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Es hätte genausogut Nacht sein können. Vom Sonnenlicht war keine Spur mehr zu sehen. Vor sich konnte Huma undeutliche Gestalten erkennen. Bei ihrem augenblicklichen Tempo würden aber auch sie verschwinden, wenn die Macht der Drachenkönigin das Licht überwältigte.

Das Licht überwältigte…

Hatten die Ritter nun doch verloren? Huma schauderte, als er sich eine Welt der Finsternis vorstellte. Eine Welt, in der die Königin regierte.

Inzwischen stammte das einzige Licht von den Blitzen, die über den Himmel zuckten. Sie schienen nicht Teil des Sturms zu sein, und Huma schaute hoch, weil er sich fragte, ob sie womöglich das Werk der Drachen waren. Hatten sie doch noch den Feind getroffen? Er wünschte – genau besehen ein verrückter Wunsch –, er könnte ihnen irgendwie helfen.

»Huma!« Das Zischen erschreckte ihn, bis er erkannte, daß es Kaz war. Die Stimme des Minotaurus kam krächzend. Die Verletzung hatte ihn stärker geschwächt, als er den Ritter hatte glauben machen wollen. »Huma! Da vorne ist ein Licht!«

Es stimmte. Nur ein schwaches Leuchten, wie von einem Nachtinsekt vielleicht, aber dennoch ein Leuchten. Sie machten sich bereits in die Richtung auf, als Huma der Schwarzmagier einfiel, der versucht hatte, sie zu umgarnen. Dieses Licht aber forderte nicht seinen Gehorsam wie jenes andere. Es schien eher dringend benötigte Hilfe zu versprechen. Um sicherzugehen, zog Huma sein Schwert.

Sie stolperten durch den Schlamm. Einmal wären sie fast hingefallen. Rutschend und schlitternd hielten sie auf das Licht zu.

Eine Weile schien das Licht nicht näher zu kommen. Allmählich jedoch verringerte sich die Entfernung, und bald erkannte Huma, daß der Schein sich auch auf sie zu bewegte. Er umklammerte sein Schwert fester. Kaz an seiner Seite war auf der Hut.

»Ich habe dich gesucht.«

Vor ihnen – scheinbar aus sich selbst heraus leuchtend und von Wind und Regen des Unwetters fast unberührt – stand Magus.

8

Magus’ Lichtspruch umgab sie wie ein Zelt. Jenseits davon herrschte tiefste Finsternis. Sie konnten das Toben des magischen Sturms hören, obwohl sie ihn nicht spürten; der Spruch, der Magus schützte, beschützte auch Huma und Kaz. Nur das Laufen war schwierig, wie der Minotaurus bemerkte. Huma half ihm auf. Die untere Hälfte von Kaz’ Körper war mit Schlamm überzogen.

Magus lächelte milde bei diesem Anblick, was Kaz in Wut versetzte. Die wurde auch nicht durch die Kommentare des Zauberkundigen über die Langsamkeit seiner Begleiter gemildert. Oder durch die Tatsache, daß es kein Dreckkrümel wagte, die prächtigen Kleider des Zauberers zu verunzieren. Ein weiterer Zauberspruch, erkannte Huma, denn Kaz hatte bereits versucht, seinem Retter Schlamm auf den Rücken zu spritzen. Der Matsch hielt einige Fingerbreit vor dem arglosen Opfer an, verharrte zögernd und fiel dann zu Boden.

Weder der Ritter noch der Minotaurus hatten eine Vorstellung davon, wohin Magus sie führte. Sie wußten nur, daß sie endlich vor der gewaltigen Magie sicher waren, die die Zauberer der Drachenkönigin entfesselt hatten. Daß das Böse über eine solche Macht verfügte, hatte Huma in aussichtslose Verzweiflung gestürzt. Jetzt schien wirklich alles verloren.

Urplötzlich hob Magus seine freie Hand. Der Glanz, der von ihm ausging, verschwand. Nur das Licht von seinem einfachen Stab, welches Huma und Kaz als erstes wahrgenommen hatten, bewahrte sie weiterhin vor der völligen Dunkelheit.

Sie konnten vor sich nichts erkennen, doch sie hörten, daß der Sturm sich gelegt hatte. Sie konnten noch etwas anderes wahrnehmen: die tappenden Pfoten vieler Tiere und das schwere Atmen großer Kreaturen. Humas Knöchel wurden weiß vor Anstrengung, als sein Griff ums Schwert fester wurde. Es mußten Nachtwesen sein, wenn sie sich mit solcher Leichtigkeit fortbewegen konnten. Sie liefen an ihnen vorbei. Als einige Minuten verstrichen waren und keine weiteren mehr folgten, nahm Magus die Hand herunter.

Er drehte sich kurz zu den anderen um. »Monster. Gezüchtet und verhunzt von Galan Drakos. Kein Wunder, daß manche ihn den sterblichen Gemahl der Dunklen Königin nennen. Seine perverse Phantasie ist ihrer wahrhaftig würdig.«

Huma fragte sich, wer diese »manche« waren, von denen Magus redete. Er hatte so viele Fragen zu den vergangenen Jahren des Zauberers. Bevor er sich der Prüfung unterzogen hatte, war Magus ein eitler, sarkastischer Taschenspieler gewesen, der seinem besten Freund Streiche spielte und sich permanent über die geschlossene Gesellschaft der Ritter lustig machte. Nur Huma verstand wirklich, daß Magus schrecklich unsicher war – einer der Gründe, warum er die Magie erlernen wollte –, und daß seine Sticheleien einem anderen Zweck dienten.

Dieser Magus, der immer noch jenen boshaften Zug hatte, hatte eine ernste, grüblerische Seite dazugewonnen, die seine Persönlichkeit beherrschen konnte.

»Huma«, flüsterte der Minotaurus. »Wohin gehen wir?«

Sie hatten beide angenommen, daß Magus sie dorthin führte, wo die solamnischen Streitkräfte sich neu formierten – zumindest hoffte Huma, daß sie das taten. Der junge Ritter wurde sich jedoch immer sicherer, daß sie in Wirklichkeit in die entgegengesetzte Richtung liefen.

»Magus?«

»Hmmm?« Der Zauberkundige drehte sich nicht einmal um.

Zögernd erkundigte sich Huma: »Gehen wir tiefer nach Solamnia hinein?«

»Nein.«

»Wo gehen wir dann hin?«

Trotz seines sorglosen Auftretens schwang in der Stimme des Magiers Unsicherheit, vielleicht sogar Angst. »Wir gehen zu meiner Zitadelle, in mein Land.«

Huma äußerte endlich seine Sorge. »Etwa nach Ergod?«

»Ja.« Magus lief weiter, doch die anderen zwei blieben stehen. Kein Wunder, daß der Sturm so schnell nachgelassen hatte! Sie marschierten mitten durch die feindlichen Linien!

»Er hat uns verraten!« Kaz streckte seine bloßen Hände aus. Magus’ Hals würde im Griff der mächtigen Pranken des Minotaurus zerbrechlich wirken.

»Nein, Kaz!« Huma rang kurz mit dem Minotaurus, doch Kaz hörte nicht auf ihn. Für ihn war sicher, daß er seinem absolut gnadenlosen Volk ausgeliefert und hingerichtet werden sollte.

Die gewaltigen Hände bildeten einen Kreis um den Hals des Magiers – und kamen nicht weiter heran. Derselbe Spruch, der Magus vor dem Matsch geschützt hatte, bewahrte ihn auch vor körperlichen Angriffen. Die vorherige Wirkung war nur ein zufälliger Nebeneffekt, auch wenn das bei Magus’ Eitelkeit schwer zu sagen war.

Magus drehte sich um – immer noch im Beinahe-Griff von Kaz. Ohne Vorwarnung boxte Kaz mit einer Hand gegen den Kopf des Zauberkundigen. Wenn er erwartet hatte, mit roher Gewalt weiterzukommen, dann hatte der Minotaurus sich geirrt. Der Magier war nicht nur ungerührt, sondern die Hand des Angreifers prallte einfach ab.

Der Zauberer hatte jenes irritierende Lächeln aufgesetzt, das er sich unter Humas Augen jahrelang antrainiert hatte. Plötzlich lebte inmitten der unermeßlichen Finsternis die Vergangenheit wieder auf.

»Ich habe dich nicht verraten – keinen von euch. Es stimmt, wir gehen nach Ergod, aber ein Großteil des Landes ist von den Ogern und ihrer verruchten Herrin noch weitgehend unberührt. Wir sind hier in Wirklichkeit sicherer, als wenn wir der wilden Flucht der ach so tapferen Ritterschaft gefolgt wären.«

Huma verzog bei diesem Urteil beschämt das Gesicht, obwohl er wußte, daß die Ritterschaft alles Menschenmögliche getan hatte. Magus erwähnte nicht, daß auch die Zauberkundigen geflohen waren.

Der Minotaurus ließ sich nicht so leicht überzeugen. »Bei Sargas und zwanzig Generationen meiner Ahnen – «

Magus hielt Kaz den leuchtenden Stab vor die Nase, so daß er aus Angst vor einem Spruch zurückwich. »Wenn hier irgendwer Aufmerksamkeit erregt, dann bist du das, Minotaurus! Ruf deine verstaubten Verwandten an, wenn es sein muß, aber nicht diesen dunklen Gott, wenn du jetzt nicht seine persönliche Aufmerksamkeit auf dich ziehen willst.«