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            Meine Güte, bist du schön. Ich konnte den Blick nicht mehr von ihr abwenden.

            Danke, liebe Freundin. Ich freue mich so sehr, dass du mich endlich sehen kannst.

            »Wir sollten jetzt gehen«, sagte Kaylin, und ich erkannte, dass ihm mein Austausch mit Ulean entgangen war. Also konnte er sie nicht einmal hier hören. Aber …

            »Kannst du Ulean sehen?« Ich deutete auf den funkelnden Nebel, der mein Windelementar war.

            Er starrte einen Augenblick in die Richtung, in die ich gezeigt hatte, dann neigte er leicht den Kopf. »Schwach, aber mit Störungen. Vielleicht weil ich nicht auf den Wind eingestimmt bin.«

            Er ist nicht mit mir verbunden, nur du kannst mich hier deutlich sehen. Und nur du kannst mich hören, es sei denn, ich möchte mich jemand anderem verständlich machen.

            »Ach so«, sagte ich. »Was nun?«

            Kaylin zeigte voraus. Ich folgte der Blickrichtung und sah zwei Leuchttürme, heller strahlend als die Space Needle zu Silvester. Während ich noch hinsah, kam ihre wahre Gestalt durch, und ich erkannte, um was es sich handelte.

            »Die Zwillingseichen!«

            »O ja. Wenn es nur gewöhnliche Bäume wären, könntest du sie nicht annähernd so deutlich sehen. Sie wären zwar durch die Aura, über die alle lebenden Wesen verfügen, erleuchtet, aber nicht so. Sieh dich um. Und versuche dich wirklich zu konzentrieren, denn vieles hier draußen hängt davon ab, seinen Geist öffnen zu können, damit man nicht immer nur eine Dimension auf einmal sieht.«

            Wieder versuchte ich zu atmen, wieder geriet ich kurz in Panik, als keine Luft in meine Lungen strömte. Doch diesmal sammelte ich mich, und die Angst legte sich.

            »Wonach schaue ich mich um?«

            »Denk an Rhiannon und Leo. Und dann such sie.«

            Ich beschwor Rhiannons Gesicht vor meinem geistigen Auge herauf. Ihr Lächeln, ihr roter Zopf, das Funkeln in den Augen … dann dachte ich an Leo und –

            »Woah, da sind sie ja!«

            Keine zwei Meter entfernt konnte ich sie sehen, vage und nicht wirklich scharf umrissen, aber ihre Auren leuchteten wie das Neonschild einer Bar. Die Leos war grün, stabil und strahlend, doch Rhiannons Aura sprühte und knisterte, und die Energie war gebremst, als hätte sie sie in Ketten gelegt. Hier und da flammte sie plötzlich auf und schien ausbrechen zu wollen, nur um jedes Mal wieder zurückgezerrt und vom Körper vereinnahmt zu werden. Die Spannung war spürbar, als ringe Rhiannon mit einem ganzen Schlangennest.

            »Shit. Eines Tages wird sie explodieren, und lange dauert es nicht mehr. Schau nur, sie steckt so voller unterdrückter Energie, dass es sie auffressen wird, wenn sie nicht bald etwas dagegen unternimmt.«

            Kaylin nickte. »Wir müssen sie an die Hand nehmen und ihr helfen, die Furcht vor dem Feuer zu überwinden. Die Kraft ist stark, sie könnte verbrennen.«

            Spontane Selbstentzündung. Der Gedanke durchfuhr mich mit alarmierender Klarheit, und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie es geschehen würde. Sie musste doch sicher spüren, wie die Kräfte sich verlagerten, oder hatte sie jede natürliche Verbindung dazu ausgesperrt, weil sie befürchtete, sie noch einmal missbrauchen zu können? Wie auch immer, wir mussten ihr jedenfalls unbedingt dabei helfen, ein Gleichgewicht zu finden.

            »Wie geht’s dir? Meinst du, du bist so weit, dass wir uns den Hügel ansehen können, oder brauchst du noch einen Moment, um dich an den Zustand zu gewöhnen?« Kaylin – oder der tintenschwarze Schatten, der als Kaylin fungierte – lehnte sich gegen einen Klecks, der, wie ich mit einem Mal erkannte, in der materiellen Welt ein Felsbrocken war.

            Ich horchte in mich hinein. Ich fühlte mich immer noch neblig und seltsam unfertig, aber die Furcht vor dem beunruhigenden Zustand, nicht mehr zu atmen, war überwunden, und die Umrisse der astralen Welt wurden langsam deutlicher und klarer definiert.

            »Ich denke, wir können. Was tun wir denn? Und wie stellen wir fest, ob sie uns sehen?« Ich probierte, wie sich Schritte anfühlten, und stellte fest, dass Traumwandeln so ähnlich war, wie ich es mir immer auf dem Mond mit der reduzierten Schwerkraft vorgestellt hatte.

            »Falls wir auf ein Feld stoßen, das Magie negiert, werden wir das nur allzu schnell merken. Die Frage ist vielmehr: Haben sie Seher, die in der Lage sind, astrale Wesen aufzuspüren – also übersinnlich begabte Spione? Das ist unsere größte Sorge, vorausgesetzt, der Zauber hält. Halte einfach Augen und Ohren offen. Konzentrier dich auf die Person, die du hören willst, und stimme dich auf sie ein.«

            Er winkte mir, und gemeinsam gingen wir auf die Zwillingseichen zu. In meinem Solarplexus setzte sich Nervosität fest. Es war seltsam, den Körper nicht zu spüren. War es so, wenn man Elementarwesen war? Niemals fest, sondern aus Schatten oder Luft gemacht?

            Wir näherten uns den Eichen. Die Energie dazwischen knisterte und sprang in Miniblitzen zwischen den Stämmen hin und her. Die Bäume waren uralt, wie die wirbelnden Ringe in ihrer Aura verrieten, älter, als man nachverfolgen konnte. Ihre Wurzeln drangen tief in die Erde, und die leuchtenden Lebensadern schraubten sich unter der Oberfläche Meter um Meter in den Grund. Sie hatten hier schon gestanden, lange bevor meine Vorfahren ihren Fuß auf dieses Land gesetzt hatten.

            Die Energie, die zwischen den Stämmen floss, bildete ein Gitter aus sprühenden Linien, durch die wir gehen mussten. Ich sog tief die Luft ein – oder tat zumindest so –, während ich überlegte, ob das Portal uns aus der Astralebene schleudern würde oder ob es sich wirklich nur um einen Durchgang handelte.

            Kaylin blieb stehen. »Lass mich zuerst durchgehen. Wenn irgendwas passiert, dann renn wie der Teufel davon und bitte dein Elementar, dich zum nächsten Traumwandler zu bringen, damit er dich in die körperliche Welt zurückbringt.«

            »Aber lässt der Effekt nicht einfach nach?« Ich blinzelte verunsichert. »Ich dachte, der Zauber sei zeitlich begrenzt.«

            »Theoretisch ja. In der Praxis habe ich es noch nicht erlebt.« Er zuckte mit den Achseln. »Wird schon schiefgehen. Ich laufe rüber und komme zurück, wenn alles okay ist.« Bevor ich noch ein Wort sagen konnte, durchschritt er das Portal und war in einem Aufblenden von Rauch und Blitzen außer Sicht.

            Ich wartete, ohne den Durchgang aus den Augen zu lassen. Ich hätte den Atem angehalten, aber da das nicht ging, zählte ich die Sekunden. Natürlich hatte die Zeit auf astraler Ebene – wie auch im Reich der Feen – eine andere Wertigkeit. Es konnte sein, dass wir Tage hier verbrachten, während in der uns bekannten Welt nur Minuten verstrichen waren, oder umgekehrt. Noch immer keine Spur von Kaylin. Wo zum Teufel war er, und was sollte ich tun, wenn er nicht zurückkam?

            Ich war schon kurz davor, ihm zu folgen – er glaubte doch nicht ernsthaft, dass ich abhauen und ihn hier alleinlassen würde, wenn etwas passierte, oder? –, als ich zwischen den Eichen einen Schimmer sehen konnte und er schließlich erschien und mich zu sich winkte.

            Ich beeilte mich, und Ulean folgte mir in ihrer Wolke aus Sternenstaub.

            »Ist es einigermaßen sicher?«

            Kaylin nickte. »Im Augenblick wenigstens. Aber wir hatten recht, uns Sorgen zu machen. Am Hügel lungert eine Gruppe Feen vom Indigo-Hof herum. Sieht nicht so aus, als ob sie uns bemerken werden, aber lass uns schnell machen, bevor sich das ändert.«