was mir passiert ist. Aber ich kann nicht zulassen, daß er das auch mit anderen macht. Ich muß mich an die Polizei wenden.

Man hatte sie gewarnt, daß Dennis wie besessen von ihr sei, aber sie hatte es nicht beachtet. Jetzt, im nachhinein, erkannte sie all die kleinen Hinweise: Dennis konnte es nicht ausstehen, wenn sie mit jemand anderem redete; er wollte ständig mit ihr ausgehen, hatte sie ständig belauscht .

Wenigstens weiß ich jetzt, wer mir nachstellt, dachte Ashley.

Am nächsten Morgen um halb neun, als Ashley gerade zur Arbeit gehen wollte, klingelte das Telefon. Sie nahm den Hörer ab. »Hallo.«

»Ashley - Shane hier. Hast du die Nachricht schon gehört?«

»Was für eine Nachricht?«

»Es kam gerade im Fernsehen. Man hat Dennis Tibble tot aufgefunden.«

Einen Moment lang meinte Ashley den Boden unter den Füßen zu verlieren. »O mein Gott! Was ist passiert?«

»Nach Auskunft der Polizei hat ihn jemand erstochen und entmannt.«

6

Deputy-Sheriff Sam Blake hatte seinen Posten bei der Sheriffdienststelle von Cupertino auf die denkbar härteste Art erworben: Er hatte Serena Dowling geheiratet, die Schwester des Sheriffs, eine wahre Xanthippe, die wegen ihrer messerscharfen Zunge weithin berüchtigt war. Sam Blake war der einzige Mann in Serenas Leben, der mit ihr umgehen konnte. Er war ein kleiner, sanftmütiger Mensch, der eine Engelsgeduld hatte. Serena konnte sich noch so unmöglich aufführen - er wartete einfach, bis sie sich ausgetobt hatte, und redete dann in aller Ruhe mit ihr.

Sam Blake war bei der Sheriffdienststelle gelandet, weil Sheriff Matt Dowling sein bester Freund war. Sie waren zusammen aufgewachsen und gemeinsam zur Schule gegangen. Blake gefiel die Arbeit bei der Polizei, und er war ein hervorragender Polizist. Er war intelligent und scharfsinnig und konnte so hartnäckig sein, daß es fast schon an Starrsinn grenzte. Nicht umsonst galt er als der beste Ermittler der Dienststelle.

An diesem Morgen hatten Sam Blake und Sheriff Dowling zusammen Kaffee getrunken.

»Ich habe gehört, daß meine Schwester dir letzte Nacht wieder die Hölle heiß gemacht hat«, sagte Sheriff Dowling. »Wir haben etliche Anrufe von Nachbarn erhalten, die sich über den Lärm beschwert haben. Serena hat ein fürchterliches Organ.«

Sam zuckte die Schultern. »Ich habe sie schon wieder beruhigt, Matt.«

»Gott sei Dank, daß ich nicht mehr mit ihr zusammenleben muß. Ich weiß nicht, was manchmal in sie fährt. Ihre Tobsuchtsanfälle sind -«

Ihr Gespräch wurde jäh unterbrochen. »Sheriff - wir haben gerade einen Notruf erhalten. Drüben an der Sunnyvale Avenue ist jemand ermordet worden.«

Sheriff Dowling schaute Sam Blake an.

Blake nickte. »Ich übernehm’ das.«

Eine Viertelstunde später betrat Deputy Blake Dennis Tibbles Wohnung. Im Wohnzimmer redete ein Polizeibeamter mit dem Hauswart.

»Wo ist der Tote?« fragte Blake.

Der Polizeibeamte deutete mit dem Kopf zur Schlafzimmertür. »Da drin, Sir.« Er wirkte blaß.

Blake ging ins Schlafzimmer und blieb erschrocken stehen. Ein nackter Mann lag quer auf dem Bett, und der ganze Raum triefte förmlich vor Blut. Als er näher trat, sah er, woher das ganze Blut kam. Offenbar hatte ihm jemand immer wieder den scharfen Zackenrand einer zerschlagenen Flasche in den Rücken gerammt, denn in der Haut steckten Glassplitter. Außerdem waren dem Opfer die Hoden abgeschnitten worden.

Beim bloßen Anblick schmerzte Blake der Unterleib. »Wie bringt ein Mensch so was nur fertig?« sagte er laut. Die Waffe war nirgendwo zu sehen, aber sie würden noch gründlich danach suchen.

Deputy Blake ging wieder ins Wohnzimmer und wandte sich an den Hauswart. »Haben Sie den Toten gekannt?«

»Ja, Sir. Er hat hier gewohnt.«

»Wie heißt er?«

»Tibble. Dennis Tibble.«

Deputy Blake machte sich eine Notiz. »Seit wann wohnt er hier?«

»Seit fast drei Jahren.«

»Was können Sie mir sonst noch über ihn sagen?«

»Nicht allzuviel. Tibble hat ziemlich zurückgezogen gelebt, hat immer pünktlich die Miete bezahlt. Ab und zu hat er ‘ne Frau mit nach Hause gebracht. Meiner Meinung nach waren das meistens Huren.«

»Wissen Sie, wo er gearbeitet hat?«

»O ja. Bei der Global Computer Graphics Corporation. Er war einer von diesen Computerfreaks.«

Deputy Blake machte sich eine weitere Notiz. »Wer hat die Leiche gefunden?«

»Maria. Eine der Putzfrauen. Wir haben insgesamt sechs, die jeden -«

»Ich möchte mir ihr reden.«

»Ja, Sir. Ich hol’ sie.«

Es war eine dunkelhäutige Brasilianerin, etwa Mitte Vierzig, die nervös und verängstigt wirkte.

»Sie haben die Leiche entdeckt, Maria?«

»Ich hab’s nicht getan. Ich schwör’s Ihnen.« Sie sah aus, als ob sie jeden Moment einen hysterischen Anfall bekommen könnte. »Brauch’ ich einen Anwalt?«

»Nein. Sie brauchen keinen Anwalt. Sagen Sie mir einfach, was passiert ist.«

»Nichts ist passiert. Ich meine - ich bin heute morgen hier reingekommen, weil ich putzen wollte. So wie immer. Ich - ich hab’ gedacht, er wäre weg. Um sieben Uhr früh geht er normalerweise immer. Ich hab’ das Wohnzimmer aufgeräumt und -«

Mist! »Maria, wissen Sie noch, wie das Zimmer ausgesehen hat, bevor Sie aufgeräumt haben?«

»Was meinen Sie damit?«

»Haben Sie irgend etwas verändert? Irgendwas weggeräumt?«

»Tja, na ja. Eine zerbrochene Weinflasche hat am Boden gelegen. Sie war ganz klebrig. Und ich -«

»Was haben Sie damit gemacht?« fragte er aufgeregt.

»Ich hab’ sie in den Müllschlucker getan, der den Abfall zermahlt.«

»Was haben Sie denn sonst noch gemacht?« »Na ja, ich hab’ den Aschenbecher ausgeleert und -«

»Lagen irgendwelche Zigarettenkippen drin?«

Sie dachte einen Moment nach. »Eine. Ich hab’ sie in den Abfalleimer in der Küche gekippt.«

»Dann nehmen wir uns den doch mal vor.« Er folgte ihr in die Küche, und sie deutete auf die mit Lippenstift verschmierte Kippe, die im Mülleimer lag. Vorsichtig bugsierte Deputy Blake sie in die Plastiktüte.

Er geleitete sie wieder ins Wohnzimmer. »Maria, wissen Sie, ob irgendwas aus dieser Wohnung fehlt? Haben Sie den Eindruck, daß irgend etwas Wertvolles verschwunden ist?«

Sie blickte sich um. »Ich glaube nicht. Mr. Tibble hat so kleine Figürchen gesammelt. Hat einen Haufen Geld dafür ausgegeben. Anscheinend sind die alle noch da.«

Ein Raubmord war es also nicht. Drogen eventuell? Ein Racheakt? Eine Liebesbeziehung, die in die Binsen gegangen war?

»Was haben Sie gemacht, nachdem Sie aufgeräumt haben, Maria?«

»Ich hab’ hier drin gesaugt, wie immer. Und dann -« Sie stockte einen Moment lang. »Dann bin ich ins Schlafzimmer gegangen und ... da hab’ ich ihn gesehen.« Sie blickte Deputy Blake an. »Ich schwör’ Ihnen, daß ich’s nicht getan hab’.«

Kurz darauf trafen der Leichenbeschauer und seine Mitarbeiter ein. Sie hatten einen Plastiksack zum Abtransport des Opfers dabei.

Drei Stunden später war Deputy Sam Blake wieder im Büro des Sheriffs.

»Was hast du rausgekriegt, Sam?«