Выбрать главу

            Sie sah zu mir auf. »Wie oft hat er dich bisher gebissen?«

            In meinen Eingeweiden begann es zu brennen. Meine Gefühle konnten doch nicht gänzlich auf eine Droge zurückzuführen sein, oder? Zwischen uns bestand eine Verbindung, dafür gab es Beweise.

            Ich zuckte mit den Achseln. »Nur einmal, höchstens zweimal vielleicht.«

            »Das darfst du auf keinen Fall mehr zulassen«, sagte Leo.

            »Jedenfalls nicht, bis wir nicht genau wissen, auf wessen Seite er steht«, fügte Rhiannon sanfter hinzu. Ich fuhr zu ihr herum, und sie lächelte. Sie verstand mich.

            Sie versteht dich besser als die anderen, flüsterte Uleans Stimme hinter mir. Es ist wahr, dass Grieve eine Gefahr darstellt, aber auf andere Weise, als sie denken.

            Ich wollte protestieren, entschied mich dann aber, es einfach zu lassen. »Ich passe auf. Und ich sage ihm nichts von meinem Vertrag mit Regina, ohne vorher mit euch gesprochen zu haben.« Ich seufzte tief und wollte gerade in die Küche gehen, um mir etwas zu essen zu machen, als es an der Tür klingelte. »Erwartet ihr jemanden?«

            Sie schüttelten ihre Köpfe. Zögernd bewegte ich mich auf die Tür zu. Aber die Indigo-Feen, die uns töten wollten, würden wohl kaum höflich an der Vordertür klingeln.

            Ich öffnete, sah aber niemanden. Neugierig öffnete ich auch noch die Drahttür, und da entdeckte ich es. Auf der Veranda stand ein großer Korb, der randvoll mit etwas gefüllt war, was nach teuren Köstlichkeiten aussah.

            Misstrauisch stieß ich ihn leicht mit dem Fuß an, aber nichts kroch heraus oder explodierte. Schließlich hob ich ihn auf, schleppte ihn ins Wohnzimmer – das Ding war verflucht schwer – und stellte ihn auf den Couchtisch.

            »Da mag uns anscheinend jemand«, sagte ich. »Weihnachten ist zwar erst in ein paar Wochen, aber wir kriegen schon jetzt Geschenke.«

            »Von wem ist das?« Rhiannon beugte sich vor.

            »Keine Ahnung. Schauen wir mal, ob irgendwo eine Karte zu finden ist. Aber in der Zwischenzeit könnten wir ja vielleicht etwas essen. Ich habe einen Mordshunger.« Behutsam zupfte ich an dem Zellophan, das den Inhalt des Korbs einhüllte. Ich war es nicht gewohnt, Geschenke zu bekommen. Krystals Vorstellung von einer Geburtstags- oder Weihnachtsüberraschung erschöpfte sich in einem Happy Meal oder ein paar fürstlichen Joints.

            »Ich mache uns Abendbrot«, sagte Leo. »Sagt mir Bescheid, was da drin ist – und schreit, wenn ihr mich braucht. Rhiannon, du könntest doch schon mal Anadey anrufen.« Und damit verschwand er in Richtung Küche.

            Das Zellophanpapier wurde von einer großen, dunkelroten Schleife zusammengehalten. Vorsichtig band ich sie auf, schob das Papier zur Seite und holte Packung um Packung teurer Schokolode und Kekse, importierten Käse und Süßigkeiten heraus, alles noch in die Originalverpackung eingeschweißt. Endlich stieß ich auf einen blutroten Umschlag. Stumm erbrach ich das Siegel, das aus goldenem Wachs mit blutroten Spänen bestand.

            Du weißt, von wem das Geschenk kommt. Ulean war direkt hinter mir, und ich spürte den sanften Hauch ihres Atems an meinem Ohr. Das Gefühl war vollkommen anders als das, welches Grieve verursachte.

            O ja, und ob.

            Ich hätte es auch gewusst, ohne die Karte, auf der der Rosenstrauß prangte, zu lesen. Als ich sie aufklappte, leuchtete mir elegant geschwungene Schrift – offensichtlich mit einer Kalligraphiefeder geschrieben – in blutroter Tinte entgegen.

  Vom Karmesin-Hof an Ms. Cicely Waters & Freunde       Nur eine Kleinigkeit in Anerkennung unserer Partnerschaft, möge sie eine lange und fruchtbare Verbindung sein. Deine erste Blutgabe ist für übermorgen Abend angesetzt. Lannan Altos erwartet dich in seinem Büro im New-Forest-Konservatorium. Er wird dir zu diesem Zeitpunkt auch den kommenden Monatslohn im Voraus bezahlen.       Mit freundlichen Grüßen,   Regina Altos   Abgesandte des Karmesin-Hofs         Oh, na toll. Ich blickte auf. Ich hatte gehofft, dass ich mindestens ein paar Wochen Zeit haben würde, mich an den Gedanken zu gewöhnen, aber die Botschaft war deutlich. Ich gehörte ihnen – mit Haut und Haar und Blut.

            Und nun war der Zahltag gekommen.

            18. Kapitel

            Ich versuchte, den Text der Karte herunterzuspielen. Es hatte keinen Sinn, Rhiannon aufzuregen. Jetzt mussten wir vor allem Anadey aufsuchen, ihr erzählen, dass wir Peyton gefunden hatten, und sie bitten, Rhiannon zu helfen. Wir riefen sie an, und sie sagte uns, sie hätte morgen früh Zeit, ob wir zu ihr kommen könnten. Den Rest des Abends verbrachten wir damit, die Schutzvorrichtungen um das Haus herum zu verstärken und Scrabble zu spielen.

            Am nächsten Morgen willigten Leo und Kaylin ein, zu Hause zu bleiben und sich einen Schutzzauber für das gesamte Grundstück auszudenken, während Rhiannon und ich mit Favonis zu Anadeys Wohnung fuhren.

            Anadey saß zusammengesunken an ihrem Tisch, als wir auf ihr »Herein« leise eintraten. Sie hielt eine Teetasse in der Hand und wirkte zehn Jahre älter als noch vor ein paar Tagen, und als sie aufblickte, sah ich, dass ihre Augen rot vom Weinen waren. »Gibt es etwas Neues?«

            Es war zu spüren, dass sie Angst hatte, die Frage zu stellen, aber sie konnte nicht anders.

            »Ja. Wir haben, dank Grieve, ihr Versteck gefunden. Aber wir mussten wieder verschwinden, bevor man uns schnappte. Heather und Peyton waren beide dort – und am Leben.« Und ich konnte nur beten, dass sie es nach unserer Aktion noch immer waren. Was, wenn Myst sie aus Rache für unseren Einbruchsversuch getötet hatte? Zuzutrauen war es ihr.

            Wir berichteten Anadey von unserem Ausflug und ließen sie schwören, Stillschweigen über Kaylins Fähigkeiten zu bewahren.

            Schließlich schob sie ihre Teetasse weg und seufzte tief. »Ich sollte also mit dem Jammern aufhören und etwas zur Rettung meiner Tochter beitragen. Wenn ihr schon den Mut habt, es mit dem Indigo-Hof aufzunehmen, werde ich meinen Teil dazu beitragen. Obwohl ich nicht recht weiß, wie ich von Nutzen sein kann. Meine Magie ist weit subtiler, als es die meiner Mutter war. Ich arbeite mit allen Elementen, aber mehr auf … molekularer Ebene. Es ist schwer zu beschreiben. Meine Magie besteht weniger darin, Zaubersprüche anzuwenden als vielmehr Ereignisse neu zu arrangieren.«

            »Ich wünschte, du könntest in der Zeit zurückreisen und die Entführung von Heather und Peyton neu arrangieren.« Ich seufzte. Zeitsprünge wurden selten gemacht und waren normalerweise nur erlaubt, um Ereignisse zu beobachten, nicht um einzugreifen.

            »Denkst du nicht, ich hätte es längst versucht, wenn ich das könnte?« Anadey schüttelte den Kopf. »Es gibt mehr Kräfte im Universum, als wir je zu verstehen erhoffen können. Und es gibt Kräfte, die ich hoffentlich nie verstehen werde.«