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»Hier lang«, sagte der Deputy zu David.

Er führte David in den Besuchsraum, und ein paar Minuten später wurde Ashley aus ihrer Zelle gebracht.

David war Ashley Patterson vor vielen Jahren einmal begegnet, als er noch Student gewesen war und ihren Vater in der Gegend herumchauffiert hatte. Er hatte das Mädchen seinerzeit intelligent und attraktiv gefunden. Jetzt hatte er eine schöne junge Frau mit angsterfüllten Augen vor sich. Sie setzte sich ihm gegenüber hin.

»Hallo, Ashley. Ich bin David Singer.«

»Mein Vater hat mir schon gesagt, daß Sie vorbeikommen«, erwiderte sie mit bebender Stimme.

»Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«

Sie nickte.

»Zuvor möchte ich Sie darauf hinweisen, daß alles, was Sie mir sagen, streng vertraulich behandelt wird. Das geht nur uns beide etwas an. Aber Sie müssen mir die Wahrheit sagen.« Er zögerte. So weit hatte er eigentlich gar nicht gehen wollen, aber andererseits wollte er Jesse Quiller möglichst viel Stoff liefern. Immerhin mußte er ihn erst noch dazu überreden, daß er den Fall übernahm. »Haben Sie diese Männer getötet?«

»Nein!« versetzte Ashley im Brustton der Überzeugung. »Ich bin unschuldig!«

David zog ein Blatt Papier aus der Tasche und warf einen Blick darauf. »Sind Sie mal mit einem gewissen Jim Cleary gegangen?«

»Ja. Wir - wir wollten heiraten. Wieso, um alles in der Welt, hätte ich Jim denn etwas zuleide tun sollen? Ich habe ihn geliebt.«

David musterte Ashley einen Moment lang und schaute dann wieder auf seine Notizen. »Was ist mit Dennis Tibble?«

»Dennis hat in der gleichen Firma gearbeitet wie ich. Ich war kurz vor seinem Tod bei ihm, aber ich habe nichts damit zu tun. Ich war in Chicago, als er ermordet wurde.«

David achtete auf ihre Mimik.

»Sie müssen mir glauben. Ich - ich hatte nicht den geringsten Grund, ihn umzubringen.«

»Na schön«, sagte David. Er warf einen zweiten Blick auf seine Unterlagen. »Welche Beziehung hatten Sie zu Jean Claude Parent?«

»Das hat mich die Polizei auch schon gefragt. Ich habe den Namen noch nie gehört. Wieso sollte ich jemanden umbringen, den ich nicht einmal kenne?« Sie schaute David mit flehendem Blick an. »Begreifen Sie denn nicht? Es handelt sich um ein Versehen. Ich habe mit diesen Morden nichts zu tun.« Sie fing an zu weinen. »Ich habe niemanden umgebracht.«

»Und Richard Melton?«

»Den kenne ich auch nicht.«

David wartete, bis Ashley sich wieder gefaßt hatte. »Was ist mit Deputy Blake?«

Ashley schüttelte den Kopf. »Deputy Blake blieb über Nacht bei mir, weil er auf mich aufpassen wollte. Jemand hatte mir nämlich nachgestellt und mich bedroht. Ich bin in mein Schlafzimmer gegangen, und er hat auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen. Am - am nächsten Morgen fand man seine Leiche in der Gasse hinter dem Haus.« Ihr Mund zuckte. »Wieso hätte ich ihn denn umbringen sollen? Er wollte mir doch helfen!«

David warf Ashley einen verdutzten Blick zu. Irgendwas stimmt hier nicht, dachte er. Entweder sagt sie die Wahrheit, oder sie ist eine verteufelt gute Schauspielerin. Er stand auf. »Bin gleich wieder da. Ich muß kurz mit dem Sheriff sprechen.«

Zwei Minuten später war er im Büro des Sheriffs.

»Na, haben Sie mit ihr gesprochen?« fragte Sheriff Dowling.

»Ja. Und ich glaube, daß Sie einer fixen Idee aufgesessen sind, Sheriff.«

»Was soll das heißen, Herr Rechtsanwalt?«

»Daß Sie möglicherweise zu voreilig waren, weil Sie unbedingt jemanden festnehmen wollten. Ashley Patterson hat zwei der Männer, deren Tod Sie ihr zur Last legen, überhaupt nicht gekannt.«

Der Sheriff rang sich ein knappes Lächeln ab. »Sie sind also auch auf sie reingefallen, was? Ist uns ganz genauso gegangen.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Ich zeig’ Ihnen mal was, Mister.« Er schlug einen Aktenordner auf, der auf seinem Schreibtisch lag, und reichte David einen Packen Papiere. »Das sind Kopien vom Autopsiebericht, dem Bericht des FBI über die DNS-Untersuchung und den Fingerabdruckvergleich, dazu ein Bericht von Interpol zur Auswertung der Spuren, die wir ihnen zugesandt haben. All diese Männer hatten kurz vor ihrem Tode Geschlechtsverkehr mit einer Frau. An allen fünf Opfern wurden Spuren von Vaginalsekret gefunden. Anfangs ging man davon aus, daß es sich um drei verschiedene Frauen handelt. Nun ja, und dann hat das FBI alle Spuren verglichen und ausgewertet. Und nun raten Sie mal, was dabei rausgekommen ist? Es handelt sich um ein und dieselbe Person - Ashley Patterson nämlich. Ihre Fingerabdrücke wurden an sämtlichen Tatorten gefunden, desgleichen Spuren von Körpersekreten, die allesamt ihr Erbgut aufweisen.«

David starrte ihn ungläubig an. »Sind - sind Sie sich da ganz sicher?«

»Ja. Es sei denn, Sie glauben, daß Interpol, das FBI und fünf verschiedene Polizeilabors Ihrer Mandantin etwas anhängen wollen. Es paßt alles, Mister. Einer der Männer, die sie umgebracht hat, war mein Schwager. Ashley Patterson wird wegen vorsätzlichen Mordes vor Gericht gestellt, und sie wird auch verurteilt werden. Sonst noch was?«

»Ja.« David atmete tief durch. »Ich möchte Ashley Patterson noch mal sprechen.«

Sie wurde wieder in den Besuchsraum gebracht. »Warum haben Sie mich angelogen?« herrschte David sie an, als sie hereinkam.

»Was? Ich habe Sie nicht angelogen. Ich bin unschuldig. Ich habe -«

»Das Beweismaterial, das gegen Sie vorliegt, ist erdrückend. Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich die Wahrheit wissen will.«

Ashley schaute ihn eine ganze Weile lang an. »Ich habe Ihnen die Wahrheit erzählt«, sagte sie dann leise. »Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«

Sie ist wirklich davon überzeugt, dachte David, als er nach San Francisco zurückfuhr. Ich habe mit ihr geredet. Wenn sie wirklich meint, daß sie die Wahrheit sagt, ist sie verrückt. Ich überlasse sie Jesse. Der kann dann immer noch Unzurechnungsfähigkeit geltend machen. Und damit ist die Sache erledigt.

Er mußte an Steven Patterson denken.

Am San Francisco Memorial Hospital sprachen die Kollegen Dr. Steven Patterson ihr Mitgefühl aus.

»Eine verdammte Schande ist das, Steven. So was hast du nicht verdient .«

»Das muß eine schreckliche Belastung für Sie sein. Wenn ich irgend etwas tun kann .«

»Ich weiß nicht, was heutzutage mit den jungen Leuten los ist. Ashley ist mir immer so normal vorgekommen .«

Und hinter jedem tröstenden Wort stand der Gedanke: Gott sei Dank, daß es nicht mein Kind ist.

Als David in die Kanzlei zurückkehrte, begab er sich unverzüglich zu Joseph Kincaid.

Kincaid blickte auf. »Nun, es ist bereits nach sechs, David, aber ich habe auf Sie gewartet. Haben Sie mit Dr. Pattersons Tochter gesprochen?«

»Ja, das habe ich.«

»Haben Sie schon einen Anwalt gefunden, der sie verteidigt?«

David zögerte. »Noch nicht, Joseph. Ich besorge ihr erst einen Psychiater. Morgen früh fahre ich wieder hin und rede noch mal mit ihr.«

Joseph Kincaid schaute David verwundert an. »Ach ja? Offen gestanden überrascht es mich, daß Sie sich da so engagieren. Wir dürfen natürlich nicht zulassen, daß diese Kanzlei mit einer derart scheußlichen Sache in Verbindung gebracht wird.«

»Ich engagiere mich eigentlich gar nicht, Joseph. Ich habe ihrem Vater nur sehr viel zu verdanken. Ich habe ihm ein Versprechen gegeben.«

»Aber doch nichts Schriftliches, oder?«

»Nein.«

»Dann handelt es sich also nur um eine moralische Verpflichtung?«

David musterte ihn einen Moment lang, wollte etwas sagen und hielt dann inne. »Ja. Es handelt sich nur um eine moralische Verpflichtung.«

»Nun denn, melden Sie sich wieder bei mir, wenn Sie mit Miss Patterson fertig sind. Dann reden wir miteinander.«