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»Setz dich«, sagte die Kahle. »Möchtest du einen Kaffee?«

Ashley nahm Platz. »Vielen Dank.«

»Wir haben schon von dir gehört«, sagte der Sanftmütige. »Du hast allerhand durchgemacht.«

Ashley nickte.

»Ich glaube, wir haben alle eine Menge durchgemacht«, sagte der Knochige. »Aber man hat uns geholfen. Diese Klinik hier wirkt wahre Wunder.«

»Hier arbeiten die besten Ärzte, die es gibt«, sagte die Chinesin.

Sie wirken alle so normal, dachte Ashley.

Dr. Keller saß an der Stirnseite und moderierte die Unterhaltung. Nach einer Dreiviertelstunde stand er auf. »Ich glaube, das reicht vorerst, Ashley.«

Ashley erhob sich. »Es war nett, Sie alle kennenzulernen.«

Der Lahme trat zu ihr und flüsterte: »Trink hier kein Wasser. Es ist vergiftet. Die wollen uns umbringen und weiter das Geld vom Staat kassieren.«

Ashley schluckte. »Danke. Ich - ich werde daran denken.« »Woran leiden sie?« fragte Ashley, als sie mit Dr. Keller den Korridor entlangging.

»An Paranoia, Schizophrenie, MPS, Zwangsneurosen. Aber sie haben teilweise bemerkenswerte Fortschritte gemacht, seit sie hier sind, Ashley. Möchten Sie regelmäßig mit ihnen plaudern?«

»Nein.«

Dr. Keller kam in Otto Lewisons Büro.

»Ich komme nicht mehr weiter«, bekannte er. »Die Gruppentherapie hat nichts gebracht, und bei den Hypnosesitzungen kommt überhaupt nichts mehr heraus. Ich möchte etwas anderes versuchen.«

»Und zwar?«

»Wenn Sie es erlauben, würde ich Ashley gern zum Essen ausführen.«

»Das halte ich für keine gute Idee, Gilbert. Es könnte gefährlich werden. Sie hat bereits -«

»Ich weiß. Aber im Augenblick sieht sie in mir den Feind. Ich möchte, daß sie mich als Freund betrachtet.«

»Ihr Alter ego, diese Toni, wollte Sie schon einmal töten. Was ist, wenn sie es wieder versucht?«

»Damit kann ich umgehen.«

Dr. Lewison dachte darüber nach. »Na schön. Soll Sie jemand begleiten?«

»Nein. Ich komme allein zurecht, Otto.«

»Wann wollen Sie damit anfangen?«

»Heute abend.«

»Sie möchten mich zum Essen ausführen?«

»Ja. Ich glaube, es wird Ihnen guttun, wenn Sie mal eine Weile von hier wegkommen, Ashley. Was sagen Sie dazu?«

»Ja.«

Ashley war überrascht, wie aufgeregt sie beim bloßen Gedanken daran war, daß sie mit Dr. Keller zum Essen ausgehen sollte. Es macht bestimmt Spaß, mal einen Abend lang von hier wegzukommen, dachte sie. Doch sie wußte, daß es um mehr ging. Die Vorstellung, daß sie mit Gilbert Keller verabredet war, versetzte sie geradezu in Hochstimmung.

Sie aßen in einem acht Kilometer entfernten japanischen Restaurant namens Otani Gardens zu Abend. Dr. Keller wußte, daß er ein Risiko einging. Jeden Moment konnte Toni oder Alette die Oberhand gewinnen. Man hatte ihn gewarnt. Für mich ist es wichtiger, daß Ashley Vertrauen zu mir gewinnt, damit ich ihr helfen kann.

»Es ist schon komisch, Gilbert«, sagte Ashley, als sie sich in dem gut besuchten Restaurant umblickte.

»Was?«

»Die Menschen hier wirken überhaupt nicht anders als die Leute in der Klinik.«

»Im Grunde genommen sind sie auch nicht anders, Ashley. Ich bin davon überzeugt, daß auch sie alle ihre Probleme haben. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die Menschen in der Klinik nicht so gut damit zurechtkommen. Daher müssen wir ihnen dabei helfen.«

»Ich wußte nicht, daß ich irgendwelche Probleme hatte, bis -na ja, Sie wissen schon.«

»Wissen Sie auch, warum, Ashley? Weil Sie sie verdrängt haben. Ihnen ist irgend etwas Schreckliches widerfahren, das Sie nicht ertragen konnten, und daher haben Sie unterbewußt einen Schutzwall errichtet und sich vor dem Bösen abgeschottet. Bis zu einem gewissen Grad tun das viele Menschen.«

Er wechselte bewußt das Thema. »Wie ist der Fisch?«

»Köstlich, vielen Dank.«

Fortan gingen Ashley und Dr. Keller einmal pro Woche zum Essen aus. Mittags speisten sie zumeist in einem ausgezeichneten kleinen italienischen Restaurant namens Banducci’s und abends entweder in The Palm, bei Eveleene’s oder im Gumbo Pot. Weder Toni noch Alette traten in Erscheinung.

Eines Abends führte Dr. Keller Ashley in einen kleinen Nachtklub aus, in dem eine großartige Band zum Tanz aufspielte.

»Unterhalten Sie sich?« fragte er.

»Sehr sogar. Vielen Dank.« Sie blickte ihn an. »Sie sind ganz anders als andere Doktoren.«

»Können die etwa nicht tanzen?«

»Sie wissen genau, was ich meine.«

Er hielt sie eng umfaßt, und beide empfanden ein tiefes Bedürfnis füreinander.

Das könnte für Sie beide sehr gefährlich werden, Gilbert ...

25

»Ich weiß genau, was für krumme Touren du fährst, Doktor-chen. Du willst Ashley weismachen, daß du ihr Freund bist.«

»Aber das bin ich doch, Toni, und Ihrer auch.«

»Nein, bist du nicht. Sie findest du toll, aber ich bin für dich bloß Luft.«

»Da irren Sie sich. Ich achte Sie und Alette ebensosehr wie Ashley. Ihr seid für mich alle gleich wichtig.«

»Ist das wahr?«

»Ja. Toni, als ich Ihnen sagte, daß Sie eine wunderbare Stimme hätten, habe ich das ernst gemeint. Spielen Sie ein Instrument?«

»Klavier.«

»Ich könnte dafür sorgen, daß Sie das Klavier im Aufenthaltsraum benutzen dürfen. Hätten Sie Lust dazu, ein bißchen darauf zu spielen und zu singen?«

»Könnte schön sein.« Es klang so, als könnte sie es kaum erwarten.

Dr. Keller lächelte. »Dann kümmere ich mich darum. Es wird Ihnen zur Verfügung gestellt.«

»Danke.«

Dr. Keller sorgte dafür, daß Toni jeden Nachmittag eine Stunde lang ungestört im Aufenthaltsraum musizieren konnte. Zunächst nur hinter verschlossenen Türen, doch als die anderen Insassen das Klavierspiel und den Gesang hörten, öffneten sie die Tür, um zu lauschen. Und nach kurzer Zeit spielte sie vor vollem Haus.

Dr. Keller ging gemeinsam mit Dr. Lewison seine Aufzeichnungen durch.

»Was ist mit der anderen?« sagte Dr. Lewison. »Dieser Alette?«

»Ich habe ihr vorgeschlagen, daß sie jeden Nachmittag im Garten ein bißchen malen darf. Unter Aufsicht natürlich. Ich glaube, da könnte etwas dabei herauskommen.«

Doch Alette weigerte sich. »Warum rühren Sie die Farben, die ich Ihnen gegeben habe, nicht an?« fragte Dr. Keller Alette bei einer der Hypnosesitzungen. »Das ist doch ein Jammer. Sie sind so begabt.«

Woher willst du das denn wissen?

»Haben Sie etwa keine Lust dazu?«

»Doch.«

»Warum tun Sie’s dann nicht?«

»Weil ich es nicht kann.« Geh mir nicht auf den Geist.

»Wer hat denn das gesagt?«

»Meine - meine Mutter.«

»Über Ihre Mutter haben wir noch gar nicht geredet. Möchten Sie mir etwas darüber erzählen?«

»Da gibt’s nichts zu erzählen.«

»Sie ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, nicht wahr?«

Sie schwieg eine ganze Weile. »Ja. Sie ist bei einem Unfall ums Leben gekommen.«

Tags darauf fing Alette an zu malen. Sie hatte sichtlich Spaß daran, draußen im Garten an ihrer Staffelei zu sitzen. Wenn sie malte, war sie so in sich versunken, daß sie alles um sich herum vergaß. Manchmal gesellten sich einige andere Insassen zu ihr und sahen ihr zu. Sie nahm nur ihre Klangfarben wahr.

»Deine Bilder gehören in eine Galerie.« Schwarz.

»Du bist ja richtig gut.« Gelb.

»Wo hast du das gelernt?« Schwarz.

»Kannst du irgendwann mal ein Bild von mir malen?« Orange.