Ein hoher, schmaler Weihnachtsbaum stand in einer Ecke, und der Schmuck funkelte im Licht. Er war liebevoll dekoriert und entlockte mir ein Lächeln.
Einige späte Gäste saßen verstreut an den Tischen. Zwei der Männer am Tresen kamen mir sonderbar vor. Es waren keine Magiegeborenen, das war eindeutig, aber Menschen waren sie auch nicht. Ich erkannte den Unterschied auf einen Blick. Beide waren dunkelhäutig, hatten schütteres schwarzes Haar und Augen mit schwarzumrandeter topasfarbener Iris, und sie beobachteten mich, als ich in großem Abstand an ihnen vorbeiging.
Ich suchte mir einen Hocker am anderen Ende der Bar, setzte mich, nahm die Karte, zog eine Untertasse zu mir und drehte die Tasse darauf um. Die Kellnerin sah mich und kam mit der Kaffeekanne in der Hand auf mich zu. Ich erkannte sie wieder.
»Hi, Herzchen. Ich bin Anadey. Was soll’s denn sein? Meine Tochter ist die beste Imbissköchin im Ort.« Sie deutete mit dem Kopf zur Küche, wo eine große, kräftige junge Frau an einem Grill Burger wendete. In ihrer Aura schimmerte ein magisches Funkeln, das auch Anadey umgab, wenn auch stärker. Ich schenkte ihr ein kleines Lächeln. Sie schien mich nicht zu erkennen, also beschloss ich zu warten, bis ich mich in der Stadt wieder eingerichtet hatte, bevor ich mich ihr vorstellte. Schließlich konnte ich nicht wissen, ob sie nicht böse auf mich war, weil ihre Mutter ausgerechnet mir ihr Geschäft hinterlassen hatte.
»Sie ist hübsch, Ihre Tochter.«
»Das ist sie, meine Liebe. Kaffee?« Anadey hielt die Kanne über den Becher.
»Ja, bitte. Und Sahne.«
Der Kaffee, den Anadey mir einschenkte, war stark und dampfend heiß. Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie: »Sie heißt Peyton. Komm doch mal rein, wenn du nicht so müde bist. Ich denke, ihr zwei würdet euch gut verstehen. Ich hole jetzt die Sahne. Brauchst du noch ein wenig Bedenkzeit mit der Karte?«
»Ja. Danke.«
Als ich drei Stück Zucker in meinen Kaffee gab, kehrte sie mit der Sahne zurück. Wieder schenkte ich ihr ein Lächeln – sie war Anfang fünfzig und wirkte müde –, dann klappte ich die Karte auf. Doch die Buchstaben schienen ineinanderzufließen, und ich klappte sie wieder zu und richtete meinen Blick auf die Tafeln an der Wand. Die Erschöpfung der Reise machte sich mit aller Macht bemerkbar.
Ich winkte Anadey. »Kann ich meine Bestellung mitnehmen? Einen großen Schokoshake, Burger mit Pommes frites, nur Butter auf dem Brötchen. Gürkchen und Saucen brauche ich nicht. Außerdem möchte ich ein Stück Apple Pie, wenn Sie haben. Oh, und bitte achten Sie darauf, dass nichts irgendwelche Fischbestandteile enthält. Ich bin allergisch gegen Fisch und Krustentiere.« Um meine Worte zu bekräftigen, griff ich in die Tasche und holte meinen EpiPen hervor. Manche Restaurants nahmen Nahrungsmittelallergien erst dann ernst, wenn man mit der lebensrettenden Medikation wedelte.
»Ich habe Freunde mit ganz unterschiedlichen Allergien, daher achte ich in meiner Küche sehr auf die Zutaten. Wir haben eine Fritteuse nur für die Kartoffeln, um Verunreinigungen zu vermeiden, einen Grillrost ausschließlich für weizenmehlfreie Patties, und alles wird jedes Mal gereinigt.« Sie zwinkerte mir zu. »Du siehst aus, als wolltest du zusammenbrechen, Liebchen.«
Ich nickte. »Hab eine lange Fahrt hinter mir. Ich bin seit zwei Tagen unterwegs.«
»Ich mache in der Küche Dampf, damit du möglichst schnell eine Mütze Schlaf kriegst. Du hast sie nötig.« Sie huschte davon, und ich nippte an meinem Kaffee. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Kerl am anderen Ende der Theke aufgestanden war und, den Blick fest auf mich gerichtet, in meine Richtung geschlendert kam. Besonders beeindruckt wirkte er nicht.
Als er auf dem Weg zu den Toiletten an mir vorbeiging, musterte ich ihn von Kopf bis Fuß. Hinter meinem Rücken hörte ich ihn flüstern. »Zauberschlampe. Pass bloß auf. New Forest mag so ein Pack nicht mehr.«
Verblüfft fuhr ich herum, aber er ging einfach weiter. Normalerweise hätte ich ihn sofort zur Rede gestellt – ich hatte genug Schlägereien erlebt, um für mich selbst einzustehen –, aber im Augenblick war ich zu müde für Auseinandersetzungen. Stattdessen prägte ich mir sein Aussehen ein und wandte mich zu Anadey um, die die Theke vor mir polierte und mich besorgt ansah.
»Stammgast?«, fragte ich und deutete mit dem Kopf in seine Richtung.
Sie nickte knapp, die Lippen fest zusammengepresst, und in ihren Augen sah ich ein kurzes Aufflackern von Angst. »Tritt ihm nicht auf die Zehen, Kleines. Er ist aggressiv und außerdem ein Säufer. Lass einfach gut sein. Dein Essen ist gleich fertig.« Sie warf einen Blick zum anderen Ende der Theke, wo sein Kumpel saß. Sie sagte nichts mehr, aber der Ausdruck ihrer Augen verriet mir alles, was ich wissen wollte.
Schlechte Nachrichten … trau ihnen nicht. Sie sind nicht sterblich … Uleans Stimme kitzelte mich im Ohr, und ich brummte zustimmend.
Als Anadey mein Essen verpackte und mir über den Tresen reichte, kam der Typ vom Klo zurück, und seine vollen Lippen verzogen sich zu einem anzüglichen, verächtlichen Grinsen. Ich erwiderte seinen Blick ohne Regung. Dann warf ich einen Zehner und ein paar Münzen als Trinkgeld auf die Theke und machte mich auf den Weg zur Tür. All meine Sinne waren in Alarmbereitschaft.
Gib mir Deckung.
Wie immer, Cicely, wie immer, beruhigten Uleans Gedanken mich.
Sobald ich draußen auf dem Parkplatz war, spürte ich eine Veränderung im Luftstrom. Alarmiert blieb ich stehen und lauschte.
Sie folgen dir …
Ich weiß, flüsterte ich. Ich spüre sie.
Nicht nur sie. Da sind noch andere. Älter, gefährlicher. Aber ich erkenne die Energie nicht.
Ich atmete langsam aus und machte mich locker. Anspannung konnte einen kräftigen Haken verderben, konnte einen guten Kampf in einen schlechten verwandeln. Ich sah mich flüchtig auf dem Parkplatz um. Zu meiner Linken standen fünf Wagen, weitere drei rechts von mir. Während ich abschätzte, wie schnell ich über die verschneite und vielleicht vereiste Straße gelangen konnte, steuerte ich auf den Gehweg zu. Draußen war es leer; nur wenige Autos waren zu dieser Zeit noch auf den Straßen, obwohl zwei langgestreckte Limousinen mit getönten Scheiben fast lautlos an mir vorbeifuhren. Der Schnee dämpfte den Lärm der Motoren.
Vampire auf der Jagd. Uleans Gedanken waren voller Abscheu.
Ich nickte unmerklich und setzte einen Fuß auf die Straße. Augenblicklich spürte ich die Männer hinter mir schneller werden. Ich war erst knapp zwei Meter gegangen, als ich zu rennen begann. Der Klang der Schritte hinter mir stellte klar, dass meine Verfolger dasselbe getan hatten.
Verdammt. Ich wusste noch immer nicht, wer sie waren und was sie wollten, aber es war eindeutig, dass sie mich nicht besonders leiden konnten, und ich hielt es für unklug, nachzufragen, weshalb das so war.
Also gab ich Fersengeld, und Ulean schnellte hinter mir her und schob mich an. Mit einem Ruf beschleunigten auch meine Verfolger, und ihre Stiefel trommelten auf dem Asphalt. Auf der anderen Seite angekommen, versuchte ich hastig, die Lage einzuschätzen.