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David starrte wie benommen auf den Brief.

»David, werden Sie mit Ashley sprechen?«

David nickte. »Ja, natürlich werde ich mit ihr sprechen, aber ich -«

Dr. Patterson stand auf. »Vielen Dank.«

David brachte ihn zur Tür.

Warum sind Sie eigentlich Wirtschaftsanwalt geworden? Weil ich einen Fehler begangen habe, der einer Frau, die ich geliebt habe, das Leben gekostet hat. Weil ich mir geschworen habe, daß ich nie mehr im Leben für das Leben eines anderen verantwortlich sein möchte. Niemals.

Ich kann Ashley Patterson nicht verteidigen.

David drückte den Knopf an seiner Gegensprechanlage. »Holly, würden Sie bitte Mr. Kincaid fragen, ob ich gleich bei ihm vorsprechen darf?«

»Ja, Sir.«

Eine halbe Stunde später betrat David das geschmackvoll eingerichtete Büro von Joseph Kincaid. Kincaid war Mitte Sechzig, ein stattlicher, grauhaariger Mann, den nichts auf der Welt erschüttern konnte.

»Na«, sagte er, als David durch die Tür kam, »Sie können sich wohl nicht gedulden, junger Mann? Sollten Sie nicht erst um fünf bei mir vorsprechen?«

David ging zum Schreibtisch. »Ich weiß. Aber ich wollte etwas anderes mit Ihnen besprechen, Joseph.«

Vor etlichen Jahren hatte David ihn einmal mit »Joe« angeredet, worauf der Alte ihn prompt zur Schnecke gemacht hatte. Unterstehen Sie sich, mich noch einmal mit Joe anzusprechen.

»Setzen Sie sich, David.«

David nahm Platz.

»Zigarre? Die stammen aus Kuba.«

»Nein, danke.«

»Worum geht es?«

»Dr. Patterson ist eben bei mir gewesen.«

»Es kam heute morgen in den Nachrichten«, sagte Kincaid. »Schöne Schweinerei. Was wollte er von Ihnen?«

»Ich soll seine Tochter verteidigen.«

Kincaid schaute David verwundert an. »Sie sind doch gar kein Strafverteidiger.«

»Das habe ich ihm auch gesagt.«

»Nun denn.« Kincaid dachte einen Moment lang nach. »Wissen Sie, einen Mandanten wie Dr. Patterson kann man sich nur wünschen. Er ist einflußreich. Er könnte unserer Kanzlei allerhand neue Aufträge verschaffen. Außerdem hat er beste Beziehungen zu etlichen Staatsorganisationen, die -«

»Das ist noch nicht alles.«

Kincaid schaute David fragend an. »Aha?«

»Ich habe ihm versprochen, daß ich mit seiner Tochter rede.«

»So, so. Nun ja, ich nehme an, das kann nichts schaden. Reden Sie mit ihr, und hinterher setzen wir uns zusammen und suchen einen guten Strafverteidiger für sie aus.«

»Genau das hatte ich vor.«

»Gut. Wir werden ihm Hilfestellung geben. Sie nehmen sich der Sache an.« Er lächelte. »Wir sprechen uns um fünf.«

»Schön. Vielen Dank, Joseph.«

Warum besteht Dr. Patterson unbedingt darauf, daß ich seine Tochter verteidige? dachte David, als er zu seinem Büro zurückging.

12

Unterdessen saß Ashley Patterson teilnahmslos in ihrer Zelle im Bezirksgefängnis von Santa Clara und wußte nicht, wie ihr geschah. Einerseits war sie heilfroh, daß sie im Gefängnis saß, weil ihr hinter Gittern niemand etwas antun konnte. Sie verschanzte sich regelrecht in ihrer Zelle und versuchte all das Schreckliche und Unerklärliche, das ihr widerfahren war, zu verdrängen. Ihr Leben war zu einem einzigen Alptraum geworden. Ashley dachte über die rätselhaften Vorfälle in letzter Zeit nach - über den Einbruch in ihre Wohnung und die Streiche, die man ihr gespielt hatte ... das Wochenende in Chicago ... die Schmiererei auf ihrem Spiegel. Und jetzt bezichtigte die Polizei sie unsäglicher Taten, die sie nie und nimmer begangen hatte. Sie kam sich vor, als hätte sich alle Welt gegen sie verschworen, aber sie hatte keine Ahnung, wer oder was dahintersteckte.

Frühmorgens war eine Wärterin zu ihrer Zelle gekommen. »Besuch.«

Sie hatte Ashley zu einem Sprechzimmer gebracht, in dem ihr Vater sie erwartete.

Er hatte dagestanden und sie mit bedrückter Miene betrachtet. »Mein Schatz - ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Ich war’s nicht. So was Schreckliches brächte ich gar nicht fertig.«

»Das weiß ich doch. Hier handelt es sich um ein schreckliches Mißverständnis, aber wir werden das schon wieder bereinigen.«

Ashley schaute ihren Vater an und fragte sich, wie sie jemals auf die Idee hatte kommen können, daß er hinter den Mordtaten steckte.

»... keine Sorge«, sagte er gerade. »Das wird schon wieder. Ich habe einen Anwalt für dich. David Singer heißt er. Ein junger Mann, aber blitzgescheit. Er wird vorbeikommen und mit dir sprechen. Ich möchte, daß du ihm alles erzählst.«

Ashley blickte ihren Vater an. »Ich - ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll«, versetzte sie tonlos. »Ich weiß ja überhaupt nicht, was los ist.«

»Wir werden der Sache schon auf den Grund gehen, mein Schatz. Ich werde jedenfalls nicht zulassen, daß man dir etwas zuleide tut. Nie und nimmer! Du bedeutest mir zuviel. Du bist mein ein und alles.«

»Du auch«, flüsterte Ashley.

Ashleys Vater blieb über eine Stunde. Nachdem er gegangen war, wurde Ashley wieder in die kleine Zelle zurückgebracht, in der man sie verwahrte. Sie legte sich auf die Pritsche und zwang sich dazu, sich keinerlei Gedanken zu machen. Das wird bald vorüber sein, und dann werde ich feststellen, daß alles nur ein Traum war ... Nur ein Traum ... Nur ein Traum. Sie schlief ein.

Eine Wärterin weckte sie auf. »Besuch für Sie.«

Sie wurde in einen Besuchsraum gebracht, wo Shane Miller bereits auf sie wartete.

Er stand auf, als Ashley hereingeführt wurde. »Ashley ...« Sie hatte mit einemmal Herzklopfen. »O Shane!« Noch nie hatte sie sich so über einen Besuch gefreut. Irgendwie hatte sie gewußt, daß er vorbeikommen und sie herausholen würde, daß er dafür sorgen würde, daß man sie freiließ.

»Shane, ich bin ja so froh, daß du hier bist!«

»Ich freue mich auch«, erwiderte er verlegen. Er blickte sich in dem Besuchszimmer um. »Allerdings nicht unbedingt unter diesen Umständen. Ich - ich wollte es zunächst nicht glauben, als ich es erfahren habe. Wie konnte das passieren? Wieso hast du das getan, Ashley?«

Ihr Gesicht verlor jegliche Farbe. »Wieso ich das -? Meinst du etwa, daß ich -?«

»Ist ja egal«, sagte Shane rasch. »Sprechen wir nicht mehr davon. Darüber solltest du nur mit deinem Anwalt reden.«

Ashley stand da und starrte ihn an. Er hielt sie offenbar für schuldig. »Wieso bist du gekommen?«

»Nun ja, ich - mir ist dabei gar nicht wohl zumute, aber unter

- diesen Umständen, äh - sieht sich die Firma leider gezwungen, dich zu entlassen. Ich meine, wir - wir können es uns einfach nicht leisten, in so eine Sache hineingezogen zu werden. Schlimm genug, daß in den Zeitungen erwähnt wurde, daß du bei Global beschäftigt bist. Das verstehst du doch, nicht? Es ist nicht persönlich gemeint.«

Auf der Fahrt nach San Jose überlegte sich David Singer, wie er das Gespräch mit Ashley Patterson angehen sollte. Er wollte zusehen, daß er soviel aus ihr herausholen konnte wie nur möglich, und alles, was er erfuhr, an Jesse Quiller weiterleiten, einen der besten Strafverteidiger im ganzen Land. Wenn jemand Ashley helfen konnte, dann war es Jesse.

David wurde in Sheriff Dowlings Büro geführt. Er reichte dem Sheriff seine Karte. »Ich bin Rechtsanwalt. Ich möchte mit Ashley Patterson sprechen und -«

»Sie erwartet Sie bereits.«

David schaute ihn überrascht an. »Tatsächlich?«

»Ja.« Sheriff Dowling wandte sich an einen Deputy und nickte ihm zu.