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Kein Wort über die Ernennung zum Gesellschafter.

Als David an diesem Abend nach Hause kam, lag die Wohnung im Dunkeln.

»Sandra?«

Keine Antwort. David wollte gerade das Flurlicht einschalten, als Sandra plötzlich aus der Küche kam. Sie hatte eine mit brennenden Kerzen geschmückte Torte in der Hand.

»Eine Überraschung! Es gibt was zu feiern -« Sie verstummte, als sie seine Miene sah. »Stimmt irgendwas nicht, Liebster? Hat man dich übergangen, David? Hat man jemanden anderen vorgezogen?«

»Nein, nein«, beruhigte er sie. »Alles in bester Ordnung.«

Sandra stellte die Torte ab und kam zu ihm. »Irgendwas stimmt doch nicht.«

»Es gibt nur eine ... kleine Verzögerung.«

»War heute nicht die Besprechung mit Joseph Kincaid angesetzt?«

»Ja. Setz dich, mein Schatz. Wir müssen miteinander reden.«

Sie nahmen auf der Couch Platz. »Etwas Unvorhergesehenes ist dazwischengekommen«, sagte David. »Steven Patterson hat mich heute morgen aufgesucht.«

»Aha? Weswegen?«

»Er möchte, daß ich seine Tochter verteidige.«

Sandra blickte ihn überrascht an. »Aber, David - du bist doch kein -«

»Ich weiß. Ich habe versucht, es ihm klarzumachen. Aber ich war Strafrechtler.«

»Du bist es aber nicht mehr. Hast du ihm nicht gesagt, daß du Gesellschafter in der Kanzlei werden sollst?«

»Nein. Er hat sich nicht davon abbringen lassen, daß ich der einzige wäre, der seine Tochter verteidigen könnte. Das ist natürlich Unsinn. Ich habe versucht, ihn an Jesse Quiller zu verweisen, aber er hat mir nicht mal zugehört.«

»Na ja, er muß sich aber jemand anderen suchen.«

»Natürlich. Ich habe ihm versprochen, daß ich mit seiner Tochter rede, und das habe ich getan.«

Sandra lehnte sich zurück. »Weiß Mr. Kincaid darüber Bescheid?«

»Ja. Ich habe es ihm gesagt. Er war nicht gerade begeistert.« Er ahmte Kincaids Tonfall nach. >»Wir dürfen natürlich nicht zulassen, daß diese Kanzlei mit einer derart scheußlichen Sache in Verbindung gebracht wird.<«

»Wie ist Dr. Pattersons Tochter?«

»Ein hoffnungsloser Fall, um es medizinisch auszudrücken.«

»Ich bin keine Medizinerin«, versetzte Sandra. »Was soll das heißen?«

»Es heißt, daß sie sich allen Ernstes für unschuldig hält.«

»Wäre das nicht möglich?«

»Der Sheriff von Cupertino hat mir Einsicht in die Akten gewährt. An sämtlichen Tatorten hat man massenweise Fingerabdrücke und serologische Spuren von ihr gefunden.«

»Was hast du jetzt vor?«

»Ich habe Royce Salem angerufen. Das ist der Psychiater, der für Jesse Quillers Kanzlei tätig ist. Er soll Ashley untersuchen und ihrem Vater Bericht erstatten. Dr. Patterson kann von mir aus einen weiteren Psychiater hinzuziehen oder den Bericht an den Anwalt weiterleiten, der den Fall übernimmt.«

»Aha.« Sandra musterte ihren Mann und sah, wie bedrückt er war. »Hat Mr. Kincaid etwas über die Ernennung zum Gesellschafter gesagt, David?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Das kommt schon noch«, versetzte Sandra munter. »Morgen ist auch noch ein Tag.«

Dr. Royce Salem war ein großer, schlanker Mann, der einen Bart wie Sigmund Freud trug.

Vielleicht ist es bloß ein Zufall, sagte sich David. Er versucht bestimmt nicht, wie Freud auszusehen.

»Jesse spricht oft von Ihnen«, sagte Dr. Salem. »Er mag Sie sehr.«

»Ich mag ihn auch, Dr. Salem.«

»Dieser Fall Patterson klingt ja interessant. Offensichtlich das Werk einer Psychopathin. Haben Sie vor, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren?«

»Eigentlich«, erklärte ihm David, »übernehme ich den Fall gar nicht. Bevor ich ihr einen Anwalt besorge, möchte ich nur feststellen lassen, in was für einer geistigen Verfassung sie sich befindet.«

David teilte Dr. Salem die Fakten mit, soweit sie ihm bekannt waren. »Sie behauptet, unschuldig zu sein, aber laut vorliegendem Beweismaterial hat sie die Taten eindeutig begangen.«

»Nun, dann wollen wir mal einen Blick auf die Psyche der jungen Dame werfen, nicht?«

Die hypnotherapeutische Sitzung fand in einem Vernehmungszimmer des Bezirksgefängnisses von Santa Clara statt. In dem Raum befanden sich ein rechteckiger Holztisch und vier Holzstühle.

Ashley, die blaß und verhärmt wirkte, wurde von einer Wärterin hereingeführt.

»Ich warte draußen«, sagte die Wärterin und zog sich zurück.

»Ashley«, sagte David, »das ist Dr. Salem. Ashley Patterson.«

»Hallo, Ashley«, sagte Dr. Salem.

Sie stand wortlos da und blickte nervös von einem zum anderen. David hatte das Gefühl, das sie am liebsten davongelaufen wäre.

»Mr. Singer sagt, daß Sie mit einer Hypnose einverstanden sind.«

Schweigen.

Dr. Salem versuchte es erneut. »Würden Sie sich von mir hypnotisieren lassen, Ashley?«

Ashley schloß einen Moment lang die Augen und nickte. »Ja.«

»Dann sollten wir anfangen.«

»Nun, dann lasse ich Sie jetzt allein«, sagte David. »Wenn -«

»Einen Moment.« Dr. Salem ging zu David. »Ich möchte, daß Sie dableiben.«

David war frustriert. Er bedauerte jetzt, daß er so weit gegangen war. Ich lasse mich nicht noch tiefer hineinziehen, beschloß er. Danach ist endgültig Schluß.

»Na schön«, sagte er widerwillig. Er wollte die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen und in die Kanzlei zurückkehren. Die bevorstehende Besprechung mit Kincaid ging ihm nicht aus dem Kopf.

»Setzen Sie sich bitte auf diesen Stuhl«, sagte Dr. Salem zu Ashley.

Ashley nahm Platz.

»Sind Sie schon einmal hypnotisiert worden, Ashley?«

Sie zögerte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein.« »Da ist nichts weiter dabei. Sie müssen sich lediglich entspannen und auf meine Stimme achten. Sie brauchen sich keinerlei Sorgen zu machen. Niemand wird Ihnen etwas zuleide tun. Sie spüren, wie Ihre Muskeln sich lösen. Gut so. Seien Sie ganz entspannt und spüren Sie, wie Ihre Lider schwer werden. Sie haben allerhand durchgemacht. Sie sind müde, sehr müde. Sie möchten nur noch schlafen. Schließen Sie einfach die Augen und entspannen Sie sich. Sie werden müde ... sehr müde ...«

Fünf Minuten später war sie unter Hypnose. Dr. Salem trat neben Ashley. »Ashley, wissen Sie, wo Sie sich befinden?«

»Ja. Ich bin im Gefängnis.« Ihre Stimme klang dumpf, als käme sie aus weiter Ferne.

»Wissen Sie, weshalb Sie im Gefängnis sind?«

»Weil man meint, daß ich etwas Schlimmes getan habe.«

»Und trifft das zu? Haben Sie etwas Schlimmes getan?«

»Nein.«

»Ashley, haben Sie je einen Menschen getötet?«

»Nein.«

David schaute Dr. Salem verwundert an. Unter Hypnose sollte man doch angeblich die Wahrheit sagen.

»Haben Sie eine Ahnung, wer diese Morde begangen haben könnte?«

Plötzlich verzerrte sich Ashleys Gesicht, und ihr Atem ging schneller, kurz und gepreßt. Staunend verfolgten die beiden Männer die Verwandlung. Die Lippen strafften sich, und ihre Mimik schien sich zu verändern. Sie setzte sich kerzengerade auf und wirkte mit einemmal viel lebhafter als zuvor. Sie schlug die Augen auf und sah sich mit funkelndem Blick um. Die Veränderung war unglaublich. Dann begann sie mit kehliger Stimme und unverkennbar britischem Akzent zu singen.

»Will ich auf mein Boden gehen, will mein Hölzlein holen, steht ein bucklicht Männlein da, hat mir’s halb gestohlen.«

David hörte verdutzt zu. Wen will sie denn damit täuschen? Sie gibt vor, jemand anders zu sein.