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Eine Frau mittleren Alters, die am Stock ging, begab sich in den Zeugenstand und wurde vereidigt.

»Wo sind Sie beschäftigt, Miss Niven?«

»Ich bin als Beraterin für den Bezirk San Jose tätig.«

»Und was ist Ihre Aufgabe?«

»Ich bin Schriftsachverständige.«

»Wie lange stehen Sie schon in Diensten des Bezirks, Miss Niven?«

»Zweiundzwanzig Jahre.«

Brennan deutete mit dem Kopf auf den Spiegel. »Haben Sie diesen Spiegel schon einmal gesehen?«

»Ja.«

»Und Sie haben ihn untersucht?«

»Jawohl.«

»Und hat man Ihnen auch eine Schriftprobe der Angeklagten vorgelegt?«

»Ja.«

»Und die haben Sie ebenfalls untersucht?«

»Ja.«

»Haben Sie beide Handschriften miteinander verglichen?«

»Jawohl.«

»Und zu welchem Schluß sind Sie dabei gekommen?«

»Sie wurden von ein und derselben Person geschrieben.«

Aus dem Zuschauerraum ertönte ein allgemeines Aufkeuchen.

»Sie wollen damit also sagen, daß Ashley Patterson diese Drohung selbst geschrieben hat?«

»Ganz recht.«

Mickey Brennan schaute zu David. »Ihre Zeugin.«

David zögerte einen Moment. Er warf Ashley einen Blick zu. Sie starrte kopfschüttelnd auf die Tischplatte. »Keine Fragen.«

Richterin Williams musterte David. »Keine Fragen, Mr. Singer?«

David erhob sich. »Nein. Diese Aussagen sind völlig bedeutungslos.« Er wandte sich an die Geschworenen. »Die Staatsanwaltschaft muß nachweisen, daß Ashley Patterson die Opfer kannte und ein Motiv hatte, sie -«

»Ich habe Sie vorgewarnt«, versetzte Richterin Williams aufgebracht. »Es ist nicht Ihre Aufgabe, die Geschworenen rechtlich zu belehren. Wenn -«

»Jemand muß es doch tun«, platzte David heraus. »Sie lassen ihm ja alles durchgehen -«

»Das reicht, Mr. Singer. Treten Sie vor.«

David begab sich zum Richterstuhl.

»Ich tadle Sie wegen Mißachtung des Gerichts und verurteile Sie zu einer Nacht in unserem hübschen Gefängnis hier, sobald die Verhandlung vorüber ist.«

»Moment, Euer Ehren. Sie können doch nicht -«

»Ich habe Sie zu einer Nacht verurteilt«, erwiderte sie grimmig. »Wollen Sie es auf zwei anlegen?«

David stand da und atmete tief durch, während er sie mit Blicken durchbohrte. »Meiner Mandantin zuliebe werde ich -werde ich meine Meinung für mich behalten.«

»Ein weiser Entschluß«, sagte Richterin Williams kurz angebunden. »Das Gericht vertagt sich.« Sie wandte sich an den Gerichtsdiener. »Ich möchte, daß Mr. Singer in Gewahrsam genommen wird, sobald der Prozeß zu Ende ist.«

»Ja, Euer Ehren.«

Ashley wandte sich an Sandra. »O mein Gott! Was geht da eigentlich vor?«

Sandra drückte ihren Arm. »Keine Sorge. Sie müssen David vertrauen.«

Sie telefonierte mit Jesse Quiller.

»Ich hab’s schon gehört«, sagte er. »Es kam in sämtlichen Nachrichten, Sandra. Ich kann’s David nicht verübeln, daß er die Beherrschung verloren hat. Sie hat ihn von Anfang an getriezt. Womit hat David sich nur ihren Unmut eingehandelt?«

»Ich weiß es nicht, Jesse. Es war furchtbar. Du hättest die Mienen der Geschworenen sehen sollen. Sie hassen Ashley. Sie können es kaum abwarten, sie zu verurteilen. Na ja, demnächst ist die Verteidigung am Zug. David wird sie schon umstimmen.«

»Du mußt nur daran glauben.«

»Richterin Williams kann mich nicht ausstehen, Sandra, und Ashley muß darunter leiden. Wenn ich nichts dagegen unternehme, wird Ashley sterben. Das darf ich nicht zulassen.«

»Was kannst du denn dagegen tun?« fragte Sandra.

Er holte tief Luft. »Den Fall abgeben.«

Beide wußten, was das bedeutete. Sämtliche Zeitungen würden über sein Versagen berichten.

»Ich hätte mich von Anfang an nicht auf den Prozeß einlassen dürfen«, sagte David bitter. »Dr. Patterson hat darauf vertraut, daß ich das Leben seiner Tochter rette, und ich -« Er konnte nicht weitersprechen.

Sandra legte den Arm um ihn und zog ihn an sich. »Es ist nicht deine Schuld, mein Schatz. Alles wird wieder gut.«

Ich habe alle hängenlassen, dachte David. Ashley, Sandra ... Ich werde aus der Kanzlei fliegen. Ich werde arbeitslos, und der Kleine ist bald fällig. »Alles wird wieder gut.«

Genau.

Am nächsten Morgen bat David Richterin Williams um eine Aussprache. Mickey Brennan befand sich ebenfalls im Dienstzimmer.

»Sie wollten mich sprechen, Mr. Singer?« sagte Richterin Williams.

»Ja, Euer Ehren. Ich möchte die Verteidigung niederlegen.«

»Aha?« versetzte Richterin Williams. »Mit welcher Begründung?«

David wählte seine Worte sorgfältig. »Ich glaube, ich bin nicht der richtige Anwalt für diesen Prozeß. Ich glaube, ich schade meiner Mandantin. Ich möchte, daß man jemand anderen mit der Verteidigung betraut.«

»Mr. Singer«, entgegnete Richterin Williams ruhig, »wenn Sie meinen, ich ließe Sie jetzt einfach ziehen, was zur Folge hätte, daß man den Prozeß von neuem aufwickeln und noch mehr Zeit und Geld verschwenden müßte, irren Sie sich gewaltig. Die Antwort lautet nein. Haben Sie mich verstanden?«

David schloß einen Moment lang die Augen und zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Dann blickte er auf. »Ja, Euer Ehren. Ich habe verstanden.«

Er saß in der Falle.

18

Über drei Monate waren seit Beginn des Prozesses verstrichen, und David konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er zum letztenmal eine Nacht durchgeschlafen hatte.

»David«, sagte Sandra, als sie eines Nachmittags vom Gericht ins Hotel gingen, »ich glaube, ich sollte allmählich nach San Francisco zurückkehren.«

David schaute sie überrascht an. »Warum? Wir stecken mitten in - o mein Gott.« Er nahm sie in die Arme. »Der Kleine. Kommt er schon?«

Sandra lächelte. »Es kann jeden Moment soweit sein. Mir wäre wohler zumute, wenn ich wieder dort wäre, in der Nähe von Dr. Bailey. Mutter hat gesagt, sie will vorbeikommen und bei mir bleiben.«

»Natürlich. Du mußt zurück«, sagte David. »Ich habe jedes Zeitgefühl verloren. In drei Wochen ist er fällig, nicht wahr?«

»Ja.«

Er verzog das Gesicht. »Und ich kann nicht einmal bei dir sein.«

Sandra nahm seine Hand. »Reg dich nicht auf, mein Schatz. Der Prozeß wird bald vorüber sein.«

»Dieser gottverdammte Prozeß ruiniert uns das ganze Leben.«

»David, wir werden schon zurechtkommen. Meine alte Stelle steht mir jederzeit offen. Wenn das Baby da ist, kann ich -«

»Es tut mir so leid, Sandra«, sagte David. »Ich wünschte -«

»David, entschuldige dich nicht für etwas, was du für richtig hältst.«

»Ich liebe dich.«

»Ich dich auch.«

Er streichelte ihren Bauch. »Ich liebe euch beide.« Er seufzte. »Na schön. Ich helfe dir beim Packen, und ich fahre dich heute abend nach San Francisco und -«

»Nein«, erwiderte Sandra entschieden. »Du kannst hier nicht weg. Ich bitte Emily, daß sie runterkommt und mich abholt.«

»Frag sie doch, ob sie heute abend mit uns essen gehen kann.«

»Gut.«

Emily war sofort Feuer und Flamme gewesen. »Selbstverständlich komm’ ich runter und hol dich ab.« Und zwei Stunden später war sie in San Jose gewesen.