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Er nickte. »Ja.«

Sie war begeistert. »Ich bin frei. Oh, ich danke Ihnen, Gilbert! Ich - ich habe das Gefühl, als ob ein schwarzer Schleier von mir genommen wäre.«

Dr. Keller ergriff ihre Hand. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue. In den nächsten Monaten werden wir noch ein paar Untersuchungen vornehmen, aber wenn sie so verlaufen, wie ich glaube, nun, dann werden wir Sie nach Hause schicken. Ich werde dafür sorgen, daß Sie ambulant weiterbehandelt werden, wo immer Sie sich niederlassen wollen.«

Ashley nickte. Sie war so aufgewühlt, daß sie kein einziges Wort hervorbrachte.

28

Im Laufe der nächsten Monate ließ Otto Lewison Ashley von drei Psychiatern untersuchen. Sie wandten sowohl Hypnothe-rapie als auch Natriumamytal an.

»Hallo, Ashley, ich bin Dr. Montfort. Ich muß Ihnen ein paar Fragen stellen. Wie fühlen Sie sich?«

»Ich fühle mich wunderbar, Doktor. Es ist, als hätte ich gerade eine lange Krankheit hinter mir.«

»Halten Sie sich für einen schlechten Menschen?«

»Nein. Ich weiß, daß einige schlimme Sachen passiert sind, aber ich glaube nicht, daß ich dafür verantwortlich bin.«

»Hassen Sie jemanden?«

»Nein.«

»Was ist mit Ihrem Vater? Hassen Sie den?«

»Ich habe ihn gehaßt. Aber jetzt nicht mehr. Ich glaube, er konnte sich nicht anders verhalten. Ich hoffe nur, daß es ihm jetzt gutgeht.«

»Möchten Sie ihn wiedersehen?«

»Ich glaube, das sollte ich lieber bleibenlassen. Er führt sein eigenes Leben. Und ich möchte ein neues Leben anfangen.«

»Ashley?«

»Ja.«

»Ich bin Dr. Vaughn. Ich möchte ein bißchen mit Ihnen plaudern.«

»Von mir aus.«

»Erinnern Sie sich an Toni und Alette?«

»Natürlich. Aber sie sind weg.«

»Wie stehen Sie zu ihnen?«

»Am Anfang war ich entsetzt, aber jetzt weiß ich, daß ich sie gebraucht habe. Ich bin ihnen dankbar.«

»Schlafen Sie nachts gut?«

»Ja, jetzt schon.«

»Erzählen Sie mir, was Sie träumen.«

»Früher hatte ich schreckliche Träume. Ständig hat mich irgend etwas verfolgt. Ich dachte, ich würde ermordet werden.«

»Haben Sie diese Träume immer noch?«

»Nein. Ich habe jetzt ganz friedliche Träume. Ich sehe leuchtende Farben und fröhliche Menschen. Letzte Nacht habe ich geträumt, ich wäre im Skiurlaub und würde eine Abfahrt hinunterrasen. Es war wunderbar. Die Kälte macht mir überhaupt nichts mehr aus.«

»Wie stehen Sie zu Ihrem Vater?«

»Ich möchte, daß er glücklich ist. Genauso glücklich wie ich.«

»Ashley.«

»Ja.«

»Ich bin Dr. Hoelterhoff.«

»Wie geht es Ihnen, Doktor?«

»Man hat mir nicht gesagt, was für eine Schönheit Sie sind. Halten Sie sich für schön?«

»Ich glaube, ich bin ganz attraktiv .«

»Ich habe gehört, daß Sie eine hinreißende Stimme haben. Glauben Sie das auch?«

»Ich habe keine geschulte Stimme, aber ja -«, sie lachte -, »ich glaube schon, daß ich die richtigen Töne treffen kann.«

»Und man hat mir gesagt, daß Sie malen. Sind Sie gut?«

»Ja. Ich glaube, für eine Hobbymalerin bin ich ganz gut.«

Er musterte sie nachdenklich. »Haben Sie irgendwelche Probleme, über die Sie sprechen möchten?«

»Mir fällt nichts ein. Ich werde hier sehr gut behandelt.«

»Wie ist Ihnen bei dem Gedanken zumute, daß Sie die Klinik verlassen und wieder hinaus in die Welt kommen?«

»Ich habe viel darüber nachgedacht. Es macht mir ein bißchen angst, aber gleichzeitig ist es aufregend.«

»Glauben Sie, Sie hätten draußen Angst?« »Nein. Ich möchte mir eine neue Existenz aufbauen. Ich kenne mich mit Computern aus. Bei der Firma, bei der ich gearbeitet habe, komme ich nicht mehr unter, aber ich bin davon überzeugt, daß ich bei einer anderen Firma Arbeit finde.«

Dr. Hoelterhoff nickte. »Besten Dank, Ashley. Es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen.«

Dr. Montfort, Dr. Vaughn, Dr. Hoelterhoff und Dr. Keller waren in Otto Lewisons Büro versammelt. Er studierte gerade ihre Berichte. Als er fertig war, blickte er zu Dr. Keller auf und lächelte.

»Meinen Glückwunsch«, sagte er. »Sämtliche Berichte sind positiv. Sie haben wunderbare Arbeit geleistet.«

»Sie ist eine wunderbare Frau. Etwas ganz Besonderes, Otto. Ich bin froh, daß sie wieder ein normales Leben führen kann.«

»Ist sie bereit, sich ambulant weiterbehandeln zu lassen, wenn sie von hier weg ist?«

»Unbedingt.«

Otto Lewison nickte. »Sehr gut. Dann werde ich die Entlassungspapiere in Auftrag geben.« Er wandte sich an die anderen Psychiater. »Ich danke Ihnen, meine Herren. Sie haben uns sehr geholfen.«

29

Zwei Tage später wurde Ashley in Dr. Lewisons Büro gerufen. Neben dem Leiter der Klinik war auch Dr. Keller anwesend. Ashley war jetzt frei und wollte nach Cupertino zurückkehren, wo inzwischen alles Notwendige in die Wege geleitet worden war, damit sie weiterhin regelmäßig zur Therapie und zu Untersuchungen gehen konnte.

»Nun, heute ist es soweit«, sagte Dr. Lewison. »Sind Sie aufgeregt?«

»Ich bin aufgeregt«, erwiderte Ashley, »ich habe Angst, ich -ich weiß es nicht. Ich komme mir vor wie ein Vogel, der gerade freigelassen wurde. Ich habe das Gefühl, ich kann fliegen.« Ihr Gesicht glühte.

»Ich freue mich, daß Sie uns verlassen, aber - Sie werden mir fehlen«, sagte Dr. Keller.

Ashley nahm seine Hand. »Sie werden mir ebenfalls fehlen. Ich weiß nicht, wie ich - wie ich Ihnen jemals danken soll.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Sie haben mir mein Leben wiedergeschenkt.«

Sie wandte sich an Dr. Lewison. »Sobald ich wieder in Kalifornien bin, besorge ich mir einen Job bei einer Computerfirma. Ich sage Ihnen Bescheid, wie es weitergeht und wie ich mit der ambulanten Therapie zurechtkomme. Ich möchte sichergehen, daß mir so etwas nicht noch mal passiert.«

»Ich glaube, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, beruhigte sie Dr. Lewison.

Als sie gegangen war, wandte sich Dr. Lewison an Gilbert Keller. »Das entschädigt einen doch für viele Fälle, bei denen uns kein Erfolg vergönnt war, nicht wahr, Gilbert?«

Es war ein sonniger Junitag. Sie ging die Madison Avenue in New York entlang und betrachtete ihre Umgebung mit einem derart strahlenden Lächeln, daß sich die anderen Passanten nach ihr umdrehten. Noch nie war sie so glücklich gewesen. Sie dachte an das herrliche Leben, das vor ihr lag, und an all das, was sie zu tun gedachte. Es hätte ein schlimmes Ende mit mir nehmen können, dachte sie, aber jetzt war alles gut ausgegangen, genauso, wie sie es sich in ihren Gebeten immer gewünscht hatte.

Sie ging in die Pennsylvania Station. Es war der belebteste Bahnhof von ganz Amerika, ein reizloses Labyrinth aus stickigen Räumen und endlosen Gängen, durch die sich die Menschenmassen drängten. Und jeder einzelne hat seine eigene Geschichte, dachte sie. Jeder will zu einem anderen Ziel, führt sein eigenes Leben, und jetzt werde auch ich mein eigenes Leben führen.

Sie besorgte sich einen Fahrschein aus dem Automaten. Ihr Zug fuhr gerade ein. So ein Glück, dachte sie.

Sie stieg ein und setzte sich ans Fenster. Sie war ziemlich aufgeregt, wenn sie nur daran dachte, was vor ihr lag. Mit einem leichten Ruck fuhr der Zug an und wurde dann allmählich schneller. Endlich bin ich auf dem Weg. Und als der Zug Kurs auf die Hamptons nahm, stimmte sie ein leises Lied an.