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Brennan begann: »Danke, daß Sie gekommen sind, Doktor. Sie können auf eine lange und erfolgreiche Laufbahn zurückblicken. Sie sind Psychiater, Sie sind Professor, Sie haben eine Ausbildung an -«

David stand auf. »Die Verteidigung bezweifelt nicht, daß der Zeuge eine ausgezeichnete berufliche Laufbahn vorweisen kann.«

»Besten Dank.« Brennan wandte sich wieder an den Zeugen. »Dr. Raleigh, was bedeutet der Begriff iatrogen?«

»Das heißt, daß ein vorhandenes Leiden durch medizinische Behandlung oder Psychotherapie verschlimmert wird.«

»Würden Sie das etwas näher erläutern, Doktor?«

»Nun ja, in der Psychotherapie kommt es häufig vor, daß der Therapeut den Patienten durch seine Fragestellung oder seine Haltung beeinflußt. Er könnte dem Patienten das Gefühl vermitteln, daß er den Erwartungen des Therapeuten entsprechen muß.«

»Inwieweit trifft das bei MPS zu?«

»Wenn der Psychiater den Patienten gezielt nach anderen Persönlichkeiten befragt, könnte es sein, daß der Patient etwas erfindet, um den Therapeuten zufriedenzustellen. Das ist ein äußerst heikles Gebiet. Amytal und Hypnose können unter Umständen dazu führen, daß bei Patienten, die ansonsten normal sind, vermeintliche MPS-Symptome auftreten.«

»Damit wollen Sie also sagen, daß der Psychiater den Zustand des Patienten unter Hypnose dahingehend beeinflussen kann, daß dieser sich etwas einbildet, was gar nicht vorhanden ist?«

»Das ist schon vorgekommen, ja.«

»Ich danke Ihnen, Doktor.« Er blickte zu David. »Ihr Zeuge.«

»Vielen Dank.« David erhob sich und ging zum Zeugenstand. »Ihre Referenzen sind sehr beeindruckend«, sagte er freundlich. »Sie sind nicht nur Psychiater, sondern unterrichten auch an der Universität.«

»Ja.«

»Wie lange lehren Sie schon, Doktor?«

»Seit über fünfzehn Jahren.«

»Wunderbar. Und wie regeln Sie das zeitlich? Ich meine damit, lehren Sie einen halben Tag lang und praktizieren die andere Hälfte als Psychiater?«

»Nein, ich lehre ausschließlich.«

»Oh? Wie lange ist es her, daß Sie praktiziert haben?«

»Etwa acht Jahre. Aber ich halte mich ständig anhand der neuesten Fachliteratur auf dem laufenden.«

»Ich muß schon sagen, ich finde das bewundernswert. Sie halten sich also anhand Ihrer Lektüre auf dem laufenden. Wissen Sie dadurch so gut über den Begriff iatrogen Bescheid?«

»Ja.«

»Aber früher hatten Sie mit vielen Patienten zu tun, die behaupteten, unter MPS zu leiden?«

»Nun, nein ...«

»Nicht so viele? Würden Sie sagen, daß Ihnen in der Zeit, in der Sie als Psychiater praktiziert haben, etwa ein Dutzend solcher Fälle untergekommen sind?«

»Nein.«

»Halb so viele?«

Dr. Raleigh schüttelte den Kopf.

»Vier?«

Keine Antwort.

»Doktor, hatten Sie jemals einen Patienten, der sich wegen MPS an Sie gewandt hat?«

»Nun ja, das ist schwer zu -«

»Ja oder nein, Doktor?«

»Nein.«

»Dann haben Sie sich also alles, was Sie über MPS wissen, angelesen? Keine weiteren Fragen.«

Die Staatsanwaltschaft rief weitere sechs Zeugen auf, deren Aussagen in die gleiche Richtung gingen. Mickey Brennan hatte neun renommierte Psychiater aus dem ganzen Land aufgeboten, die sich alle darin einig waren, daß es keine multiple Persönlichkeitsstörung gab.

Die Beweisaufnahme seitens der Staatsanwaltschaft neigte sich dem Ende zu.

Als der letzte Zeuge der Anklage entlassen war, wandte sich Richterin Williams an Brennan. »Wollen Sie noch weitere Zeugen aufrufen, Mr. Brennan?«

»Nein, Euer Ehren. Aber ich würde den Geschworenen gern die Polizeifotos von den Tatorten und den Opfern der -«

»Auf keinen Fall«, versetzte David wütend.

Richterin Williams wandte sich an ihn. »Was haben Sie gesagt, Mr. Singer?«

»Ich habe gesagt -« David nahm sich zusammen. »Einspruch. Die Staatsanwaltschaft versucht die Geschworenen unnötig aufzubringen, indem -«

»Einspruch abgelehnt. Der entsprechende Antrag wurde vor Beginn der Hauptverhandlung gestellt.« Richterin Williams wandte sich an Brennan. »Sie dürfen die Fotos vorlegen.«

Aufgebracht nahm David Platz.

Brennan kehrte zu seinem Tisch zurück, ergriff ein gutes Dutzend Fotos und reichte sie den Geschworenen. »Das ist kein angenehmer Anblick, meine Damen und Herren, aber genau darum geht es in diesem Prozeß. Nicht um Behauptungen, Theorien oder Ausflüchte. Auch nicht um rätselhafte Alter egos, die andere Leute umbringen. Es geht um drei Menschen, die grausam und brutal ermordet wurden. Unsere Gesetzgebung besagt, daß jemand für diese Morde büßen muß. Und nun liegt es an Ihnen allen, dafür zu sorgen, daß der Gerechtigkeit Genüge getan wird.«

Brennan sah die entsetzten Mienen der Geschworenen, als sie sich die Fotos anschauten.

Er wandte sich an Richterin Williams. »Von Seiten der Staatsanwaltschaft ist die Beweisaufnahme abgeschlossen.«

Richterin Williams blickte auf ihre Uhr. »Vier Uhr nachmittags. Das Gericht vertagt sich für heute und tritt am Montag morgen um zehn Uhr wieder zusammen. Die Sitzung ist geschlossen.«

19

Ashley Patterson stand unter dem Galgen und sollte gehängt werden, als ein Polizist angestürmt kam und rief: »Moment mal. Sie soll doch auf dem elektrischen Stuhl sterben.«

Dann ein Szenenwechsel. Diesmal saß sie auf dem elektrischen Stuhl, und ein Wachmann wollte gerade den Hebel betätigen, als Richterin Williams laut schreiend hinzukam. »Nein. Wir wollen Sie doch mit der Todesspritze ins Jenseits befördern.«

David erwachte und setzte sich im Bett auf. Er hatte Herzklopfen, und sein Schlafanzug war schweißgetränkt. Als er aufstehen wollte, wurde ihm mit einemmal schwindelig. Er hatte hämmernde Kopfschmerzen und kam sich vor, als ob er Fieber hätte. Er legte die Hand an die Stirn. Sie war heiß.

»O nein«, stöhnte er. »Nicht heute. Nicht jetzt.«

Es war der Tag, auf den er gewartet hatte, der Tag, an dem die Verteidigung ihre Argumente ins Feld führen wollte. David torkelte ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Er warf einen Blick in den Spiegel. »Du siehst völlig fertig aus.«

Richterin Williams hatte die Sitzung bereits eröffnet, als David im Gerichtssaal eintraf. Alle warteten nur auf ihn.

»Ich bitte die Verspätung zu entschuldigen«, sagte David mit heiserer Stimme. »Darf ich vortreten?«

»Ja.«

David begab sich zum Richterpodium. Mickey Brennan folgte ihm auf dem Fuß. »Euer Ehren«, sagte David, »ich möchte um einen eintägigen Aufschub bitten.«

»Mit welcher Begründung?«

»Ich - ich fühle mich nicht besonders wohl, Euer Ehren. Aber ich bin davon überzeugt, daß mir ein Arzt irgendwas verschreiben kann, damit ich morgen wieder gesund bin.«

»Wieso überlassen Sie das Feld nicht Ihrem Assistenten?«

David schaute sie überrascht an. »Ich habe keinen Assistenten.«

»Und warum nicht?«

»Weil ...«

Richterin Williams beugte sich vor. »So etwas habe ich in einem Mordprozeß noch nie erlebt. Sie wollen wohl sämtlichen Ruhm für sich allein einheimsen, was? Nun denn, vor diesem Gericht werden Sie keine Gelegenheit dazu bekommen. Und ich will Ihnen noch etwas sagen. Sie sind vermutlich der Meinung, daß ich mich für befangen erklären sollte, weil ich Ihre Verteidigungsstrategie für Humbug halte, aber den Gefallen werde ich Ihnen nicht tun. Wir werden die Geschworenen darüber entscheiden lassen, ob sie Ihre Mandantin für schuldig oder unschuldig halten. Sonst noch was, Mr. Singer?«

David stand da und schaute sie an, während sich der ganze Saal ringsum drehte. Er wollte ihr den Marsch blasen. Er wollte auf die Knie sinken und sie um Fairneß bitten. Er wollte nach Hause gehen und sich ins Bett legen. »Nein. Vielen Dank, Euer Ehren.«