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            »Chatter!«

            Er eilte zu uns. »Etwas ist geschehen – Grieve ist krank. Überall siechen Indigo-Feen dahin. Das Licht schadet ihnen plötzlich, und sie können nicht hinaus in den Tag, aber selbst im Dunkeln geht es ihnen nicht wesentlich besser.«

            Rhiannon strich ihm sanft über den Arm, was ihn zu beruhigen schien. »Es war keine Absicht. Cicely wusste nicht –«

            »Rhia, hör auf!« Ich durfte Chatter nicht verraten, was geschehen war – auch Grieve nicht. Lainule würde mir den Kopf abreißen, wenn ich verriet, was sie mir anvertraut hatte. »Chatter, wie geht’s Grieve? Ich habe schon geahnt, dass er krank ist. Meine Wolfstätowierung hat den ganzen Morgen geklagt.« Hier eine Trickserei, dort eine kleine Lüge … es schien sich zu summieren, aber mein Leben gehörte nicht mehr ausschließlich mir allein. Ich musste tun, was ich konnte, um Freunde und Familie vor Schaden zu bewahren.

            Chatter sah Rhiannon noch einen Moment verwirrt an, dann wandte er sich wieder mir zu. »Er ist nicht im Haupt-Grab. Wir sind ohnehin selten dort, und Myst scheint es nichts auszumachen. Ich kann euch zu ihm bringen, aber es ist trotzdem gefährlich.«

            »Wir kommen mit, aber, Chatter, wenn es sein muss, töte ich jede Indigo-Fee, die uns bedroht. Es ist wichtig, dass du dir das jetzt klarmachst.« Ich sah ihm in die Augen. »Ich will nicht, dass du dich plötzlich gegen mich wendest, wenn es darauf ankommt.«

            Er schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht. Und wenn du gleich ein paar ausschalten willst, werde ich dir auch dabei nicht im Weg stehen. Die Schattenjäger leben nur, um zu töten und zu quälen.« Für einen Augenblick trübte sich sein Blick, doch dann wischte er sich über die Augen und verließ den Hauptpfad. »Folgt mir. Ihr solltet euch nicht in der Nähe des Haupteingangs blicken lassen – viel zu gefährlich. Myst hat alle Wachen eingesetzt. Das Licht bereitet ihnen Schmerzen, aber das kümmert Myst nicht, es gehört zu ihrem Job. Doch das macht sie nur noch schlimmer.«

            Wir brachen nun durchs Unterholz und schlugen uns immer tiefer in den dichten Wald. Schon bei gutem Wetter wäre es mühsam gewesen, doch in der Geiselhaft des Winters war es umso schwerer. Es schneite noch immer, und wir wateten inzwischen durch gut dreißig Zentimeter nasse, schwere Verwehungen.

            Innerhalb weniger Minuten war der Pfad nicht mehr zu sehen, und ich fragte mich unwillkürlich, wie wir zurückfinden sollten, aber Chatter schüttelte den Kopf, als er sah, dass ich den Mund öffnete, und ich verstummte. Ich vertraute ihm. Wenn er meinte, dass wir schweigen mussten, dann würde ich es tun. Wir drängten uns an Zedern und Tannen vorbei, stiegen über umgestürzte Stämme und duckten uns unter tiefhängenden Zweigen hindurch, von denen es in diesem funkelnden, unwirtlichen Land, zu dem der Wald geworden war, lautlos auf uns herabrieselte.

            Irgendwann hielt Chatter die Hand hoch, und wir blieben stehen. Vor uns lag eine kleine Lichtung, und dort sahen wir eine Gestalt aus Eis, die sich ganz langsam von einer Seite zur anderen bewegte. Es war schwer, die Form zu erkennen, obwohl man zwei Beine ausmachen konnte, und unter ihrem schimmernden glasklaren Äußeren leuchteten bläuliche und purpurfarbene Stränge.

            Ich schnappte nach Luft, hielt aber den Mund. Ulean regte sich an meiner Schulter.

            Eiselementar – in dieser Gegend sehr selten anzutreffen. Man sieht sie eher auf Gletschern oder an den Polen. Du weißt wahrscheinlich, dass sie aussterben, weil die Polkappen schmelzen. Mit der Erderwärmung werden sie gänzlich verschwinden, wenn wir nicht vorher noch eine Eiszeit bekommen.

            Das Wesen war so schön, dass ich mich anschleichen wollte, um es zu berühren, aber ich beherrschte mich. Ich sah mich nach Leo, Kaylin und Rhiannon um, die genauso hingerissen waren wie ich.

            Es ist so wunderschön … Weiß es, dass wir hier sind?

            Das kann ich nicht sagen. Eiselementare haben sehr, sehr wenig mit der Welt der Warmblüter zu tun. Sie existieren außerhalb der Zeit, erwachen im Winter zum Leben und verblassen im Sommer, falls sie nicht in Ländern der langen Nächte hausen.

            Das Wesen verschwand am Ende der Lichtung im Unterholz, und nachdem Chatter noch einen Moment gewartet hatte, winkte er uns weiter. Wieder folgten wir ihm, gingen schweigend weiter und blieben nur dann stehen, wenn Chatter im Wind nach Schattenjägern lauschte.

            Nach ungefähr einer Stunde sahen wir den Eingang zu einer Höhle in einem Berghang. Dort angekommen, trat Chatter einen Schritt zur Seite, um mich vorzulassen, und ich blieb stehen und holte tief Luft.

            Ist es sicher, Ulean?

            Dieser Wald ist nirgendwo sicher, Cicely, aber ich spüre keine unmittelbare Gefahr.

            Also trat ich ein, und die anderen taten es mir nach, Chatter als Letzter. Als er drinnen war, hielt er an, wandte sich dem Eingang zu und sang ein paar Worte mit tiefer Stimme. Ein Funkeln zog sich wie ein Vorhang über die Öffnung, und ich nahm an, dass sie nun von außen schwerer zu erkennen war.

            Im Inneren war es tiefschwarz, aber einen Moment später glommen winzige Feenlichter auf, und wir sahen, dass wir in einer gemütlichen Kammer standen. Verschiedene aus Holz geschnitzte Sitzmöbel standen in der Mitte des Raumes um eine Grube herum, über der ein Drehspieß errichtet worden war. Aus dem oberen Stück eines Stalagmiten, der aus dem Boden wuchs, hatte man eine flache Schüssel gehauen. In der Schale plätscherte frisches Wasser in kontinuierlicher Strudelbewegung.

            Chatter seufzte tief. »Hier sollten wir eigentlich eine Weile sicher sein. Ich muss nach Grieve sehen.« Er deutete auf die Bänke. »Setzt euch bitte.« Mit einer Handbewegung flammte es zwischen den Steinen unter dem Drehspieß auf, und eine anheimelnde Wärme breitete sich aus. »Wärmt euch auf, solange ich fort bin.«

            »Lass mich mitkommen.« Ich gesellte mich zu ihm. »Ich muss ihn sehen. Bitte.«

            »Wenn du meinst …« Er legte den Kopf schief. »Ich weiß nicht so recht.«

            »Chatter, wir sind gekommen, um Peyton, Grieve und dich zu uns nach Hause zu holen. Ich werde zu ihm gehen, so oder so.« Ich sah ihm in die Augen. Er hielt meinem Blick stand und blinzelte ganz langsam, und plötzlich merkte ich, dass ich mich auf ihn zubewegte. Ich schüttelte den Kopf. »Lass das. Auch ich bin zu einem Teil Cambyra-Fee, ich weiß, was du versuchst.«

            »Cicely, wie sollen wir mit dir kommen –«

            »Sei still.« Ich hielt die Hand hoch. »Ihr habt gar keine Wahl. Chatter, wir sind stärker, als du glaubst, und wir werden alles tun, was nötig ist, um unsere Freunde, uns selbst und diese Stadt zu retten. Ich liebe Grieve, und er liebt mich. Bring mich zu ihm.«

            »Aber vielleicht magst du nicht, was du siehst.« Ein düsterer Ausdruck huschte über sein Gesicht, verschwand jedoch schnell wieder. »Na gut, dann komm mit. Aber nur du. Grieve wird im Augenblick nicht viel mehr als deine Gesellschaft ertragen können.«

            »Bist du sicher, dass du das allein machen willst?«, fragte Kaylin.

            Ich hob die Schultern. »Ich habe keine große Wahl. Haltet einfach eure Augen und Ohren offen.«

            Und so folgte ich Chatter nach hinten, wo eine weitere Öffnung in einen schmalen Durchgang führte. Er reichte so weit hinein in den Berg, dass ich das Ende nicht sehen konnte, aber links und rechts davon gingen weitere Kammern ab. Chatter führte mich zur ersten, und wir zogen den Kopf ein, um durch die Türöffnung zu treten.