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Für den Laien mag sich die Auswahl der Geschworenen leicht darstellen: Man nehme den Geschworenen, der einem wohlgesonnen scheint, und lehne die anderen ab. Tatsächlich aber handelt es sich bei der Auswahl um ein sorgfältig vorbereitetes Ritual. Geschickte Anwälte stellen keine direkten Fragen, die sich mit einem simplen »Ja« oder »Nein« beantworten lassen. Sie erkundigen sich nach diesem und jenem, ermunterten die Kandidaten dazu, zu plaudern und etwas über sich und ihre wahre Einstellung preiszugeben.

Mickey Brennan und David Singer verfolgten unterschiedliche Ziele. Brennan ging es in diesem Fall darum, daß die männlichen Geschworenen in der Überzahl waren, denn Männer würde die Vorstellung, daß eine Frau ihre Opfer erstochen und entmannt hatte, erschrecken und anwidern. Mit seinen Fragen wollte er feststellen, welche Kandidaten eine eher konservative Haltung vertraten und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht an Geister und Unholde glaubten, sich also nicht von einer Frau hinters Licht führen ließen, die behauptete, von anderen Persönlichkeiten besessen zu sein.

David bezweckte das genaue Gegenteil.

»Mr. Harris, nicht wahr? Ich bin David Singer. Ich vertrete die Angeklagte. Haben Sie schon einmal als Geschworener gedient, Mr. Harris?«

»Nein.«

»Zunächst herzlichen Dank, daß Sie bereit sind, den Aufwand und die Mühe auf sich zu nehmen.«

»So ein großer Mordprozeß könnte doch ganz interessant werden.«

»Ja. Ich glaube, das wird er auch.«

»Genaugenommen habe ich mich darauf gefreut.«

»Tatsächlich?«

»Ja.«

»Wo arbeiten Sie, Mr. Harris?«

»Bei der United Steel.«

»Ich kann mir vorstellen, daß Sie und Ihre Kollegen sich über den Fall Patterson unterhalten haben.«

»Ja. Ganz recht, das haben wir.«

»Durchaus verständlich«, sagte David. »Anscheinend unterhält sich alle Welt darüber. Wie war die allgemeine Einstellung? Sind Ihre Kollegen der Meinung, daß Ashley Patterson schuldig ist?«

»Ja. Das muß man so sagen.«

»Und Sie, sind Sie ebenfalls dieser Meinung?«

»Na ja, es sieht ganz danach aus.«

»Aber Sie sind bereit, die Beweisaufnahme zu verfolgen, ehe Sie sich ein Urteil bilden.«

»Ja. Ich will mir alles anhören.«

»Was lesen Sie am liebsten, Mr. Harris?«

»Ich lese gar nicht viel. Ich gehe lieber campen, jagen und angeln.«

»Ein Naturfreund. Wenn Sie nachts draußen campen und zu den Sternen aufblicken, fragen Sie sich da manchmal, ob es da oben noch andere Zivilisationen gibt?«

»Meinen Sie damit dieses verrückte UFO-Zeug? An den Unsinn glaube ich nicht.«

David wandte sich an Richterin Williams. »Für geeignet befunden, Euer Ehren.«

Ein weiterer Kandidat wurde befragt.

»Was machen Sie in Ihrer Freizeit, Mr. Allen?«

»Na ja, am liebsten lese ich oder sehe fern.«

»Das mache ich auch am liebsten. Was sehen Sie sich an?«

»Donnerstagabend gibt’s ein paar klasse Sendungen. Da kann man sich immer schwer entscheiden. Die verdammten Sender bringen die guten Sachen alle zur gleichen Zeit.« »Da haben Sie recht. Ein Jammer ist das. Haben Sie sich schon einmal Akte X angesehen?«

»Ja. Meine Kinder stehen darauf.«

»Was ist mit Sabrina - Total verhext!?«

»Ja. Das sehen wir uns auch an. Eine gute Serie.«

»Und was lesen Sie?«

»Anne Rice, Stephen King ...«

Ja.

Ein weiterer Kandidat war an der Reihe.

»Welche Sendungen bevorzugen Sie im Fernsehen, Mr. Mayer?«

»Magazine, Nachrichtenjournal, Dokumentationen .«

»Was lesen Sie am liebsten?«

»Hauptsächlich Sachbücher über historische oder politische Themen.«

»Vielen Dank.«

Nein.

Richterin Tessa Williams saß auf der Bank und hörte sich mit unbewegter Miene die Befragung an. Doch David spürte ihre Mißbilligung bei jedem Blick, den sie ihm zuwarf.

Am Ende, als schließlich der letzte Geschworene ausgewählt war, bestand das Gremium aus sieben Männern und fünf Frauen. Brennan warf David einen triumphierenden Blick zu. Das würde ein Schlachtfest werden.

16

An dem Tag, an dem der eigentliche Prozeß begann, begab sich David frühmorgens zu Ashley ins Gefängnis. Sie war das reinste Nervenbündel. »Ich stehe das nicht durch. Ich kann nicht. Sagen Sie denen, daß Sie mich in Ruhe lassen sollen.«

»Ashley - es wird alles wieder gut. Wir werden uns dem Verfahren stellen, und wir werden gewinnen.«

»Sie - Sie wissen ja nicht, wie das ist. Ich komme mir vor, als wäre ich in der Hölle.«

»Wir werden Sie da rausholen. Dies ist der erste Schritt.«

Sie zitterte am ganzen Leib. »Ich habe Angst, daß - daß man mir irgend etwas Schreckliches antut.«

»Das werde ich nicht zulassen«, sagte David entschieden. »Sie müssen an mich glauben. Denken Sie daran - Sie sind nicht verantwortlich für das, was geschehen ist. Sie haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Man erwartet uns.«

Sie holte tief Luft. »Na gut. Ich werde es überstehen. Ich werde es überstehen. Ich werde es überstehen.«

Dr. Patterson hatte im Zuschauerraum Platz genommen. Auf die Fragen, mit denen ihn die Reporter vor dem Gerichtssaal bombardiert hatten, hatte er nur erwidert: »Meine Tochter ist unschuldig.«

Etliche Reihen weiter weg saßen Jesse und Emily Quiller, die zur moralischen Unterstützung angereist waren.

Am Tisch der Anklagevertretung warteten Mickey Brennan und seine beiden Assistentinnen, Susan Freeman und Eleanor Tucker, auf die Eröffnung des Verfahrens.

David saß zwischen Sandra und Ashley am Verteidigungstisch. Die beiden Frauen hatten sich eine Woche zuvor kennengelernt.

»David - man braucht sich Ashley doch nur anzugucken, und schon wird einem klar, daß sie unschuldig ist.«

»Sandra, wenn man sich die Beweise ansieht und die Spuren, die sie hinterlassen hat, wird einem aber auch klar, daß sie die Männer umgebracht hat. Aber zwischen dem Tatbestand an sich und der Schuldfrage besteht ein großer Unterschied. Davon muß ich jetzt nur noch die Geschworenen überzeugen.«

Richterin Williams betrat den Gerichtssaal und begab sich zum Richterstuhl. »Alles aufstehen«, rief der Gerichtsdiener. »Das Gericht tritt zusammen. Den Vorsitz hat die ehrenwerte Richterin Tessa Williams.«

»Sie dürfen sich wieder hinsetzen«, sagte Richterin Williams. »Zur Verhandlung steht die Strafsache des Staates Kalifornien gegen Ashley Patterson. Fangen wir an.« Sie blickte zu Bren-nan. »Möchte der Anklagevertreter eine einleitende Erklärung abgeben?«

Mickey Brennan erhob sich. »Ja, Euer Ehren.« Er wandte sich an die Geschworenen und ging auf sie zu. »Guten Morgen. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, wird die Angeklagte, über die hier verhandelt wird, dreier blutiger Morde beschuldigt. Mörder verstehen sich zu tarnen.« Er nickte zu Ashley hin. »Ihre Tarnung besteht darin, daß sie eine unschuldige, wehrlose junge Frau spielt. Doch die Staatsanwaltschaft wird beweisen, daß die Angeklagte willentlich und wissentlich drei unschuldige Männer ermordet und verstümmelt hat.

Sie hat bei einer dieser Taten einen falschen Namen benutzt, wohl weil sie hoffte, daß man ihr dadurch nicht auf die Schliche kommen würde. Sie wußte genau, was sie tat. Wir haben es hier mit vorsätzlichem kaltblütigem Mord zu tun. Im Laufe dieses Verfahrens werde ich Ihnen nach und nach all die Beweise vorlegen, mit denen wir die Angeklagte, die hier vor uns sitzt, überführen werden. Ich danke Ihnen.«

Er kehrte zu seinem Platz zurück.