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»Was ist mit mir passiert?«

Das Tiergesicht brachte ein beinahe menschliches Grinsen zustande. Kaz gab ein tiefes Lachen von sich. »Was ist dir nicht passiert? Zuerst hast du genau in die stumpfe Seite einer Axt gesehen – keine Sorge, sie hat nur die eine Seite deines Kopfes gestreift. Du bist ausgerutscht, gestürzt und hast dich um ein Haar zu Tode trampeln lassen. Die gute Nachricht ist, daß du die ganze Zeit bewußtlos warst. Es ist ein Wunder, daß deine Knochen alle heil sind, Freund Huma. Blaue Flecken hast du allerdings genug.«

»Mir tut alles weh.«

»Das sollte es auch. Sag mal, bist du immer so unvorsichtig?«

Huma lächelte, doch das Lächeln erwies sich – wie alles andere – als schmerzhaft.

»Ist er wach?«

Schnell drehte er den Kopf der sanften Stimme zu, wobei er allen Schmerz vergaß, und erblickte die Vision aus seinen Träumen. Das silberne Haar floß von ihrem Kopf. Sie trug ein ähnliches Gewand wie die Heiler der Mishakal, doch ihren zarten, elfenbeinfarbenen Hals zierte kein Medaillon. Das Gewand verbarg ihre weiblichen Formen kaum, und Huma zwang sich zum Wegsehen, bevor es ihm peinlich wurde.

»Wach, lebendig und anscheinend mit weniger Schmerzen, als er dachte.« Der Minotaurus stand auf. »Ich überlasse dich den Händen dieser Heilerin, Huma. Während du dich ausgeruht hast, hat man mir die Aufgabe übertragen, die Strategien meiner einstigen Herren so gut wie möglich zu durchschauen.«

»Sie lassen dich im Lager frei herumlaufen?« Wenn das stimmte, war es eine erstaunliche Geste seitens der Ritter.

Kaz schnaubte verächtlich. »Nur solange ich von zwei bewaffneten Aufpassern begleitet bin. Sie haben es mir abgeschlagen, dich privat zu besuchen.«

»Du tust uns unrecht, Kaz.«

Der Tiermensch schüttelte seinen furchterregenden Kopf. »Nein. Vielleicht tu’ ich dir und ein paar anderen unrecht, aber nicht der Ritterschaft.«

Kaz marschierte ohne weiteren Kommentar hinaus. Huma sah ihm nach. Die beleidigenden Worte hatten ihn getroffen. Verdiente die Ritterschaft wirklich solche Verachtung?

»Du pflegst interessante Gesellschaft.«

Huma wendete seine Aufmerksamkeit wieder der Frau zu. »Was?«

Sie lächelte, und dieses Lächeln überwältigte ihn. Ihre Lippen waren voll und rot, und darüber saßen eine kecke Nase und zwei mandelförmige Augen. Die Farbe ihrer Augen war wie das Sonnenlicht, das Gegenstück zu ihrer glänzenden Mähne. Insgesamt sah sie nicht richtig menschlich aus, und Huma vermutete, daß viel von ihrer Schönheit von elfischen Vorfahren stammte.

»Wenn du dann fertig bist…«, sagte sie, offensichtlich amüsiert.

Er merkte, daß er sie völlig hingerissen angegafft hatte. Sein Gesicht lief rot an, und Huma begann, intensiv die Decke zu mustern.

»Ich bitte um Vergebung. Ich wollte Euch nicht beleidigen, meine Dame«, sagte er, wobei er noch röter wurde, weil er ins Stottern geriet.

Ihre Mundwinkel zogen sich noch weiter auseinander. »Ich habe nie behauptet, daß ich beleidigt wäre.« Sie nahm ein feuchtes Tuch aus einer Schale neben ihm und begann, ihm den Kopf abzuwischen. »Ich bin außerdem keine ›Dame‹. Gwyneth reicht völlig. So heiße ich nämlich.«

Er wagte es, ihr Lächeln zu erwidern. »Mein Name ist Huma.«

Sie nickte. »Ja, ich weiß. Der Minotaurus und der Ritter, der dich gebracht hat, haben deinen Namen beide mehrmals gesagt. Ich habe vorher noch nie einen Minotaurus gesehen.«

»Kaz ist ein Freund.« Huma beschloß, es dabei zu belassen. Er hatte nicht genug Kraft für weitere Erklärungen. Ihm kam ein Gedanke. »Du sagtest, ein Ritter. Weißt du, welcher?«

»Wie könnte ich das vergessen.« Ein Schauer durchrann Gwyneth. »Er war wie die Gestalt und Stimme eines Toten. Ich habe aber auch eine Art Trauer in ihm gespürt.«

Huma hatte nie gehört, daß man Rennard auf diese Weise beschrieben hatte, doch er wußte, daß der blasse Ritter ihn irgendwie vom Schlachtfeld hierher gebracht hatte.

»Geht es dir besser?«

Der Schmerz schien jetzt nachgelassen zu haben. »Ja. Habe ich dieses Wunder dir zu verdanken?«

Sie wurde rot. »Nein, ich helfe den Heilern nur.«

Huma versuchte, sich aufzurichten, gab aber auf, weil er noch zu schwach war. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen. Gwyneth sah ihn an, wie man ein unartiges Kind ansieht.

»Versuch das nicht noch mal.«

»Das könnte ich wohl auch nicht. Hat mich kein Kleriker geheilt?«

»Es gibt nur wenig hier im Lager. Du wirst mit dem bißchen Hilfe zufrieden sein müssen, die sie dir geben konnten. Selbst Heiler haben ihre Grenzen.« Obwohl sie noch immer lächelte, verriet Gwyneths Tonfall, daß sie fand, daß die Kleriker sich verausgabten.

»Wo sind wir?«

»In den westlichen Wäldern von Solamnia. Du warst einen ganzen Tagesritt lang bewußtlos. Wir sind ungefähr so weit von der Front entfernt.«

»Haben wir gesiegt?« Huma konnte nicht glauben, daß die Reihen gehalten hatten.

»Keiner hat gesiegt. Es war so wie immer. Ohne deine Gruppe wären die Oger vielleicht durchgebrochen. Zum Glück haben sie es wieder nicht geschafft.« Sie hielt gedankenverloren inne und wechselte dann das Thema. »Genug von dem Geschwätz über den Krieg. Möchtest du etwas essen? Du hast mindestens zwei Tage lang nichts zu dir genommen.«

Huma nickte. Allerdings war er schwer enttäuscht, als Gwyneth eine kreideweiße Pampe zu rühren begann. Dann schaute sie auf, sah seinen Gesichtsausdruck und lächelte aufmunternd. Sie hob den Löffel aus der Schüssel und lehnte sich vor, um Huma damit zu füttern. Er funkelte das Zeug an.

»Es ist nicht so schlecht, wie es aussieht, Huma. Probier mal.« Obwohl er sich wie ein Kind vorkam, öffnete er vorsichtig den Mund. Es stimmte, stellte er fest; der Brei schmeckte besser, als er befürchtet hatte. Er zwang sich, weiter zu essen, eher, um in ihren Augen nicht als Idiot dazustehen, denn aus Hunger. Als der letzte Rest verschwunden war, war Huma ziemlich erleichtert.

Auch Gwyneth wirkte erleichtert, als sie die Schüssel wegstellte. »Es tut mir leid, daß ich dich allein lassen muß, aber ich habe noch andere Pflichten. Ich werde von Zeit zu Zeit nach dir sehen, das verspreche ich.«

Er streckte ihr die Hand hin. »Danke nochmals.«

Sie zögerte, und Huma ließ betreten die Hand fallen. Weitere Verlegenheiten blieben ihnen erspart, weil Rennard im Zelteingang auftauchte. Gwyneth sammelte ihre Sachen zusammen und huschte aus dem Zelt. Humas Augen folgten ihr, dann richteten sie sich auf den Ritter.

»Der Minotaurus sagte, du seist wach und hättest dich erholt. Ich war froh, das zu hören.« Rennards unbewegte Stimme klang, als würde er eine Proviantliste vorlesen, doch Huma glaubte seinen Worten. Wie Gwyneth wußte er, daß hinter Rennards ewiger Maske der Gleichgültigkeit noch etwas anderes steckte.

Rennards Visier war hochgeklappt. Huma hatte jetzt keine Schwierigkeiten, in das Gesicht zu sehen, von dem sich so viele abwandten. Rennards Anwesenheit hier war bemerkenswert. Nur wenige andere Ritter machten sich genug aus Huma, um ihn zu besuchen.

Rennard kniete neben ihm. »Du darfst nicht unaufmerksam sein, Huma. Das ist dein einziger Fehler.«

»Das, und eins auf den Kopf zu bekommen.«

Die dünnen Lippen schürzten sich einen Moment zu einem leichten Lächeln. »Ja. Auch da mußt du einen Riegel vorschieben. Könnte unangenehm werden.«

Hätte er es nicht besser gewußt, dann hätte Huma die Feststellung ernst genommen. »Was ist los? Gwyneth – «

»Die junge Frau?«

Huma wurde rot. »Ja – sie sagte, daß wir wieder ein Patt haben.«

Rennard seufzte und setzte seinen Helm ab. Dadurch kam sein eisfarbenes Haar zum Vorschein, das ihm am Kopf klebte. Rennard war einer der wenigen Ritter, die einen langen, dicken Schnurrbart nicht schätzten, sondern lieber glattrasiert gingen. Er war auch einer der wenigen, die ihr Haar kurz geschnitten trugen. Niemand stellte diese Entscheidungen in Frage; Rennard war Rennard.