»So was tust du keiner mehr an.« Sie nahm sich seinen Unterleib vor.
Hinterher duschte sie in aller Ruhe, zog sich an und begab sich in ihr Hotel.
»Ashley ...« Ashleys Gesicht veränderte sich. »Wachen Sie auf.«
Ashley kam langsam zu sich. Sie schaute Dr. Keller an und sagte: »Schon wieder Toni?«
»Ja. Sie hat Jean Claude über das Internet kennengelernt. Als Sie in Quebec waren, Ashley, ist Ihnen da mitunter das Zeitgefühl abhanden gekommen? Könnte es sein, daß manchmal etliche Stunden oder gar Tage vergangen waren, ohne daß Sie wußten, was Sie in dieser Zeit getan haben?«
Sie nickte nachdenklich. »Ja. Das - das ist öfter passiert.«
»Genau da hat Toni sich durchgesetzt.«
»Und dann hat sie - dann hat sie auch -?«
»Ja.«
Die nächsten paar Monate verliefen mehr oder weniger ereignislos. Nachmittags hörte Dr. Keller zu, wenn Toni Klavier spielte und sang, oder er ging in den Garten und schaute Alette beim Malen über die Schulter. Über einen Mordfall mußten sie noch sprechen, aber er wollte, daß Ashley so gelöst wie möglich war, bevor er damit anfing.
Fünf Jahre waren jetzt vergangen, seit sie in die Klinik gekommen war. Sie ist beinahe geheilt, dachte Dr. Keller.
An einem Montag morgen ließ er Ashley zu sich kommen. Sie war blaß im Gesicht, als sie in sein Büro kam, so als wüßte sie, was ihr bevorstand.
»Guten Morgen, Ashley.«
»Guten Morgen, Gilbert.«
»Wie fühlen Sie sich?«
»Ich bin ein bißchen nervös. Das ist der letzte Fall, nicht?«
»Ja. Sprechen wir über Deputy Sam Blake. Weshalb ist er in Ihrer Wohnung gewesen?«
»Ich hatte ihn gebeten, zu mir zu kommen. Jemand hatte auf meinen Badezimmerspiegel geschrieben: DU WIRST STERBEN. Ich wußte nicht, was ich machen soll. Ich dachte, jemand will mich umbringen. Ich habe bei der Polizei angerufen, und Deputy Blake kam vorbei. Er war sehr verständnisvoll.«
»Haben Sie ihn gebeten, bei Ihnen zu bleiben?«
»Ja. Ich hatte Angst davor, allein zu sein. Er hat sich bereit erklärt, über Nacht dazubleiben. Und am nächsten Morgen wollte er dafür sorgen, daß ich rund um die Uhr bewacht werde. Ich wollte auf der Couch schlafen und habe ihm angeboten, in meinem Schlafzimmer zu übernachten. Aber er wollte sich lieber auf der Couch hinlegen. Ich weiß noch, daß er die Fenster überprüft und sich davon überzeugt hat, daß sie verschlossen waren, und daß er den Schlüssel in der Wohnungstür zweimal umgedreht hat. Seine Waffe lag auf dem Tisch neben der Couch. Dann habe ich gute Nacht gesagt, bin ins Schlafzimmer gegangen und habe die Tür geschlossen.«
»Und was ist dann geschehen?«
»Ich - ich weiß nur, daß ich aufgewacht bin, weil unten in der Gasse jemand geschrien hat. Dann kam der Sheriff und hat mir berichtet, daß man Deputy Blake tot aufgefunden hatte.« Sie stockte. Ihr Gesicht war bleich.
»Na schön. Ich werde Sie jetzt hypnotisieren. Entspannen Sie sich einfach. Schließen Sie die Augen und entspannen Sie sich ...« Es dauerte zehn Minuten. »Toni ...«, sagte Dr. Keller.
»Schon da. Du willst wissen, was tatsächlich passiert ist, was? Ashley war einfach blöde, als sie ihn aufgefordert hat, über Nacht bei ihr zu bleiben. Ich hätte ihr gleich sagen können, was der macht.«
Er hörte einen Schrei, der offenbar aus dem Schlafzimmer kam, fuhr von der Couch hoch und griff nach seiner Waffe. Raschen Schrittes ging er zur Schlafzimmertür und lauschte. Alles still. Er hatte es sich nur eingebildet. Als er sich umdrehte und weggehen wollte, hörte er es wieder. Er stieß die Tür auf und hob die Waffe. Ashley lag nackt auf dem Bett und schlief. Außer ihr war niemand im Zimmer. Sie stöhnte leise vor sich hin. Er trat neben das Bett. Sie sah hinreißend aus, wie sie dalag, eingerollt wie ein Fötus. Wieder stöhnte sie, gefangen in einem schrecklichen Alptraum. Er wollte sie nur trösten, sie in die Arme nehmen und festhalten. Er legte sich neben sie und zog sie sanft an sich, und dann spürte er die Hitze, die ihr Leib ausstrahlte, und wurde erregt.
Sie wachte auf, als sie seine Stimme hörte. »Ist ja schon gut. Sie sind in Sicherheit.« Und dann war sein Mund über ihr, und er schob ihre Beine auseinander und drang in sie ein.
Und sie schrie auf: »Nein, Vater!«
Doch er bewegte sich immer schneller, wie von einem Ur-trieb gepackt, und da überkam sie unbändiger Rachedurst. Sie ergriff das Messer, das in der Schublade ihres Nachtkästchens lag, und hieb auf ihn ein.
»Was haben Sie getan, nachdem Sie ihn getötet hatten?«
»Ich habe ihn in die Bettlaken gewickelt, zum Fahrstuhl gezerrt und durch die Tiefgarage zu der Gasse hinter dem Haus geschleift.«
». und dann«, erklärte Dr. Keller Ashley, »hat Toni die Leiche in die Bettlaken gewickelt, zum Fahrstuhl gezerrt und durch die Tiefgarage zu der Gasse hinter dem Haus geschleift.«
Ashley saß mit totenblasser Miene da. »Sie ist eine - ich bin eine Bestie.«
»Nein, Ashley«, versetzte Gilbert Keller. »Sie müssen immer bedenken, daß Toni eine Ausgeburt Ihrer Qualen ist, jemand, der Sie beschützt. Das gleiche gilt für Alette. Es wird Zeit, daß wir die Sache zu einem Abschluß bringen. Ich möchte Sie mit ihnen bekannt machen. Das ist der nächste Schritt auf dem Weg zu Ihrer Genesung.«
Ashley hatte die Augen zusammengekniffen. »Na schön. Wann wollen - wann wollen wir damit anfangen?«
»Morgen früh.«
Ashley war unter Hypnose. Dr. Keller fing mit Toni an.
»Toni, ich möchte, daß Sie und Alette mit Ashley sprechen.« »Glaubst du ehrlich, daß sie mit uns klarkommt?«
»Ich glaube schon.«
»Na schön, Doktorchen. Wenn du meinst.«
»Alette, sind Sie bereit, Ashley kennenzulernen?«
»Wenn Toni einverstanden ist.«
»Klar doch, Alette. Wird ja auch Zeit.«
Dr. Keller atmete tief durch. »Ashley«, sagte er dann, »ich möchte, daß Sie Toni begrüßen.«
Eine Zeitlang herrschte Schweigen. Dann kam ein zaghaftes »Hallo, Toni .«
»Hallo.«
»Ashley, sagen Sie hallo zu Alette.«
»Hallo, Alette ...«
»Hallo, Ashley ...«
Dr. Keller seufzte erleichtert auf. »Ich möchte, daß ihr euch miteinander bekannt macht. Ihr habt die gleichen Traumata erlitten. Dadurch seid ihr voneinander getrennt worden. Doch es gibt keinen Grund mehr für diese Trennung. Ihr werdet wieder eins werden, eine gesunde Person. Es ist ein weiter Weg, aber ihr habt bereits einen Teil hinter euch. Ich versichere euch, das Schwierigste ist vorüber.«
Von da an kamen sie mit der Behandlung rasch voran. Ashley und ihre beiden anderen Persönlichkeiten unterhielten sich jeden Tag miteinander.
»Ich mußte dich doch beschützen«, erklärte Toni. »Ich nehme an, ich habe diese Männer umgebracht, weil ich jedesmal Vater vor mir gesehen habe und was er dir angetan hat.«
»Ich wollte dich auch beschützen«, sagte Alette.
»Ich - ich weiß das zu schätzen. Ich bin euch beiden dankbar.«
Ashley wandte sich an Dr. Keller. »Eigentlich bin das nur ich, nicht wahr?« meinte sie trocken. »Ich führe Selbstgespräche.«
»Sie sprechen mit zwei anderen Wesen, die ein Teil Ihrer Persönlichkeit sind«, stellte er behutsam richtig. »Es wird Zeit, daß ihr drei zueinanderfindet und wieder eine Einheit werdet.«
Ashley blickte ihn an und lächelte. »Ich bin bereit.«
An diesem Nachmittag suchte Dr. Keller Otto Lewison auf.
»Die Berichte klingen ja sehr erfreulich, Gilbert«, sagte Dr. Lewison.