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Sie blickte David an. »Weißt du, warum ich so auf das Lied stehe, mein Guter?«

»Nein.«

»Weil meine Mutter es nicht ausstehen konnte. Mich konnte sie auch nicht ausstehen.«

»Warum konnte sie Sie nicht ausstehen?«

»Tja, jetzt können wir sie nicht mehr danach fragen, was?« Toni lachte. »Jetzt isse weg. Ich konnte ihr halt nichts recht machen. Wie war denn deine Mutter, David?«

»Meine Mutter war ein wunderbarer Mensch.«

»Dann hast du aber Glück gehabt, was? Das ist doch die reinste Lotterie. Der liebe Gott läßt einfach die Lostrommel laufen, nicht wahr?«

»Glauben Sie an Gott? Sind Sie religiös, Toni?«

»Weiß ich nicht. Vielleicht gibt’s ja ‘nen Gott. Wenn ja, hat er jedenfalls einen seltsamen Sinn für Humor, stimmt’s? Alette ist ziemlich gläubig. Die geht regelmäßig zur Kirche.«

»Und Sie?«

Toni lachte kurz auf. »Tja, wenn sie geht, bin ich auch dabei.«

»Toni, glauben Sie, daß es richtig ist, einen anderen Menschen zu töten?«

»Nein, selbstverständlich nicht.«

»Dann -« »Es sei denn, man ist dazu gezwungen.«

David und Dr. Salem warfen sich einen kurzen Blick zu.

»Wie meinen Sie das?«

Sie schlug einen anderen Tonfall an, klang mit einemmal abweisend. »Tja, weißt du, manchmal muß man sich zur Wehr setzen. Wenn einem jemand weh tun will.« Sie wurde zusehends aufgeregter. »Wenn einem irgendein Idiot mit dreckigen Sachen kommen will.« Sie geriet außer sich.

»Toni -«

Sie fing an zu weinen. »Wieso können die mich nicht in Ruhe lassen? Wieso mußten sie -?« Sie schrie jetzt.

»Toni -«

Schweigen.

»Toni .«

Keine Reaktion.

»Sie ist weg«, sagte Dr. Salem. »Ich wecke Ashley jetzt lieber auf.«

David seufzte. »Von mir aus.«

Ein paar Minuten später schlug Ashley die Augen auf.

»Wie ist Ihnen zumute?« fragte David.

»Ich bin müde. Habe ich - hat es geklappt?«

»Ja. Wir haben mit Alette und Toni gesprochen. Sie -«

»Ich will es nicht wissen.«

»Na schön. Sie sollten sich jetzt lieber ausruhen, Ashley. Ich komme Sie heute nachmittag noch mal besuchen.«

Sie blickten ihr hinterher, als sie von einer Gefängniswärterin weggeführt wurde.

»Sie müssen sie in den Zeugenstand rufen, David«, sagte Dr. Salem. »Das wird sämtliche Geschworenen davon überzeugen, daß -«

»Ich habe es mir hin und her überlegt«, erwiderte David. »Ich glaube, ich bringe das nicht fertig.«

Dr. Salem schaute ihn einen Moment lang an. »Warum nicht?«

»Weil Brennan, der Staatsanwalt, keine Gnade kennt. Der nimmt sie auseinander. Das Risiko kann ich nicht eingehen.«

Zwei Tage vor Beginn des Verfahrens aßen Sandra und David mit den Quillers zu Abend.

»Wir sind im Wyndham Hotel abgestiegen«, sagte David. »Der Geschäftsführer hat mir einen Riesengefallen getan. Sandra kommt ebenfalls dort unter. Die Stadt ist völlig überlaufen.«

»Wenn es jetzt schon so zugeht«, sagte Emily, »dann stell dir mal vor, was los sein wird, wenn der Prozeß beginnt.«

Quiller warf David einen kurzen Blick zu. »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«

David schüttelte den Kopf. »Ich muß nur eine Entscheidung treffen. Soll ich Ashley in den Zeugenstand rufen oder nicht?«

»Schwer zu sagen«, erwiderte Jesse Quiller. »Kommt ganz darauf an, aber dumm stehst du in jedem Fall da. Brennan wird Ashley Patterson vermutlich als kaltschnäuzige, blutrünstige Bestie hinstellen. Und mit diesem Eindruck werden sich die Geschworenen zur Beratung zurückziehen, wenn du sie nicht aufrufst und ihnen das Gegenteil beweist. Andererseits besteht, wie ich deinen Worten entnehme, die Gefahr, daß Brennan sie im Zeugenstand fertigmacht.«

»Brennan bietet sämtliche medizinischen Sachverständigen auf, die wie er der Meinung sind, daß es keine multiple Persönlichkeitsstörung gibt.«

»Dann mußt du die Geschworenen eben vom Gegenteil überzeugen.«

»Genau das habe ich auch vor«, sagte David. »Weißt du, was mir zu schaffen macht, Jesse? Die Witze, die neuerdings kursieren. Neulich hat sich wer darüber ausgelassen, daß es mir lieber wäre, wenn die Verhandlung woanders stattfinden würde, was aber nicht möglich sei, weil sie praktisch überall jemanden umgebracht habe. Kannst du dich noch an Johnny Carson erinnern? Der konnte sich über etwas lustig machen und dabei den Anstand wahren. Heutzutage zielen die Talkmaster nur noch unter die Gürtellinie. Wie die sich auf Kosten anderer lustig machen, das ist einfach hundsgemein.«

»David?«

»Ja?«

»Es wird noch schlimmer werden«, sagte Jesse Quiller leise.

David Singer fand in der Nacht vor dem ersten Gerichtstermin keinen Schlaf. Tausend düstere Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf. Als er schließlich doch einschlief, vernahm er eine Stimme. Du hast deine letzte Mandantin sterben lassen. Was ist, wenn diese ebenfalls stirbt?

Schweißgebadet setzte sich David auf.

Sandra öffnete die Augen. »Ist alles in Ordnung?«

»Ja. Nein. Was, zum Teufel, mache ich hier eigentlich? Ich hätte doch nur nein zu Dr. Patterson sagen müssen.«

Sandra drückte seinen Arm und sagte leise: »Und wieso hast du es nicht getan?«

»Du hast recht«, brummte er. »Ich konnte es nicht.«

»Na also. Und jetzt sieh zu, daß du ein bißchen schläfst, damit du morgen früh frisch und munter bist.«

»Großartige Idee.«

Er lag die ganze Nacht wach.

Richterin Williams hatte recht gehabt, was das Aufsehen anging. Die Reporter waren unerbittlich. Journalisten aus aller Welt fielen in San Jose ein, begierig, von dem Prozeß gegen die schöne Frau zu berichten, die mehrere Morde begangen und ihre Opfer verstümmelt hatte.

Mickey Brennan war zunächst verbittert gewesen, weil er in dem bevorstehenden Verfahren die Morde an Jim Cleary und Jean Claude Parent nicht zur Sprache bringen durfte, doch die Medien hatten ihm die Sache abgenommen. Ob in FernsehTalk-Shows, in Illustrierten oder Tageszeitungen, überall wurden die fünf Morde in allen grausigen Einzelheiten geschildert, einschließlich der Tatsache, daß sämtliche Opfer entmannt worden waren. Mickey Brennan war zufrieden.

Die Presse war bereits in voller Stärke angerückt, als David im Gerichtssaal eintraf. Sofort war er von Reportern umlagert.

»Mr. Singer, sind Sie noch bei Kincaid, Turner, Rose & Ripley beschäftigt ...?«

»Schauen Sie mal hierher, Mr. Singer ...«

»Stimmt es, daß man Sie wegen dieses Falls entlassen hat?« »Können Sie uns etwas über Helen Woodman sagen? Sie haben sie doch bei dem Mordprozeß seinerzeit vertreten?«

»Hat Ashley Patterson gesagt, warum sie es getan hat ...?« »Haben Sie vor, Ihre Mandantin in den Zeugenstand zu rufen ...?«

»Kein Kommentar«, versetzte David kurz und knapp.

Auch Mickey Brennan wurde sofort von Pressevertretern umringt, als er vor dem Gerichtsgebäude vorfuhr.

»Mr. Brennan, wie wird der Prozeß Ihrer Meinung nach ausgehen ...?«

»Haben Sie schon einmal ein Verfahren erlebt, in dem die Verteidigung behauptet, nicht die Angeklagte, sondern deren Alter ego sei verantwortlich ...?«

Brennan lächelte leutselig. »Nein. Aber ich kann es kaum erwarten, mir sämtliche Angeklagten vorzunehmen.« Er erntete allgemeines Gelächter, genau wie er gehofft hatte. »Vielleicht sind ja so viele da, daß es für eine Baseballmannschaft reicht.« Wieder Gelächter. »Ich muß jetzt reingehen. Ich möchte keine der Angeklagten warten lassen.«

Die Auswahl der Geschworenen begann damit, daß Richterin Williams den Kandidaten allgemeine Fragen stellte. Anschließend war die Verteidigung an der Reihe und danach die Staatsanwaltschaft.