»Ich binde dich nicht an mich. Das ist lediglich deine erste Spende. Es wird jedes Mal besser.« Und dann erhöhte sich der Druck an meinem Hals, und er trank in vollen Zügen, und eine Euphorie überspülte mich, die jeden finsteren oder schwülheißen Traum von Ekstase, den ich je gehabt haben mochte, bei weitem übertraf.
Bis auf einen.
Die Erinnerung, wie ich als Eule am Nachthimmel meine Kreise über das Haus gezogen hatte, stieg in mir auf, und ich fing sie ein und klammerte mich daran, beschwor das Gefühl des Windes unter meinen Flügeln herauf, die Gerüche, die Perspektive. Die Erinnerung war wie ein Leuchtfeuer, ein Rettungsanker, ein Geländer, an dem ich mich festhielt, während Lannans Leidenschaft gegen meine Sinne brandete. Dieser Augenblick – mein Emporschwingen in die Nacht – war die erhabenste Erfahrung, die ich jemals gemacht hatte. Sie war so rein gewesen, so ungezähmt, ursprünglich und sauber …
Selbst als Lannans leckende Zunge an meinem Hals mich zum Orgasmus trieb, selbst als ich die Kontrolle verlor und losließ, mich mit Leib und Seele gehenließ, hielt mein Verstand an dem Bild von mir als Eule fest. Ein Klumpen Glut in meinem Bauch begann zu wachsen, und ich wusste, dass eines Tages, wenn der Indigo-Hof nicht mehr war, ich zu Lannan zurückkehren und ihm einen Pflock durchs Herz treiben würde, um mich dafür zu rächen, dass er mich in solche Tiefen hinabgerissen hatte.
Und dann traf mich die Lust mit voller Wucht, und ich kam wieder und schrie sowohl vor Schmerz als auch vor Wonne. Er machte sich los, und Blut tropfte von seinem Kinn, während sich ein halbirres, triumphierendes Lächeln auf seinem Gesicht ausbreitete. Doch der Teil von mir, den ich retten musste, der Teil von mir, den niemand je besiegen oder seiner Würde berauben konnte, stieg auf, ritt auf dem Wind und schwang sich hoch hinauf in die grenzenlose Freiheit.
21. Kapitel
Ich schwieg, als er mir eine Kompresse für meinen Hals gab, aus dem noch immer Blut sickerte. Meine Knie waren so weich, dass ich taumelte. Lannan fing mich auf, hob mich mit einer Sanftheit, die seine Natur Lügen strafte, hoch und trug mich zum Sofa, wo er mich absetzte. Dann ging er durch die Tür in das andere Zimmer und kehrte ein paar Augenblicke später mit einem Glas Milch und Schokoladenkeksen zurück.
Ich starrte auf den Teller und versuchte zu begreifen, doch der Abend war durch und durch widersprüchlich gewesen, so dass ich nur verwirrt zu ihm aufblicken konnte. »Wieso … was …?«
»Du musst etwas essen. Ich habe ziemlich viel von dir getrunken, aber ein bisschen Zucker und eine durchgeschlafene Nacht, und du bist wieder fit. Iss und trink jetzt und zieh dein T-Shirt wieder an. Die Wunde ist bedeckt, deine Kleider sind also sicher.«
Er kehrte an seinen Tisch zurück, als sei nichts gewesen.
Ich schüttelte den Kopf. »Wie kannst du so nonchalant sein? Wie kannst du so tun, als hättest du mir nicht gerade Gewalt angetan? Du hast mich zum Orgasmus gebracht, du hast mich deinen Namen herausschreien lassen, verdammt noch mal. Und jetzt tust du, als sei das alles nicht wichtig.«
Lannan hob den Kopf, und sein goldenes Haar fiel nach vorn, als er mich perplex ansah. »Du willst, dass es etwas bedeutet?«
»Nein – ja! Ich … ich …« Ich starrte auf den Keks in meiner Hand. »Du trinkst von mir, du klaust mir mein Blut, aber du tust, als sei das ganz gewöhnlich, als hättest du dir nur mal eben eine Flasche Wasser am Automaten gezogen! Hast du eigentlich eine Ahnung, wie vergewaltigt ich mich fühle? Wie wütend ich auf dich bin?«
Vielleicht war es nicht besonders klug, Vampire anzubrüllen, aber mir war heiß und ich war todmüde, und mein Verstand hatte sich in irgendeine Nebelbank zurückgezogen. Erledigt biss ich in den Keks und nippte am Glas in der Hoffnung, dass meine Gedanken sich klären würden.
Lannan beobachtete mich stirnrunzelnd, dann erhob er sich und kam zu mir zurück. Er nahm mir Glas und Teller ab, stellte beides auf den Tisch, dann half er mir, den BH wieder anzulegen, schloss die Häkchen am Rücken und streifte mir sanft das T-Shirt über den Kopf. Danach setzte er sich neben mich, nahm meine Hand und betrachtete mich so lange, dass ich nervös zu werden begann.
»Cicely, du bist wirklich ein Goldstück. Die meisten Magiegeborenen können sich in ihrer Arroganz fast mit den Blutfürsten messen, aber du bist anders.« Er strich mir das Haar aus dem Gesicht. »Übrigens bist du absolut mein Typ, wusstest du das? Langes, dunkles Haar, strahlende Augen, kurvig, aber muskulös. Hör zu, Cicely. Meine Rasse steht an der Spitze der Nahrungskette. Wir sind keine Menschen mehr. Ihr – ob Magiegeborene oder Menschen – seid unsere Beute. Ich trinke von dir, weil es mir Spaß macht und ich es mir erlauben kann. Deine Gefühle spielen eigentlich keine große Rolle dabei.«
Wieder überkam mich die Wut, und ich entzog ihm meine Hände. »Wenn ich bloß ein Energy-Drink auf Beinen bin, dann lass mich jetzt nach Hause gehen, denn schließlich habe ich heute meine Funktion erfüllt. Mach dir nicht die Mühe, es mir erklären zu wollen, denn das schaffst du sowieso nicht. Nichts, was du sagst, bringt mich dazu, mit euch zu sympathisieren, glaub mir.«
»Frau«, sagte er leise und zog mich so nah an sich heran, dass ich mein Blut auf seinen Lippen riechen konnte, »hör mir zu. Wenn der Indigo-Hof den Aufstand probt, dann sympathisierst du so schnell mit uns, dass du mich anflehen wirst, dich zu verwandeln. Sie würden dich lebendig auffressen wie Piranhas, die sich auf ein im Wasser gestraucheltes Wild stürzen. Sie kümmern sich nicht um deine Gefühle, deine Schmerzen, deine Schreie. Sie nagen dich bis auf die Knochen ab, während dein Herz noch schlägt. Also fäll dein Urteil über uns doch lieber nicht ganz so schnell.«
Ich saß ganz still da und versuchte, ihn nicht noch weiter zu verärgern. Er machte den Eindruck, als stünde er kurz davor, mir eine Ohrfeige zu verpassen, die mich quer durch den Raum fliegen lassen würde. Doch in diesem Moment ließ er mich los, zog sein Telefon hervor und klappte es auf.
»Sie kann jetzt nach Hause fahren. Warte draußen auf sie. Komm nicht rein.«
Ich starrte ihn an, als er das Handy wieder zuklappte. »Leo wartet im Wagen auf dich. Ich würde dir raten, nicht zu trödeln. Die Nacht ist gefährlich, und da draußen sind Ungeheuer, die weit beängstigender sind als ich.«
Zitternd erhob ich mich, vertilgte die Kekse, kippte die Milch hinunter, dann nahm ich meine Tasche und ging ohne ein weiteres Wort zur Tür. Als ich langsam die Treppe von Vecktor Hall hinabging, hörte ich ein Rascheln in einem Busch am Gebäude, und der Wind trug mir ein Flüstern zu.
Cicely … Cicely, ich muss mit dir reden.
Das war nicht Ulean; sie war zu Hause geblieben, weil Vampire nicht gerade auf Elementare standen.
Wer bist du? Was willst du?
Komm bitte, damit wir reden können. Ich bin beim Dovetail Lake. Bitte komm heute Abend. Die Stimme fühlte sich weiblich an, und es lag keine Feindseligkeit, kein Verrat darin.
Ich weiß nicht – es war ein harter Tag …
Bitte halt auf deinem Heimweg dort an. Ich muss mit dir über Grieve reden.
Über Grieve? Was ist mit Grieve?
Aber die Stimme driftete mit einem letzten Ich warte an den Bootsanlegern auf dich davon.