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Ohne weiteren Kommentar schwang der Silberdrache sich hoch in die Luft. Huma und die anderen mußten zur Seite sehen, weil so viel Staub aufgewirbelt wurde. Als er sich schließlich gelegt hatte, war das wundersame Geschöpf bereits weit fort. Die Gruppe sah ehrfürchtig zu, wie es in den Wolken verschwand. Rennard drehte sich um und ließ seine Mannschaft antreten, einschließlich Huma und Kaz. Dann wendete er sein Pferd. Er gab kein Kommando, denn es war keins vonnöten. Die anderen folgten einfach, wobei die beiden Neuankömmlinge gleich hinter dem Anführer der Patrouille ritten.

Erst als sie bereits eine Weile geritten waren, winkte Rennard die beiden neben sich. Während er sprach, beobachtete er wieder den vor ihm liegenden Pfad. »Diese Reiter. Hast du sie je zuvor gesehen oder von ihnen gehört, Huma?«

»Sollte ich das?«

»Vielleicht. Minotaurus – «

»Mein Name ist Kaz.«

»Also gut, Kaz. Du kennst sie doch bestimmt?«

»Das ist die Schwarze Garde. Ein Name von vielen. Sie dienen dem abtrünnigen Zauberer Galan Drakos und dem Kriegsherrn der Königin, Krynus.«

»Was ist mit dem Kriegsherrn selbst?«

Kaz zuckte mit den Schultern. »Er ist ein Riese. Ob Oger oder Mensch oder sonst was, weiß anscheinend kaum jemand. Er ist ein meisterhafter Stratege, risikofreudig, auch was ihn persönlich angeht. Am liebsten reitet er – reitet er…« Der Minotaurus brach mitten im Satz ab. Seine Augen wurden größer.

Ein dünnes, tödliches Lächeln breitete sich über Rennards Gesicht aus, ein furchterregender Anblick in dieser totengleichen Miene. Rennard wandte sich Huma zu. »Was er meiner Meinung nach erzählen wollte, war, daß Krynus’ Lieblingsreittier ein gewaltiger, schwarzer Drache namens Charr ist. Beide, Mann und Tier, sind ganz wild auf riskante Abenteuer, und ein Zweikampf ist etwas, was sie so richtig genießen.«

»Und… und ich habe gegen ihn gekämpft.« Die Erkenntnis erschütterte Huma. Er hatte Krynus selbst gegenübergestanden und lebte.

Aber der Kriegsherr ebenfalls, wie ihm plötzlich aufging. Er war zwar schwer verwundet gewesen, doch Huma war sich sicher, daß er lebte – und irgendwie wußte Huma, daß der Kriegsherr nach ihm suchen lassen würde. Um sein Gesicht zu wahren. Um seine Ehre zu retten. Um die Waagschale auf seiner Seite zu senken.

Um ihn zu töten.

»Soweit ich weiß, nimmt der Kriegsherr seine Kämpfe sehr persönlich«, fügte Rennard wie beiläufig hinzu. Er trieb sein Pferd auf einmal zu einer schnelleren Gangart an, und die anderen folgten so dicht wie möglich. Selbst so ging es Huma noch nicht schnell genug. Er suchte inzwischen nervös den Himmel ab.

5

Hatte die Verwüstung von oben schon schrecklich ausgesehen, so erwies sie sich auf den zweiten Blick als noch schlimmer. Jetzt konnte Huma sehen, mit welcher Gründlichkeit der Tod durch diese Region gefegt war. Kyre, eine einstmals von Menschen überquellende Stadt an der Grenze zu Ergod, existierte nicht mehr. Die Felder waren verbrannt. Die Leichen lagen wie kaputte Spielzeuge herum. Die meisten Gebäude waren bloß noch Ruinen, wenn überhaupt. Als die Patrouille um die Ostmauern der Stadt – oder die Überreste davon – ritt, schlug ihnen Verwesungsgeruch entgegen. Huma betete darum, nicht die Beherrschung zu verlieren, und es befriedigte ihn nicht, daß auch mehreren anderen Rittern übel wurde. Rennard ritt scheinbar ungerührt weiter.

Am Ende des Tages waren Pferde und Rüstungen völlig verdreckt. Als ihnen klar wurde, daß sie die Hauptstreitmacht erst Stunden später erreichen würden, und weil sie die unsicheren Wege vor sich kannten, ließ Rennard an einer Stelle aus festgestampfter Erde, die einst als Landstraße gedient hatte, haltmachen. Hinter ihnen konnten sie Rauchkringel sehen, die von Kyre aufstiegen. Die Feuer waren schon lange erloschen, doch der Rauch weigerte sich zu sterben, als wolle er die Ritter an ihr Versagen erinnern.

Die Nacht verlief ohne Zwischenfall. Kaz versuchte zu seinem Eid zu stehen, indem er die ganze Nacht über den jungen Ritter wachte, bis sowohl Rennard als auch Huma darauf bestanden, daß der erschöpfte Minotaurus selbst eine Runde schlief.

Beim ersten Tageslicht ritten sie weiter, Huma und Kaz wieder neben dem Anführer der Patrouille. Huma versuchte, Rennard in ein Gespräch zu ziehen, doch der andere Ritter war so schweigsam wie immer. Er würde sprechen, wenn er es für nötig hielt, sonst nicht.

Gegen Mittag näherten sie sich dem äußeren Rand der Südflanke. Die Schlacht war zu einem Nebeneinander von kleinen Scharmützeln abgeebbt, weil beide Seiten die andere auf ihre Schwächen testete. Die Patrouille hatte Glück gehabt. Wären sie zu einer anderen Tageszeit eingetroffen, so wären die Ritter vielleicht in einen solchen Kampf hineingeritten.

Das Lager der Südflanke war südöstlich der Ruinen der Stadt gelegen. Rennard zügelte sein Pferd. Vor der Patrouille lag ein großes Zelt, das von Rittern des Schwerts umstellt war. Der blasse Ritter stieg nicht ab. Statt dessen rief er den Hauptmann der Wache zu sich. Beim Anblick von Rennard erblaßte der Betreffende und salutierte.

Das totengleiche Gesicht starrte auf ihn herab. »Wer hat hier das Kommando?«

»Fürst Kilian. Du wirst ihn jedoch nicht hier antreffen. Er ist zu den Männern gegangen, um ihnen Mut zu machen.« Der wachhabende Offizier klang, als hätte er wenig Vertrauen in diesen Versuch.

Rennard nickte. »Vielleicht kannst du uns helfen. Wo finden wir Fürst Oswals Hauptquartier? Als meine Patrouille aufbrach, war es hier in der Nähe.«

Unter Rennards kaltem Blick informierte ihn die Wache, daß der Generalstab einen vollen Tagesmarsch weitergezogen war, diesmal nach Nordosten. Der immer sardonische Kaz brummelte etwas davon, seinen eigenen Schwanz zu jagen, doch ein strenger Blick von Huma brachte ihn zum Schweigen. Unverzüglich brach die Gruppe wieder auf.

Die Gegend im Nordosten hatte erheblich weniger gelitten als das hinter ihnen liegende Land. Schon eine Stunde nach Aufbruch kamen die ersten lebenden Bäume in Sicht. Während die Minuten verstrichen, belebten mehr und mehr Bäume die Landschaft. Die meisten waren kurz und stämmig, doch es waren Bäume! Die Stimmung heiterte sich ein wenig auf.

Nicht ein einziges Mal während ihres Ritts verloren sie die beiden ungeheuren Armeen aus den Augen, die zwischen den Bäumen und Hügeln ihre Stellungen wechselten. Im Norden lagen die Bergketten, welche die Grenze zwischen Solamnia und dem alten Ergod markierten. Zu ihnen gehörten diverse, bis zu den Wolken ragende Gipfel, in denen ein großes Volk furchtbarer Oger zu Hause war. Wer sich in diese Bergregionen wagte, riskierte Leib und Leben.

Humas Gedanken schweiften ab. Was würde Fürst Oswal sagen, wenn Huma ihm gegenübertrat? Es hatte schon immer Reibereien zwischen dem Obersten Kommandanten und dem Großmeister gegeben, und Fürst Trake war von der Entscheidung seines Bruders, den jungen Huma zu protegieren, nicht besonders begeistert gewesen. Eine solche Entscheidung konnte sich katastrophal für Fürst Oswal auswirken. In seiner Stellung würde er viel an Einfluß und Macht verlieren, wenn Huma als Ritter versagte. Ohne Frage war die Ritterschaft, die sich so mit ihrem Einsatz für das Gute brüstete, auch eine politische Organisation. Nicht daß Huma das etwas ausmachte. Er fragte sich eher, was aus dem Heer werden würde, wenn ein anderer als der Oberste Kommandant sie lenkte. Fürst Oswal war der genialste General der Ritterschaft.

Rennard rief ihm etwas zu und zeigte nach Westen. Alle Augen folgten seinem Zeichen. Der wolkenverhangene Himmel wurde innerhalb von Sekunden pechschwarz. Die Ritter sahen die Finsternis herannahen wie einen Schwarm Heuschrecken, der in ein Weizenfeld einfällt, und ihnen war klar, was sich da abspielte: Hexerei der übelsten Sorte. Die Untertanen der Königin waren wieder einmal am Werk und versuchten, die Verteidigungslinien zu durchbrechen.

Rennard zügelte sein Pferd. Durch das geschlossene Visier musterte er die anderen. Er starrte Huma und Kaz an. »Wird der Minotaurus für uns kämpfen, wenn du ihn darum fragst, Huma?«