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»Diese verdammte Zeitung -«

»Eigentlich sollten wir froh sein, daß Toni den Artikel gelesen hat.«

Otto Lewison schaute ihn verdutzt an. »Froh?«

»Ja. Weil noch tief verwurzelte Haßgefühle in ihr stecken. Jetzt wissen wir darüber Bescheid und können dementsprechend daran arbeiten. Ich möchte etwas ausprobieren. Wenn es klappt, stehen wir gut da. Wenn nicht« - er stockte einen Moment, ehe er leise fortfuhr -, »dann muß Ashley wohl bis an ihr Lebensende in einer geschlossenen Anstalt verwahrt werden.«

»Was haben Sie vor?«

»Meiner Meinung nach sollte sie ihren Vater in nächster Zeit nicht zu Gesicht bekommen. Aber ich möchte, daß wir einen Ausschnittdienst engagieren, der uns sämtliche Artikel zukommen läßt, die über Dr. Patterson erscheinen.«

Otto Lewison schaute ihn blinzelnd an. »Was bezwecken Sie damit?«

»Ich möchte sie Toni vorlegen. Irgendwann muß sich ihr Haß doch selbst verzehren. Und auf die Art kann ich es überwachen und jederzeit eingreifen.«

»Das könnte eine ganze Weile dauern, Gilbert.«

»Mindestens ein Jahr, wenn nicht länger. Aber es ist die einzige Chance, die Ashley hat.«

Fünf Tage später kam Ashley wieder zu sich.

»Guten Morgen, Gilbert«, sagte sie, als Dr. Keller in die Gummizelle kam. »Tut mir leid, daß all das passiert ist.«

»Ich bin froh darum, Ashley. Wir wollten doch offen sein, was unsere Gefühle angeht.« Er nickte einem Pfleger zu, der ihr daraufhin die Fesseln abnahm.

Ashley stand auf und rieb sich die Handgelenke. »Angenehm war das nicht gerade«, sagte sie. Sie gingen hinaus auf den Korridor. »Toni ist ziemlich sauer.«

»Ja, aber sie wird darüber hinwegkommen. Ich habe nämlich folgendes vor .«

Jeden Monat erschienen drei, vier Artikel über Dr. Patterson. Einmal hieß es: »Allem Vernehmen nach steht eine große Hochzeitsfeier ins Haus, wenn Dr. Steven Patterson am kommenden Freitag Victoria Aniston heiratet. Zahlreiche Kollegen von Dr. Patterson werden sich einfinden, um an den Feierlichkeiten .«

Toni geriet außer sich, als Dr. Keller ihr den Artikel zeigte. »Der wird seine Ehe nicht lange genießen.«

»Wie kommen Sie darauf, Toni?«

»Weil er bald tot ist.«

»Wie bekannt wurde, hat Dr. Steven Patterson im St. Johns Hospital gekündigt. Er wird künftig Chefarzt für Herzchirurgie am Manhattan Methodist Hospital .«

»Damit er die kleinen Mädchen dort vergewaltigen kann«, schrie Toni.

»Dr. Steven Patterson wurde aufgrund seiner medizinischen Forschungen der Lasker-Preis zuerkannt. Die Verleihung findet anläßlich eines Empfangs im Weißen Haus statt .«

»Der Dreckskerl gehört aufgehängt!« schrie Toni.

Gilbert Keller sorgte dafür, daß Toni sämtliche Pressemitteilungen über ihren Vater zu lesen bekam. Und im Laufe der Zeit konnte sie immer besser damit umgehen. Tonis unbändiger Haß schien allmählich nachzulassen. Die grenzenlose Wut schlug mit der Zeit in bloßen Unmut um, und am Ende hatte sie sich resigniert damit abgefunden.

Es war nur eine kurze Mitteilung im Immobilienteil der Zeitung. »Dr. Steven Patterson und seine frisch angetraute Gemahlin haben sich in Manhattan häuslich niedergelassen, doch sie wollen sich ein Häuschen in den Hamptons zulegen, in dem sie im Sommer gemeinsam mit ihrer Tochter Katrina den Urlaub verbringen können.«

Toni schluchzte laut auf. »Wie kann er uns das bloß antun?« »Haben Sie das Gefühl, daß das kleine Mädchen Ihren Platz eingenommen hat, Toni?«

»Ich weiß es nicht. Ich - ich bin ein bißchen durcheinander.«

Ein weiteres Jahr verging. Ashley ging dreimal pro Woche zur Therapie. Alette saß fast jeden Nachmittag im Garten und malte, aber Toni wollte weder Klavier spielen noch singen.

Kurz vor Weihnachten legte Dr. Keller Toni einen weiteren Zeitungsausschnitt vor. Auf dem Foto waren ihr Vater, Victoria und Katrina abgebildet. Darunter stand: »Die Pattersons feiern das Weihnachtsfest in ihrem Häuschen in den Hamptons.«

»Wir haben Weihnachten immer zusammen gefeiert«, sagte Toni wehmütig. »Er hat mir immer wunderbare Sachen geschenkt.« Sie schaute Dr. Keller an. »Er war nicht nur schlecht. Bis auf - du weißt schon - war er ein guter Vater. Ich glaube, er hat mich wirklich geliebt.«

Es war ein erster Hoffnungsschimmer.

Eines Tages kam Dr. Keller am Aufenthaltsraum vorbei, als Toni gerade am Klavier saß und vor sich hin sang. Überrascht trat er ein und sah ihr zu. Sie ging völlig in der Musik auf.

Am nächsten Tag sprach Dr. Keller Toni darauf an.

»Ihr Vater ist nicht mehr der Jüngste. Was glauben Sie, wie Ihnen zumute wäre, wenn er stirbt?«

»Ich - ich möchte nicht, daß er stirbt. Ich weiß, daß ich allerlei Unsinn erzählt habe, aber das hab’ ich doch bloß gesagt, weil ich so wütend war.«

»Aber jetzt sind Sie nicht mehr wütend?«

Sie dachte kurz nach. »Ich bin nicht wütend, ich bin verletzt. Ich glaube, Sie haben recht. Ich hatte das Gefühl, daß die Kleine unseren Platz eingenommen hat.« Sie blickte auf und schaute Dr. Keller an. »Ich war durcheinander. Aber mein Vater hat ein Recht darauf, sein eigenes Leben zu führen, und Ashley ebenso.«

Dr. Keller lächelte. Damit wären wir wieder im Lot.

Die drei unterhielten sich jetzt immer offener miteinander.

»Ashley«, sagte Dr. Keller, »Sie haben Toni und Alette gebraucht, weil Sie den Schmerz nicht ertragen konnten. Was empfinden Sie nun für Ihren Vater?«

Sie schwieg einen Moment. »Ich kann nie vergessen, was er mir angetan hat«, sagte sie dann langsam, »aber ich kann ihm vergeben. Ich möchte die Vergangenheit hinter mir lassen und mich ganz der Zukunft zuwenden.«

»Dazu müssen wir Sie alle wieder zu einer Einheit zusammenfügen. Wie stehen Sie dazu, Alette?«

»Wenn ich Ashley bin«, sagte Alette, »kann ich dann trotzdem noch malen?«

»Natürlich können Sie das.«

»Nun denn - von mir aus.«

»Toni?«

»Kann ich hinterher noch singen und Klavier spielen?«

»Ja«, sagte er.

»Na dann - wieso nicht?«

»Ashley?«

»Ich bin dazu bereit, daß wir eine Einheit werden. Ich - ich möchte ihnen danken, daß sie mir geholfen haben, als ich sie brauchte.«

»War mir ein Vergnügen, Süße.« »Miniera, anche«, sagte Alette.

Es war soweit. Jetzt kam der letzte Schritt: die Integration.

»In Ordnung. Ich werde Sie jetzt hypnotisieren, Ashley. Ich möchte, daß Sie sich von Toni und Alette verabschieden.«

Ashley atmete tief durch. »Leb wohl Toni. Leb wohl, Alette.«

»Leb wohl, Ashley.«

»Paß auf dich auf, Ashley.«

Zehn Minuten später befand sich Ashley in tiefer Hypnose. »Ashley, Sie brauchen sich vor nichts mehr zu fürchten. Sie haben Ihr Leiden hinter sich. Sie brauchen niemanden mehr, der sie beschützt. Sie sind in der Lage, allein zurechtzukommen, ohne fremde Hilfe, und Sie brauchen sich nicht mehr gegen schlechte Erfahrungen abzuschotten. Was auch passiert, Sie können es verkraften. Pflichten Sie mir bei?«

»Ja. Ich bin bereit, mich der Zukunft zu stellen.«

»Gut. Toni?«

Keine Antwort.

»Toni?«

Keine Antwort.

»Alette?«

Schweigen.

»Alette?«

Schweigen.

»Sie sind weg, Ashley. Sie sind jetzt wieder eine Einheit. Damit sind Sie geheilt.«

Er sah, wie Ashley aufstrahlte.

»Wenn ich bis drei zähle, werden Sie aufwachen. Eins ... zwei . drei .«

Ashley schlug die Augen auf und lächelte ihn glückselig an. »Es - es ist soweit, nicht?«