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»Das ist nicht wahr«, erwiderte David. »Es besteht kein -«

Der Richter unterbrach ihn. »Ich habe mir die Akte angesehen und die Erklärung gelesen, mit der sich die Staatsanwaltschaft gegen eine Haftverschonung ausspricht. Eine Freilassung auf Kaution wird abgelehnt. Mit der Verhandlungsführung in diesem Fall wird Richterin Williams betraut. Die Beschuldigte bleibt bis zum Prozeß im Bezirksgefängnis von Santa Clara in Haft.«

David seufzte. »Ja, Euer Ehren.« Er wandte sich an Ashley. »Keine Sorge. Es wird schon alles gut. Denken Sie daran - Sie sind nicht schuldig.«

»Hast du die Schlagzeilen gesehen?« fragte Sandra, als David in die Kanzlei zurückkehrte. »Die Boulevardpresse bezeichnet Ashley als die >Blutjungfer<. Sämtliche Fernsehsender berichten über den Fall.«

»Wir haben doch gewußt, daß es hart hergehen würde«, sagte David. »Und das ist erst der Anfang. Machen wir uns an die Arbeit.«

In acht Wochen sollte der Prozeß beginnen.

David und Sandra stürzten sich mit Feuereifer auf ihre Aufgabe. Sie arbeiteten den ganzen Tag und manchmal bis tief in die Nacht, besorgten sich Protokolle von Prozessen, in denen ebenfalls gegen Angeklagte mit multipler Persönlichkeitsstörung verhandelt worden war. Es gab zig Fälle dieser Art. Die Beschuldigten hatten sich wegen Mordes, Vergewaltigung, wegen Raubes, Drogenhandels und Brandstiftung verantworten müssen. Einige waren verurteilt worden, andere hatte man freigesprochen.

»Wir werden für Ashley einen Freispruch erwirken«, versicherte David Sandra.

Sandra listete die in Frage kommenden Zeugen auf und rief sie an.

»Dr. Nakamoto, ich bin für David Singer tätig. Soweit ich weiß, haben Sie als sachverständiger Zeuge im Verfahren gegen Bohannan in Oregon ausgesagt. Mr. Singer vertritt Ashley Patterson ... Oh, haben Sie? Ja. Nun, wir möchten, daß Sie nach San Jose kommen und zu ihren Gunsten aussagen ...«

»Dr. Booth, ich rufe im Auftrag von David Singer an. Er verteidigt Ashley Patterson. Sie haben doch im Fall Dickerson ausgesagt. Wir hätten Sie gern als sachverständigen Zeugen ... Wir möchten, daß Sie nach San Jose kommen und für Miss Patterson aussagen. Wir benötigen Ihre Sachkenntnis ...«

»Dr. Jameson, Sandra Singer am Apparat. Wir brauchten Sie hier in .«

Und so ging es immerfort, von morgens bis Mitternacht. Schließlich hatte sie ein Dutzend Sachverständige aufgelistet. David warf einen Blick darauf. »Ziemlich eindrucksvoll. Mediziner, Psychiater, ein Dekan . die Leiter juristischer Fakultäten.« Er blickte zu Sandra auf und lächelte. »Ich glaube, wir stehen nicht schlecht da.«

Von Zeit zu Zeit kam Jesse Quiller in das Büro, in dem David arbeitete. »Wie kommst du voran?« fragte er. »Kann ich dir bei irgendwas helfen?«

»Alles bestens.«

Quiller blickte sich um. »Hast du alles, was du brauchst?« David lächelte. »Alles da, einschließlich meines besten Freundes.«

An einem Montag morgen erhielt David ein Paket von der Anklagevertretung, in dem diese ihre Aussagen und Argumente offenlegte. Als David die Unterlagen las, verließ ihn der Mut. Sandra betrachtete ihn besorgt. »Was ist los?«

»Schau dir das an. Die führen allerhand gewichtige medizinische Sachverständige ins Feld, die der Meinung sind, daß keine MPS vorliegt.«

»Und wie willst du die Sache angehen?« fragte Sandra.

»Wir werden zugeben, daß Ashley am Tatort war, als sich die Morde ereigneten, aber darauf verweisen, daß sie von einem Alter ego begangen wurden.« Kann ich die Geschworenen Fünf Tage vor Prozeßbeginn wurde David telefonisch davon benachrichtigt, daß Richterin Williams mit ihm sprechen wollte.

David ging in Jesse Quillers Büro. »Jesse, was kannst du mir über Richterin Williams sagen?«

Jesse Quiller lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Tessa Williams ... Warst du bei den Pfadfindern, David?«

»Ja .«

»Kannst du dich noch an das alte Pfadfindermotto erinnern -allzeit bereit?«

»Klar.«

»Wenn du vor Gericht mit Tessa Williams zu tun hast, mußt du allzeit bereit sein. Sie ist brillant. Mußte sich alles selbst erkämpfen. Ihre Angehörigen waren arme Pachtbauern drunten in Mississippi. Sie konnte durch ein Begabtenstipendium das College besuchen, und die Leute in ihrer Heimatstadt waren so stolz auf sie, daß sie Geld gesammelt haben, damit sie anschließend Jura studieren konnte. Es geht das Gerücht, daß sie einen hohen Posten in Washington abgelehnt hat, weil sie lieber bleiben wollte, wo sie ist. Sie hat einen sagenhaften Ruf.«

»Interessant«, sagte David.

»Der Prozeß findet doch im Bezirk Santa Clara statt?«

»Ja.«

»Dann wird wohl mein alter Freund Mickey Brennan die Anklage vertreten.«

»Erzähl mir etwas über ihn.«

»Der typische Ire, lebhaft, rauhe Schale, harter Kern. Bren-nan stammt aus einer Familie von Erfolgsmenschen: Sein Vater leitet ein großes Verlagshaus, die Mutter ist Ärztin, seine Schwester College-Professorin. Brennan war auf dem College Footballstar, und er hat das Jurastudium als Bester seines Semesters abgeschlossen.« Er beugte sich vor. »Er ist tüchtig, David. Sei vorsichtig. Er lullt die Zeugen gern ein und packt sie dann von einer Seite, von der sie es nicht erwarten. Weshalb möchte Richterin Williams dich sprechen?«

»Keine Ahnung. Es hieß nur, daß sie den Fall Patterson mit mir bereden möchte.«

Jesse Quiller runzelte die Stirn. »Das ist ungewöhnlich. Wann triffst du dich mit ihr?«

»Mittwoch vormittag.«

»Paß bloß auf.«

»Danke, Jesse. Mach’ ich.«

Das Gericht des Bezirks Santa Clara ist in einem dreistöckigen weißen Gebäude an der North First Street untergebracht. Im Eingangsbereich befinden sich der Empfangsschalter, an dem ein Wachmann in Uniform sitzt, ein Metalldetektor, gesäumt von einem Absperrgitter, und der Fahrstuhl. Das Gebäude verfügt über insgesamt sieben Gerichtssäle, für die jeweils ein Richter samt Personal zuständig ist.

Mittwoch vormittag um zehn wurde David Singer in das Amtszimmer von Richterin Tessa Williams geleitet. Mickey Brennan war bereits anwesend. Der oberste Ankläger der Bezirksstaatsanwaltschaft war Mitte Fünfzig, stämmig und gedrungen und sprach mit einem leichten irischen Zungenschlag. Tessa Williams war Ende Vierzig, eine schlanke, attraktive Afroamerikanerin, die ebenso energisch wie selbstbewußt wirkte.

»Guten Morgen, Mr. Singer. Ich bin Richterin Williams. Das ist Mr. Brennan.«

Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.

»Nehmen Sie Platz, Mr. Singer. Ich möchte mit Ihnen über den Fall Patterson sprechen. Laut meinen Unterlagen haben Sie auf unschuldig aufgrund von Unzurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt der Taten plädiert.«

»Ja, Euer Ehren.«

»Ich habe Sie beide hergebeten«, sagte Richterin Williams, »weil ich glaube, daß wir uns dadurch viel Zeit und dem Staat erhebliche Steuergelder sparen können. Für gewöhnlich bin ich gegen vorherige Absprachen bezüglich Schuldbekenntnis und Strafmilderung, aber in diesem Fall halte ich das für gerechtfertigt.«

David hörte verdutzt zu.

Die Richterin wandte sich an Brennan. »Ich habe das Protokoll des Prüfungsverfahrens gelesen, und meiner Ansicht nach besteht in diesem Fall kein Anlaß zu einer Hauptverhandlung. Mir wäre es lieber, wenn die Staatsanwaltschaft nicht mit der Todesstrafe droht, sondern sich mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne eine Chance auf vorzeitige Freilassung zufriedengibt, falls sich die Angeklagte schuldig bekennt.«

»Moment mal«, versetzte David. »Das kommt nicht in Frage.«

Beide schauten ihn an.

»Mr. Singer -«