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            »Und in der Zwischenzeit entführen Angehörige des Indigo-Hofs Magiegeborene, um sich eine Armee von Sklaven mit Zauberkräften heranzuzüchten. Denkt nur, was für ein Chaos sie anrichten können, wenn sie sich so mächtige Hexen wie Marta und Heather untertan machen – wie viel Schlimmes geschehen kann!« Leo rieb sich den Nasenrücken, und ich wusste, dass er an seine Schwester dachte.

            »Sie wären nahezu unbesiegbar.« Ich verstummte, als Ulean meine Schulter berührte.

            Draußen geschieht etwas. Du bist gefordert. Sei vorsichtig. Sie kommen näher.

            »Probleme, Leute. Ulean hat mich gerade gewarnt.« Ich legte das Buch und meinen Hähnchenschenkel ab und spähte vorsichtig aus der Eingangstür. Rhiannon war direkt hinter mir. Da war etwas – ich spürte es! – am Rand unseres Grundstücks.

            »Warte«, flüsterte ich.

            Sie blickte über meine Schulter. »Ist da draußen etwas?«

            Ich nickte. Langsam suchte ich mit Blicken den Garten ab, aber ich wusste nicht, worauf ich achten musste. Ulean? Kannst du mich hören?

            Ja … dort hinten an der Grenze. Leo und Kaylin haben gute Arbeit geleistet. Sie können nicht weiter vordringen.

            Was ist denn da draußen? Ich kann etwas hören … fühlen.

            Als Ulean an mir vorbeihuschte, umhüllte mich der betörende Duft von Lavendel und Zitrone, beruhigend und doch stärkend. Er nahm ein wenig Finsternis von meiner Aura, und ich atmete tief ein und stieß den Atem geräuschvoll wieder aus, während ich wartete. Einen Moment später war sie zurück.

            Du kommst an einen Scheideweg, Cicely. Sei vorsichtig. Bitte handle nicht überstürzt. Hör genau zu. Worte können täuschen, selbst wenn sie von jemandem kommen, den du liebst.

            Ein Schauder jagte mir über den Rücken. Was zum Teufel geschah hier? Langsam stieg ich die Vordertreppe hinab, direkt hinter mir Rhiannon, in einigem Abstand Leo und Kaylin.

            Während wir durch den Garten auf die Grenze unseres Grundstücks zugingen, hatte ich das Gefühl, als stünden wir an einem Abgrund, auf einem Felsvorsprung über einem tobenden Meer voller scharfer, spitzer Felsen, und einer dieser Felsen reckte sich uns nun entgegen.

            Aus der Schlucht kamen fünf Gestalten, in deren Kielwasser Nebelschwaden waberten. Der Nebel war quecksilbriges funkelndes Blau und Grau und wand sich in der kalten Nacht wie Schlangen. Der Wald verstummte, zumindest für die Ohren, aber ich erhaschte Geräusche im Wind – Spinnen, die woben, das Trippeln der vielen Beine, das Rascheln namenloser Wesen.

            Ich trat über einen Gartenschlauch, und als er zischte und zur Schlange wurde, zwang ich mich, nicht nach unten zu blicken. Rhiannon hinter mir entfuhr ein kleiner Laut, aber ich ging weiter, und meine Schritte knirschten im Schnee. Mein Blick fixierte die Gestalten, die ich nur als Silhouetten sah, doch ihre Auren leuchteten blau und silbern.

            Der Indigo-Hof.

            Wir näherten uns, aber sie blieben etwa fünfzehn Meter hinter dem Waldrand stehen und warteten. Mir wurde bewusst, dass sie an einer Stelle angehalten hatten, an der die Männer vorhin das Grundstück gesichert hatten. Kaylin und Leo hatten in der Tat gute Arbeit geleistet: Der Feind konnte nicht herein.

            Ich ging weiter, und Rhiannon holte mich ein und ging nun an meiner Seite. Die Jungs gaben uns Rückendeckung, und wir kamen ein paar Meter vor den verhüllten Gestalten zum Stehen. Ich hielt meine Hand hoch und wartete. Sollten sie den Anfang machen und sagen, was es zu sagen gab.

            Eine Gestalt aus der Gruppe trat vor, eine Frau, aus dem zu schließen, was ich durch den Dunst erkennen konnte, der sie wie ein Gewirr aus lebenden Spinnennetzen umgab. Sie trug ein langes Gewand, und dann sah ich die roten Locken, die ihr über die Schultern fielen.

            Heather. Es war Heather, und – ihr Götter! – meine Tante war ein Vampir!

            Heathers Gesicht war weiß wie Sahne, bleich wie der Vollmond, ihre Lippen rot wie Rosenknospen. Ihre Augen funkelten schwarz, und die Sterne des Indigo-Hofs schimmerten darin.

            »Heather!« Rhiannons Schrei zerriss das Dunkel. »Nein! Nein!« Ihr Schrei wurde zu einem gequälten Kreischen, das sich höher und höher schraubte. »Nein! Sag, dass das nicht wahr ist! Du bist nicht eine von ihnen!«

            Heather wandte sich ihr zu. Ein schwacher Ausdruck von Mitleid huschte über ihre Miene, doch dann war er wieder fort. »Ich bin noch immer deine Mutter –«

            »Du bist nicht meine Mutter! Du bist ein Dämon, ein widerlicher Vampir!«

            Und dann hob Rhiannon die Hände und stieß sie in Heathers Richtung. Knisternde Flammen schossen hervor und rasten auf Heather zu, doch sie warf sich zur Seite. Das Feuer traf einen Wacholderstrauch, und der Schnee löschte die Flammen zischend.

            »Du bringst sie besser fort von hier«, sagte Heather zu mir. »Schnell.«

            Zu betäubt, um auch nur zu blinzeln, fuhr ich herum und winkte Leo, der vorsprang, Rhiannon an den Schultern packte und zum Haus zurückzerrte.

            »Heather.« Ich trat einen Schritt vor und versuchte zu erkennen, ob Peyton bei ihnen war, aber ich sah nichts. »Es ist also wahr. Du bist eine von ihnen.«

            »Genau genommen gehöre ich Myst. Sie hat mir ein Angebot gemacht, das ich nicht ablehnen konnte.« Leichtes Unbehagen zeichnete sich auf ihrer Miene ab. »Cicely, man hat mich gebeten, mit dir zu reden.«

            Ich betrachtete ihre Gefährten. Zwei Männer, zwei Frauen, offensichtlich in den Indigo-Hof hineingeboren. Ihr Teint hatte denselben bläulichen Schimmer, den wir am Marburry-Grab gesehen hatten. Und Heather … sie war nun Vampir mit magischen Kräften, ihre Sklavin.

            »Wieso hast du das zugelassen? Dass sie dich verwandeln?« Ich konnte die Worte nicht zurückhalten; sie flogen aus meinem Mund wie Motten, die aufs Licht zuschwärmten. »Was für ein Angebot konnten sie dir denn schon machen?«

            Ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Manchmal haben wir die Wahl. Und manchmal trifft man eine Wahl, die nicht für einen selbst, sondern für jemand anderen die bessere ist.«

            Ich lauschte, versuchte, den Wind dahinter zu verstehen, und spürte die verborgene Bedeutung. Sie hatte keine echte Wahl gehabt.

            Das geringere von zwei Übeln. Ulean war an meiner Seite. Sie hat Peytons Leben statt ihres gewählt.

            Ich schloss einen Moment lang die Augen, um Wirklichkeit und Illusion besser trennen zu können. Kaylin, der inzwischen hinter mir stand, legte mir eine Hand auf die Schulter, und ich ließ seinen Energiestrom ein und richtete mich an seiner Kraft auf.

            »Warum seid ihr gekommen? Was wollt ihr?«