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Sie aßen alle drei im Chai Jane zu Abend.

»Das ist ja ein schreckliches Durcheinander«, sagte Emily. »Ich finde das gar nicht gut, daß ihr zwei ausgerechnet jetzt nicht beisammensein könnt.«

»Der Prozeß dauert nicht mehr allzulange«, sagte David hoffnungsvoll. »Vielleicht ist er zu Ende, bevor der Kleine kommt.«

Emily lächelte. »Dann haben wir doppelten Grund zum Feiern.«

Dann mußten sie aufbrechen. David nahm Sandra in die Arme. »Ich rufe dich jeden Abend an«, sagte er.

»Mach dir bitte um mich keine Sorgen. Ich komme schon zurecht. Ich liebe dich sehr.« Sandra schaute ihn an. »Paß auf dich auf, David. Du siehst müde aus.«

Erst als Sandra weg war, wurde David klar, wie einsam und verlassen er sich vorkam.

Das Gericht trat wieder zusammen.

Mickey Brennan erhob sich und wandte sich an die Vorsitzende. »Ich würde gern Dr. Lawrence Larkin als nächsten Zeugen aufrufen.«

Ein vornehm wirkender Mann mit grauen Haaren wurde vereidigt und trat in den Zeugenstand.

»Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, Dr. Larkin, daß Sie hergekommen sind. Ich weiß, wie kostbar Ihre Zeit ist. Würden Sie uns kurz erklären, wer Sie sind und was Sie machen?«

»Ich habe eine gutgehende Praxis in Chicago. Außerdem war ich ehemals Präsident der Psychiatrischen Gesellschaft von Chicago.«

»Wie viele Jahre praktizieren Sie schon, Doktor?«

»Ungefähr dreißig Jahre.«

»Und als Psychiater, kann ich mir vorstellen, haben Sie schon viele Fälle von multipler Persönlichkeitsstörung erlebt?«

»Nein.«

Brennan runzelte die Stirn. »Soll dieses Nein bedeuten, daß Sie noch nicht allzu viele Fälle erlebt haben? Eine Handvoll vielleicht?«

»Mir ist noch kein Fall von multipler Persönlichkeitsstörung begegnet.«

Brennan tat bestürzt, als er die Geschworenen anschaute. Dann wandte er sich wieder an den Psychiater. »In den ganzen dreißig Jahren, in denen Sie mit geistig gestörten Patienten zu tun hatten, ist Ihnen noch kein einziger Fall von multipler Persönlichkeitsstörung begegnet?«

»Ganz recht.«

»Das erstaunt mich. Wie erklären Sie das?«

»Ganz einfach. Meiner Meinung nach gibt es die multiple Persönlichkeitsstörung nicht.«

»Na, jetzt bin ich verwirrt, Doktor. Liegen denn keine Fallstudien über multiple Persönlichkeitsstörungen vor?«

Dr. Larkin schnaubte verächtlich. »Fallstudien haben gar nichts zu bedeuten. Wissen Sie, es handelt sich hier um ein großes Mißverständnis. Was manche Psychiater für eine multiple Persönlichkeitsstörung halten, ist nichts anderes als eine Schizophrenie, eine manische Depression oder irgendeine andere Art von Angstneurose.« »Das ist ja hochinteressant. Dann sind Sie als psychiatrischer Sachverständiger also der Meinung, daß es eine multiple Persönlichkeitsstörung überhaupt nicht gibt?«

»Ganz recht.«

»Ich danke Ihnen, Doktor.« Mickey Brennan wandte sich an David. »Ihr Zeuge.«

David stand auf und begab sich zum Zeugenstand. »Sie sind also ehemaliger Präsident der Psychiatrischen Gesellschaft von Chicago, Dr. Larkin?«

»Ja.«

»Dann haben Sie doch bestimmt zahlreiche Kollegen kennengelernt.«

»Ja. Und ich bin stolz darauf, daß ich die Ehre hatte.«

»Kennen Sie Dr. Royce Salem?«

»Ja. Sehr gut sogar.«

»Ist er ein guter Psychiater?«

»Ein ausgezeichneter sogar. Einer der besten.«

»Haben Sie sich schon mal mit Dr. Clyde Donovan getroffen?«

»Ja. Mehrmals sogar.«

»Würden Sie sagen, daß auch er ein guter Psychiater ist?«

»Ich würde ihn nehmen« - ein kurzes Auflachen -, »wenn ich einen brauchte.«

»Und was ist mit Dr. Ingram? Kennen Sie den?«

»Ray Ingram? Aber gewiß doch. Ein erstklassiger Mann.«

»Ein fähiger Psychiater?«

»O ja.«

»Sagen Sie mal, gibt es, was Geisteskrankheiten anbetrifft, eigentlich eine einhellige Meinung unter Psychiatern?«

»Nein. Natürlich sind wir immer wieder unterschiedlicher Ansicht. Die Psychiatrie ist keine exakte Wissenschaft.«

»Das ist ja interessant, Doktor. Dr. Salem, Dr. Donovan und Dr. Ingram werden nämlich hier aussagen, daß sie Fälle von multipler Persönlichkeitsstörung behandelt haben. Aber vielleicht ist ja keiner von ihnen so kompetent wie Sie. Das ist alles. Sie können gehen.«

Richterin Williams wandte sich an Brennan. »Noch Fragen?«

Brennan stand auf und ging zum Zeugenstand.

»Dr. Larkin, glauben Sie, Sie befinden sich im Irrtum, weil Ihre Kollegen eine andere Meinung zu MPS vertreten als Sie selbst?«

»Nein. Ich könnte Ihnen zahlreiche Psychiater nennen, die nicht daran glauben, daß es eine multiple Persönlichkeitsstörung gibt.«

»Ich danke Ihnen, Doktor. Keine weiteren Fragen.«

»Dr. Upton«, sagte Mickey Brennan, »wir haben uns von einem Sachverständigen sagen lassen, daß eine vermeintliche multiple Persönlichkeitsstörung häufig mit anderen seelischen Erkrankungen verwechselt wird. Durch welche Untersuchungsmethoden läßt sich nachweisen, daß man es mit einer multiplen Persönlichkeitsstörung zu tun hat und nicht mit irgendeiner anderen Neurose?«

»Eine solche Methode gibt es nicht.«

Brennan sperrte überrascht den Mund auf, als er sich den Geschworenen zuwandte. »Es gibt keine Methode? Wollen Sie damit sagen, daß man nicht feststellen kann, ob jemand, der behauptet, an MPS zu leiden, lügt, simuliert oder es im Falle einer Straftat als Vorwand benutzt, damit er oder sie nicht zur Verantwortung gezogen werden kann?«

»Wie gesagt, es gibt keine Untersuchungsmethode.«

»Dann ist es also lediglich Ansichtssache? Manche Psychiater glauben daran, andere nicht?«

»Ganz recht.«

»Ich möchte Sie etwas fragen, Doktor. Wenn man jemanden hypnotisiert, dann läßt sich doch sicherlich feststellen, ob er wirklich an MPS leidet oder es nur vorschützt?«

Dr. Upton schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein. Selbst unter Hypnose oder mit Hilfe von Natriumamytal gibt es keine Möglichkeit festzustellen, ob einem jemand etwas vormacht.«

»Das ist ja hochinteressant. Ich danke Ihnen, Doktor. Keine weiteren Fragen.« Brennan wandte sich an David. »Ihr Zeuge.«

David erhob sich und ging zum Zeugenstand. »Dr. Upton, hatten Sie schon einmal mit Patienten zu tun, bei denen andere Psychiater eine MPS diagnostiziert hatten?«

»Ja. Mehrmals.«

»Und haben Sie diese Patienten behandelt?«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Ich kann niemanden wegen einer Krankheit behandeln, die es nicht gibt. In einem Fall handelte es sich um einen Patienten, der einer Unterschlagung bezichtigt wurde und dem ich bescheinigen sollte, daß er strafrechtlich nicht verantwortlich sei, weil die Tat von einem Alter ego begangen wurde. In einem anderen Fall ging es um eine Hausfrau, die man wegen Kindesmißhandlung festgenommen hatte. Sie behauptete, daß irgend jemand oder irgend etwas in sie gefahren wäre und sie dazu getrieben hätte. Es gab noch ein paar mehr Fälle dieser Art, mit den unterschiedlichsten Ausflüchten, aber immer versuchten die Betroffenen, irgend etwas zu entgehen. Mit anderen Worten, sie haben es vorgetäuscht.«

»Sie scheinen da ja eine sehr entschiedene Einstellung zu haben, Doktor.«

»Jawohl. Und ich weiß, daß ich recht habe.«

»Sie wissen, daß Sie recht haben?« sagte David.

»Nun ja, ich meine -«

»- daß alle anderen sich irren? Sämtliche Psychiater, die davon überzeugt sind, daß es MPS gibt, haben also keine Ahnung?«

»Das habe ich nicht gemeint -«

»Und Sie sind der einzige, der recht hat. Vielen Dank, Doktor. Das ist alles.«

Dr. Simon Raleigh trat in den Zeugenstand. Er war ein kleiner, kahlköpfiger Mittsechziger.