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»Komm nicht auf falsche Gedanken, Hammer«, sagte MacNeil. »Das Gold gehört dem König. Dabei bleibt's auch. Dir steht eine Belohnung zu, und ich werde dafür sorgen, dass du sie bekommst. Das wäre dann aber alles.«

Grinsend schnürte Hammer den Sack wieder zu und stellte ihn zu den anderen zurück. Vogelscheuchen-Jack schnaubte verächtlich und sah sich um. Er hatte für Gold keine Verwendung im Wald. Plötzlich krauste er die Stirn und hob die Fackel gegen die Wand auf der rechten Seite. Im zusätzlichen Licht zeigte sich eine enge Öffnung dicht über dem Tunnelboden, fast verdeckt vom Schatten der aufgestapelten Säcke. Er machte MacNeil darauf aufmerksam. Die beiden gingen davor in die Hocke. Auch dieser Stollen hatte ungewöhnlich glatte Wände. Er war nur etwa einen Schritt breit und führte in einen weiteren Tunnel, der wiederum vollkommen glatte Wände hatte. Jack sah MacNeil an.

»Was meint ihr? Werfen wir einen Blick hinein?«

MacNeil zuckte die Achseln. »Wo wir schon mal hier sind. Aber wir müssen uns in Acht nehmen. Dass das Gold hier deponiert worden ist, hat bestimmt einen Grund, und ich habe das Gefühl, dass wir uns an der Nase herumführen lassen. Constance meint, das Biest könnte das Gold als Köder benutzen.«

Jack verriet Unsicherheit. »Aber was könnte dieses Ungeheuer von uns wollen?«

»Gute Frage. Ich furchte, uns wird die Antwort nicht gefallen. Hammer!«

Hammer blickte auf. »Was ist?«

»Hier ist noch ein Tunnel. Ich werde mich mit Jack darin umsehen. Kommst du mit?«

Hammer schüttelte den Kopf und schmunzelte. »Jemand muss doch auf das Gold aufpassen.«

»Eine andere Antwort hätte ich auch nicht erwartet«, entgegnete MacNeil. »Na schön, wie du willst. Jack, lass deine Fackel hier. Es reicht, wenn ich die Laterne mitnehme.«

Auf Händen und Knien kroch er in den Tunnel. Jack reichte Hammer die Fackel und folgte. Hammer sah die beiden verschwinden. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit zurück auf das Gold und zählte die Säcke, wobei sich seine Lippen stumm bewegten.

Der enge Gang war glitschig und erdrückend. MacNeil kroch so schnell er konnte und schob die Laterne vor sich her, deren Licht von den glatten Wänden nur matt widerspiegelte. Der fahle goldene Schimmer ließ den Gang noch enger erscheinen, und MacNeil spürte einen Anflug von Klaustrophobie. Aber entschlossen kroch er auf allen vieren weiter und spähte nach vorn ins Dunkle jenseits des Lichtkreises. Er konnte Jack hinter sich hören, der Geräusche machte, die ihn an die kriechenden blinden Riesen erinnerten, die ihm tief unter der Erde begegnet waren. Um sich von dieser Vorstellung zu befreien, schüttelte er den Kopf. Auf einmal spürte er nicht mehr glattes, sondern raues Gestein unter den Händen, und er stellte fest, dass sich der Gang in eine Höhle geöffnet hatte. Er richtete sich auf, reckte die schmerzenden Glieder und hob die Laterne in die Höhe. Auch Jack kam nun aus dem Tunnel gekrochen und stellte sich neben ihn. Eine Weile standen die beiden stumm und reglos da und starrten auf das, was ihnen in dieser Höhle zu Gesicht kam.

Männer, Frauen, Kinder, alle, die in der Grenzfeste ums Leben gekommen waren, lagen hier zu einem großen Haufen aufgestapelt. Es schien, als seien sie einfach abgelegt worden, um zu verwesen. Die Höhle war wohl an die dreißig Schritt breit, und die vielen Leichen nahmen ungefähr die Hälfte des gesamten Raumes ein.

Jeder der hier lag, war unverkennbar eines gewaltsamen Todes gestorben und voll von getrocknetem Blut.

MacNeil traute seinen Augen kaum und fühlte sich schrecklich ohnmächtig. All diese Menschen waren tot und unwiederbringlich verloren. Die Kinder gingen ihm besonders nahe. Die kleinen Körper, zerstört und weggeworfen… So zu sterben hatte kein Kind verdient. Sofort griff MacNeil nach dem Schwert und schwor im Stillen Rache, koste es, was es wolle.

Jack näherte sich dem Leichenberg und suchte nach Hinweisen auf die Todesursache der einzelnen Opfer. Er kam mit der Situation offenbar besser zurecht als MacNeil. Im Wald lebend, war er mit allen Formen des Todes vertraut und hatte den Schrecken darüber längst verloren. Für ihn war der Tod nur ein Teil der Welt. Plötzlich merkte Jack irritiert auf und bückte sich, um den Höhlenboden zu untersuchen.

MacNeil riss seinen Blick von den Toten los und rief seinen Verstand auf. Das Gold und die Leichen wie waren sie hierhin gelangt? Jemand musste sie hergeschafft haben. Vielleicht die kriechenden Riesen? MacNeil krauste die Stirn und schüttelte den Kopf. Diese Riesen waren doch viel zu groß. Sie hätten den schmalen Sims am Rand der großen Höhle gewiss nicht passieren können, geschweige denn den engen Tunnel.

»Sergeant, kommt doch mal mit der Laterne«, sagte Jack. »Ich hab etwas Interessantes entdeckt.«

MacNeil rückte zu ihm vor, bückte sich und beleuchtete die Stelle, die Jack so eingehend studierte. Es war schierer Fels, darauf eine Staubschicht mit Spuren, die aber zu undeutlich waren, als dass sie für MacNeil irgendeinen Aufschluss hätten erbringen können.

»Und?«, fragte er. »Was siehst du, Jack?«

»Fußabdrücke«, antwortete Jack seelenruhig. »Von Menschen. Da sind jede Menge Männer, Frauen und Kinder durcheinander gelaufen. Andere Spuren gibt's nicht. Das heißt, alle, die hier liegen, sind nicht hergeschafft worden, sondern auf eigenen Beinen gelaufen.«

MacNeil staunte. Plötzlich glaubte er eine Bewegung am Blickfeldrand entdeckt zu haben und fuhr mit dem Kopf herum. Eine der Leichen hatte die Augen geöffnet und starrte ihn an. Eine andere zog die schwarzen Lippen zu einem schauerlichen Grinsen auseinander. Jack und MacNeil sprangen auf. Die toten Augen folgten ihnen. Allmählich kam immer mehr Leben in den Leichenberg. Nach und nach schlugen alle Toten die Augen auf und wandten ihre blutverschmierten Gesichter den beiden Eindringlingen zu, offensichtlich empört darüber, in ihrer Ruhe gestört zu werden. MacNeil wähnte sich von einer kalten Hand ans Herz gefasst, als er sich vorstellte, wie eine endlose Reihe wandelnder Leichen durch die dunklen Gänge, über den schmalen Sims und schließlich in diese Grotte gezogen sein mochte, um hier umzukippen und zum Liegen zu kommen, eine über der anderen, sodass diejenigen, die später kamen, auf den Haufen hochklettern mussten… MacNeil fluchte flüsternd vor sich hin und wich zurück. So auch Jack. Die Leichen blickten ihnen nach, ohne mit der Wimper zu zucken.

»Köder«, hauchte MacNeil. »Das Gold und die verschwundenen Toten… nur Köder, um uns hier herunter zu locken und zu vernichten.«

»Aber wozu so viel Aufwand?«, fragte Jack. »Was macht uns so wichtig? Das Biest könnte uns doch einfach in den Wahnsinn treiben, wie es das auch mit all den anderen getan hat.«

»Ich weiß nicht«, antwortete MacNeil. »Das Biest will etwas von uns. Vielleicht besitzen wir etwas, das ihm schaden könnte…« Plötzlich gingen ihm die Augen auf. »Natürlich! Das Infernaleisen! Das Monstrum will nicht alle von uns, nur Hammer und sein verfluchtes Schwert.«

»Augenblick«, sagte Jack und starrte beunruhigt zurück auf den Leichenhaufen. »Das kann wohl kaum das Werk des Biests sein. Es schläft doch noch, oder?«

»Das hat nichts zu sagen«, erwiderte MacNeil. »Sein Bewusstsein ist mit unserem nicht zu vergleichen. Sie wird den Wolfsfluch erkannt haben, als Hammer das erste Mal ins Fort gekommen ist, um das Gold auszuliefern. Das Biest weiß, wie mächtig dieses Schwert ist, und erkennt darin eine Gefahr für sich. Also hat es sein Träume ausgesendet und alle, die sich im Fort aufhielten, vernichtet, um sie als Köder zu missbrauchen, als Köder für den, der das Eisen mit sich führen würde… damit es dieses ein für allemal zerstören kann.

Komm, Jack. Wir müssen Hammer holen und machen, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden.

Wenn das Eisen tatsächlich der Schüssel ist, dürfen wir nicht riskieren, dass es dem Biest in die Hände fällt.

Beeilung! Ich bleibe dicht hinter dir und leuchte den Weg mit meiner Laterne.«