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            »Kommt. Chatter hilft uns, Peyton zu finden, und dann lasst uns bloß von hier verschwinden.« Schon bewegte ich mich auf den Eingang zu.

            »Was ist mit Grieve?«, fragte Rhiannon.

            Ich zog mir die Handschuhe wieder über. »Vergiss es«, flüsterte ich. »Wir lassen ihn hier. Es ist besser so.«

            Chatter schüttelte auf ihren fragenden Blick den Kopf, und offenbar sagte sein Gesichtsausdruck genug, denn ohne ein weiteres Wort standen sie auf und folgten uns in den Schnee hinaus.

            Wir mussten den Hang an der Höhle hinaufsteigen. Rutschend und stolpernd arbeiteten wir uns durchs Unterholz aufwärts, indem wir uns an Büschen und Zweigen festhielten und die steileren Wegstücke hinaufzogen. Unsere Stiefel glitten immer wieder ab, und wir kämpften uns mit zusammengebissenen Zähnen durch den dicken, nassen Schnee, bis wir endlich den Gipfel erreicht hatten. Ausgepumpt rollte ich mich auf den Rücken, blickte in den grauen Himmel und ließ die Flocken mein Gesicht liebkosen.

            »Ihr Götter, das war heftig! Ich bin zwar trainiert, aber das war wie ein Lauf durch zähen Schlamm.« Schließlich stemmte ich mich wieder hoch, bis ich saß. Mir war kalt, doch meine Muskeln brannten, als hätte ich gerade einen Marathon hinter mir. Im Augenblick wollte ich den Rest des Tages einfach nur lebend überstehen. Nun, da ich Grieve gesehen hatte, war Glück keine Option mehr.

            Und das Wissen, dass ich an seiner Krankheit schuld war – und möglicherweise unseren Kampf mit dem Indigo-Hof noch erschwert hatte –, machte die Sache nicht besser. Das Schuldgefühl nagte schwer an mir, und auch wenn ich nicht wissentlich an Lainules Plan beteiligt gewesen war, blieb es Tatsache, dass ich einen Vertrag mit den Vampiren geschlossen und eingewilligt hatte, Lainule zu gehorchen.

            »Rasch«, sagte Chatter. »Es ist nicht mehr viel Zeit, bis es dämmert, und wer weiß, was die Rückkehr der Schatten mit Mysts Leuten anstellt. So, wie die Dinge stehen, stärkt sie die Nacht vielleicht noch.«

            Mit diesem reizenden Gedanken im Sinn, ließ ich mir von ihm auf die Füße helfen, und wir zogen weiter, einen schleppenden Schritt nach dem anderen. Dank der Aufwärmzeit in der Höhle war ich nicht ganz so unterkühlt, aber die Temperatur sank kontinuierlich, und die Flocken wurden kleiner und stechender. Dieser Schnee würde bleiben und sich die ganze Nacht über anhäufen.

            Kaylin schloss zu mir auf. »Was ist da vorhin mit Grieve gewesen?«, fragte er leise. Ich schüttelte den Kopf, da ich jetzt nicht darüber reden wollte, aber er ließ nicht locker. »Ich weiß, dass da etwas war. Was?«

            Ich drehte den Kopf in seine Richtung und sprach leise. »Seine finstere Seite versucht zu übernehmen. Und er ist der Ansicht, dass dieses Heilmittel, das Lannan und Lainule zu finden geglaubt haben, den Indigo-Hof noch grausamer, noch gefährlicher macht. Du hättest sehen sollen, wie er nicht nur gegen die Schmerzen angekämpft hat, sondern auch gegen das Vampir-Gen. Kaylin, hier geht alles den Bach runter!«

            Er legte einen Arm um mich und stützte mich ohne ein Wort. Sein Gesichtsausdruck sagte genug. Vielleicht hielt er nicht viel von meiner Verbindung zu Grieve, aber er hatte keinerlei Freude an der Entwicklung der Dinge. Während wir hinter Chatter hertrotteten, legte ich meinen Kopf an Kaylins Schulter, und er verstärkte den Griff um meine Taille.

            Nachdem wir ungefähr zwanzig Minuten lang langsam und fröstelnd gegangen waren, hielt Chatter die Hand hoch. Kaylin ließ mich los, als wir alle zu dem Feenmann aufschlossen. Wir standen oben auf einem Felsvorsprung, der eine andere Klamm überragte. Unten sahen wir drei Wachen vor etwas, was die Öffnung zu einer weiteren Höhle zu sein schien.

            »Der Kerker«, formte Chatter lautlos mit den Lippen.

            Die Wächter wirkten alles andere als wachsam. Einer hatte sich über einen Busch gebeugt und kotzte sich die Seele aus dem Leib. Ein anderer wiegte sich stöhnend. Der dritte schaffte es zwar, aufrecht zu stehen, aber er lehnte an einem dicken Stumpf und sah aus, als würde er gleich ohnmächtig werden. Endlich hatten wir ein bisschen Glück auf unserer Seite.

            Ich sog die Luft ein und überlegte, wie wir uns am besten näherten. Sie waren schwach, aber selbst geschwächt noch immer erbitterte Gegner. Wir mussten es hinunter schaffen und sie töten, bevor sie Alarm schlagen konnten.

            Plötzlich durchfuhr es mich, dass der Gedanke, drei Fremde zu töten, mich nicht einmal das Gesicht verziehen ließ, und ich hob schockiert den Kopf. Kaylin begegnete meinem Blick und nickte leicht.

            Er versteht es. Er ist schon lange am Leben, Cicely, und nicht immer war sein Leben schmerzlos oder leicht oder frei von Tod und Blutvergießen. Uleans Berührung war ein Hauch auf meiner Haut.

            Was wird aus mir, dass ich überlege, wie ich drei Leute töten kann, nur weil sie sind, wer sie sind?

            Du wirst die, die du sein musst. Du wirst die, die du in deinem Inneren wirklich bist: eine Überlebenskünstlerin. Eine Kriegerin. Eine Anführerin. Eine Frau, die alles Notwendige tut, um Freunde und Familie zu beschützen. Das ist die wahre Bedeutung von Liebe, Cicely. Das ist es, was deine Mutter dir niemals beibringen konnte, weil sie sich selbst immer an die erste Stelle gesetzt hat. Du entwickelst dich zu der Frau, die stolz ihre Schwingen ausbreiten und fliegen kann.

            Ulean strich um mich herum. Ich dachte an Peyton, und ich dachte an Grieve. An Heather und Elise, Leos Schwester. Ich dachte an Kaylins besten Freund und die vielen namenlosen anderen, die ihr Leben durch diese scheußlichen Kreaturen verloren hatten. Und alle die, die als Nächste auf der Liste standen.

            Wieder holte ich tief Luft. Ich überprüfte meine Messer und nahm den Fächer heraus. Die anderen zückten ebenfalls schweigend ihre Waffen. Wir waren bereit. Wenn Myst Vernichtung wollte, dann würden wir ihr eine ganze Schiffsladung davon in den Rachen stopfen!

            Ohne einen weiteren Gedanken stürmte ich den steilen Hang hinab und schlug zweimal mit dem geöffneten Fächer, so dass die Sturmbö vor mir auf die drei Wachen zurollte.

            25. Kapitel

            Wir rissen eine kleine Lawine mit herab, als wir in einer Gischtwolke aus Schnee hinunterrannten. Die begleitende Geräuschkulisse war gemäßigt, da nur ein kleines Schneebrett abbrach, aber während wir auf der weißen Welle surften, spaltete ein Blitz den Himmel, und Donner erschütterte die Luft. Ein Schneegewitter – na klasse! Für unsere Aktion wurde wahrlich nicht mit Special Effects gegeizt.

            Ich landete – zum Glück auf den Füßen – vor dem Wachmann, der sich vornübergebeugt erbrach. Er sprang zurück, als der Schnee hinunterrauschte, und hob den Blick, und ich erkannte denselben irren Schimmer darin, der auch in Grieves Augen aufgeflackert war. Bevor er reagieren konnte, hatte ich meinen Dolch in der Hand und zog ihn ihm über den linken Bizeps.

            Er stieß ein Knurren aus und wirbelte sein Bein herum. Sein Fuß landete in meinem Magen und schickte mich in den Schnee. Benommen vor Schmerz rappelte ich mich auf und zog den Fächer hervor.

            Zu meiner Linken setzten sich Rhiannon und Leo mit dem zweiten Wächter auseinander. Leo rammte seinen Stock in den Boden und katapultierte sich selbst in die Luft und auf den Kopf des Mannes zu, und seine Beine schlossen sich wie eine Schere um dessen Hals. Der Mann zappelte und wand sich, um sich zu befreien, Leo stieß sich ab und landete in der Hocke auf dem Boden. Plötzlich frei, verlor der Wächter das Gleichgewicht und stürzte. Bevor er sich wieder aufrappeln konnte, schob Rhiannon ihre Hände vor, und eine grelle Flamme schoss auf den Gegner zu.