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Meiner Meinung nach ist dieser Antrag durchaus begründet, Mr. Singer. Ich werde ihm stattgeben .

Lauter müßige Spekulationen, die nichts als einen bitteren Nachgeschmack hinterließen .

Am nächsten Morgen trat das Gericht wieder zusammen.

»Ist die Staatsanwaltschaft bereit, das Schlußplädoyer zu halten?« Brennan stand auf. »Ja, Euer Ehren.« Er ging zur Geschworenenbank und schaute die Geschworenen einen nach dem anderen an.

»Sie sind hier und heute in der Lage, Geschichte zu schreiben. Wenn Sie glauben, daß die Angeklagte tatsächlich mehrere verschiedene Persönlichkeiten verkörpert und nicht verantwortlich für ihre Taten ist, für die schrecklichen Straftaten, die sie begangen hat, dann drücken Sie damit aus, daß jeder einen Mord begehen und ungeschoren davonkommen kann, indem er einfach behauptet, daß er es nicht gewesen sei, daß irgendein geheimnisvolles Alter ego es getan hat. Man kann also rauben, schänden, morden, aber ist man deswegen schuldig? Nein. >Ich war’s nicht. Mein Alter ego war es.< Ken und Joe oder Suzy, oder wie immer sie auch heißen mögen. Nun, ich halte Sie für zu intelligent, als daß Sie auf derlei Phantastereien hereinfallen. Die Tatsachen sind auf den Fotos festgehalten, die Sie gesehen haben. Diese Menschen wurden nicht von irgendwelchen Alter egos ermordet. Sie wurden vorsätzlich, grausam und mit Bedacht ermordet, und zwar von der Angeklagten, die dort am Tisch sitzt. Von Ashley Patterson. Meine Damen und Herren Geschworenen, was die Verteidigung in diesem Verfahren versucht hat, ist keineswegs neu. In der Strafsache Mann gegen Teller befand das Gericht, daß eine eindeutig festgestellte MPS nicht per se zu einem Freispruch führen müsse. In der Strafsache Vereinigte Staaten gegen Whirley behauptete eine Krankenschwester, die einen Säugling ermordet hatte, sie leide an MPS. Das Gericht sprach sie schuldig.

Wissen Sie, ich habe beinahe Mitleid mit der Angeklagten. Immerhin muß die arme Frau mit all diesen Leuten leben. Sicherlich möchte keiner von uns, daß ein Haufen verrückter Fremder in ihm herumwuselt, nicht wahr? Fremde, die einfach hergehen und Männer ermorden und kastrieren. Ich jedenfalls hätte Angst.«

Er drehte sich um und blickte zu Ashley. »Die Angeklagte wirkt aber nicht ängstlich, oder? Jedenfalls nicht so ängstlich, daß sie nicht in der Lage wäre, ein hübsches Kleid anzuziehen, sich ordentlich zu frisieren und zu schminken. Sie wirkt ganz und gar nicht ängstlich. Sie glaubt nämlich, daß Sie ihr die Geschichte abnehmen und sie davonkommen lassen. Niemand kann beweisen, ob es diese sogenannte multiple Persönlichkeitsstörung gibt, daher müssen wir uns selbst ein Urteil darüber bilden.

Die Verteidigung behauptet, daß diese anderen Charaktere gelegentlich durchbrechen und das Kommando übernehmen. Wollen wir doch mal sehen - da wäre erstens Toni, geboren in England. Dann Alette, in Italien geboren. Sie sind ein und dieselbe Person. Sie sind nur in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen Zeitpunkten geboren. Irritiert Sie das? Mich ganz bestimmt. Ich habe der Angeklagten die Gelegenheit geboten, uns ihre anderen Persönlichkeiten vorzuführen, aber sie ist nicht darauf eingegangen. Warum wohl? Möglicherweise deshalb, weil es sie nicht gibt ...? Wird MPS in Kalifornien von Gesetz wegen als Geisteskrankheit anerkannt? Nein. In Colorado? Nein. In Mississippi? Nein. Vielmehr ist festzustellen, daß kein Staat MPS von Gesetzes wegen als Grund für verminderte Schuldfähigkeit oder gar Schuldunfähigkeit anerkennt. Und warum nicht? Weil es keine Rechtfertigung für eine Straftat darstellt. Meine Damen und Herren, es ist lediglich ein Vorwand, um sich der gerechten Strafe zu entziehen ...

Die Verteidigung will Ihnen einreden, daß in der Angeklagten noch zwei Leute stecken, so daß niemand die Verantwortung für die Straftaten trägt. Doch in diesem Gerichtssaal sitzt nur eine Angeklagte - Ashley Patterson. Wir haben eindeutig nachgewiesen, daß sie eine Mörderin ist. Sie aber behauptet, sie habe die Taten nicht begangen. Jemand anders sei das gewesen, jemand, der sich ihres Körpers bedient habe, um unschuldige Menschen zu töten - ihre Alter egos. Wäre es nicht wunderbar, wenn wir alle Alter egos hätten, die all das tun, was wir uns insgeheim wünschen, aber nicht tun dürfen, weil es die Gesellschaft nicht duldet? Vielleicht aber auch nicht. Möchten Sie in einer Welt leben, in der Menschen andere umbringen und hinterher sagen können: >Ihr könnt mir nichts anhaben, weil es mein Alter ego war< und >Ihr könnt mein Alter ego nicht bestrafen, weil es sich dabei in Wirklichkeit um mich handelt<?

Doch in diesem Verfahren geht es nicht um geheimnisvolle fremde Charaktere, die es nicht gibt. Ashley Patterson steht wegen dreier brutaler, kaltblütiger Morde vor Gericht, und die Staatsanwaltschaft beantragt die Todesstrafe. Ich danke Ihnen.«

Mickey Brennan kehrte an seinen Platz zurück.

»Ist die Verteidigung bereit für ihr Schlußplädoyer?«

David erhob sich. Er ging zur Geschworenenbank und schaute die Geschworenen an. Was er sah, war alles andere als ermutigend. »Ich weiß, daß dies für uns alle ein sehr schwieriger Fall ist. Sie haben die Aussagen von Sachverständigen gehört, die multiple Persönlichkeitsstörungen behandelt haben, und Sie haben andere Sachverständige gehört, die ausgesagt haben, daß es so etwas nicht gibt. Sie sind weder Ärzte noch Psychiater, daher erwartet niemand, daß Sie sich aufgrund medizinischer Fachkenntnisse ein Urteil bilden. Ich möchte mich bei Ihnen allen entschuldigen, falls Sie mein Benehmen gestern als rüpelhaft empfunden haben sollten. Ich habe Ashley Patterson nur deshalb angebrüllt, weil ich ihre anderen Persönlichkeiten herauslocken wollte. Ich habe mit diesen anderen Persönlichkeiten gesprochen. Ich weiß, daß es sie gibt. Es gibt tatsächlich eine Alette und eine Toni, und sie können Ashley jederzeit beherrschen. Sie weiß nichts von den Morden, die sie begangen haben soll.

Ich habe Ihnen zu Beginn dieses Verfahrens erklärt, daß handfeste Beweise und schuldhafte Absicht, also ein Motiv, vorliegen müssen, damit man jemanden wegen vorsätzlichen Mordes verurteilen kann. In diesem Fall aber liegt kein Motiv vor, meine Damen und Herren. Nicht das geringste. Außerdem muß die Staatsanwaltschaft laut unserer Rechtsordnung eindeutig und zweifelsfrei nachweisen, daß ein Angeklagter schuldig ist. Sie werden mir sicherlich beipflichten, daß es in diesem Fall durchaus berechtigte Zweifel gibt.

Nicht, was die Beweislast angeht - die stellt die Verteidigung auch gar nicht in Frage. An jedem der drei Tatorte befanden sich Ashley Pattersons Fingerabdrücke sowie Körperspuren mit ihrem Erbgut. Doch allein die Tatsache, daß sie sich dort befanden, sollte uns zu denken geben. Ashley Patterson ist eine intelligente junge Frau. Wenn sie einen Mord begangen hätte und sich nicht ertappen lassen wollte, wäre sie dann so dumm gewesen und hätte an sämtlichen Tatorten ihre Fingerabdrücke hinterlassen? Die Antwort lautet: Nein.«

David redete noch eine halbe Stunde weiter. Als er geendet hatte, musterte er die Geschworenen und war alles andere als beruhigt. Er nahm wieder Platz.

Richterin Williams wandte sich an die Geschworenen. »Ich möchte Sie jetzt auf die in diesem Fall in Frage kommenden Gesetze hinweisen. Hören Sie gut zu.« Sie redete zwanzig Minuten lang und führte genau aus, was von Gesetzes wegen zulässig und erlaubt war.

»Wenn Sie Fragen haben oder möchten, daß man Ihnen die eine oder andere Aussage noch mal vorliest, dann wenden Sie sich bitte an den Protokollführer. Die Geschworenen dürfen sich zur Beratung zurückziehen. Das Gericht vertagt sich, bis sie mit Ihrem Urteilsspruch zurückkehren.«

David sah zu, wie die Geschworenen in das Beratungszimmer gingen. Je länger die Geschworenen brauchen, desto größer sind unsere Chancen, dachte er.