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»Nicht alle Kunstwerke sind Originale, aber man kann nicht alles haben. Sei vorsichtig!«

Die Ermahnung richtete sich an Kaz, der eifrig die uralte Skulptur eines merkwürdigen Drachen untersuchte. Das Tier war lang und dünn, fast wie eine Schlange mit Beinen und Flügeln. Das wenige, was sich von der Bemalung erhalten hatte, zeigte, daß es ursprünglich grünblau schattiert gewesen war, eine sonderbare Farbzusammenstellung für einen Drachen. »Diese Skulptur stammt von jemandem aus meinem Volk.«

»Unmöglich. Sie muß elfisch sein. Guck sie dir doch an.« Kaz schnaubte. »Glaubst du, wir hätten keine Künstler? Ich erkenne die typischen Muster im Ton, auch wenn dein ›Kunstverstand‹ nichts davon bemerkt.«

»Warum sollte jemand einen solchen Drachen darstellen wollen? Ich habe noch nie einen gesehen, der so lang und dünn ist. Hat es früher so etwas gegeben?« wollte Huma von Magus wissen.

Der Zauberer zuckte mit den Schultern. »Ich habe noch keinen Beweis dafür gefunden. Meiner Meinung nach ist es eine rein künstlerische Darstellung, ein Phantasiegebilde. Ein weiterer Grund, warum es keine Minotaurenarbeit sein kann. Nebenbei bemerkt, ist es dazu viel zu alt.«

»Wir waren die erste zivilisierte Rasse.«

»Zivilisiert oder domestiziert?«

Kaz reagierte prompt, doch die kleine Statue erstarrte mitten im Flug etwa drei Fuß vor Magus’ Gesicht. Der verächtliche Ausdruck des Zauberers kam nur der furchtbaren Enttäuschung gleich, die sich in Kaz’ Miene abzeichnete. »Beim nächsten Wurf solltest du besser zielen, du Rindvieh, denn es wird dein letzter sein. Und nimm nächstes Mal etwas weniger Wertvolles.«

Mit einer Handbewegung beorderte Magus die Drachenskulptur auf ihren Platz zurück. Kaz schnaubte unaufhörlich, seine Augen waren blutunterlaufen. Plötzlich stand Huma mit blank gezogenem Schwert zwischen ihnen.

»Hört auf!«

Der Ausbruch war so heftig, daß Magier und Minotaurus ihn beide ansahen, als hätte er den Verstand verloren. Mit möglichst grimmiger Miene sah Huma vom einen zum anderen.

»Ansalon und womöglich ganz Krynn ist vielleicht hilflos der Drachenkönigin ausgeliefert, und ihr zwei führt euch auf wie Schuljungen!«

Kaz war der einzige, der beschämt aussah. Magus nahm die Rüge so gelassen hin wie alles andere auch. Er zuckte nur die Schultern und tat, als wäre nichts passiert.

»Es gibt noch mehr zu sehen, aber ich kann mir vorstellen, daß ihr beide auch ausruhen möchtet. Liege ich da richtig?«

»In diesem Punkt schon«, raunzte Kaz.

Huma steckte sein Schwert weg, war jedoch immer noch wütend. »Und was geschieht danach? Kannst du mit deinem Orden Kontakt aufnehmen? Wir können schließlich nicht für immer hierbleiben. Du bist uns suchen gekommen. Hast du nicht einen Plan?«

»Doch natürlich.« Die Antwort kam prompt, doch es lag etwas in den Augen des Zauberkundigen, das ihn Humas Meinung nach Lügen strafte. Das war wieder der Magus, der ihm fremd war. Der Magus, der vor dem einzigen Menschen, dem er hätte trauen können, Geheimnisse hatte. Wie sehr er sich verändert hatte!

Oder bin ich es, der sich verändert, überlegte Huma. Früher hätte er nie ernsthaft an Magus gezweifelt oder die Antworten seines Freundes in Frage gestellt. Die Ritterschaft hatte ihm die Augen geöffnet über die verschleierten Halbwahrheiten, die im Leben vieler Menschen eine so wichtige Rolle spielten.

Absichtlich äußerte Huma: »Ich möchte gerne deinen Plan erfahren.«

»Zur rechten Zeit. Es gibt hier viel zuviel zu tun, was ich sofort erledigen muß. Während ich das mache, könnt ihr zwei euch ausruhen und etwas essen.«

Magus stieß mit seinem Stab auf den Boden. Huma fühlte einen Schauer über seinen Rücken rennen. Dann sah er den Nebel. Er umschwirrte Magus wie ein zahmer Vogel seinen Herrn. Huma konnte keinerlei Wind wahrnehmen. Es gab auch keinen ersichtlichen Grund für den Nebel. Er bewegte sich, als hätte er ein Eigenleben.

»Gäste. Führen.« Magus sagte die Worte nicht zu Huma oder Kaz, sondern zu der Wolke – und sie antwortete.

»Gässssteeee. Füüüüührennnn.« Die Stimme des Nebels zischte wie der Dampf eines gerade gelöschten Lagerfeuers.

»Zimmer für die Nacht.«

»Zimmmmmeeeer.«

Magus verzog das Gesicht. »Luftelementare sind so langsam.« Er entließ den wabernden Nebel mit einer Handbewegung. »Jetzt, bitte.« Zu Huma sagte der Zauberer: »Wenn ihr gegessen und geruht habt, werden die Dinge schon besser aussehen.«

Kaz gab ein tiefes »Humpf« von sich, das Magus ignorierte. Der Luftelementar schwebte ungeduldig um die zwei »Gäste« herum.

»Kommmmttt. Zimmmmerrrr. Gässsstteeee.«

Ihr Gastgeber beobachtete, wie sie dem Nebelwesen die Wendeltreppe hinauf folgten. Als sie außer Hörweite waren, beugte sich Kaz zu Huma hin und flüsterte: »Dieser Zauberer ist dein Freund?«

»Ja.« Huma fiel es schwer, mit Nachdruck zu antworten.

»Dann bete, daß er dich ebenfalls noch als solchen betrachtet. Ich glaube, dieser Turm mit seinen Geheimnissen könnte ein sehr sicheres und sehr dauerhaftes Gefängnis darstellen.«

Der Ritter widersprach der Bemerkung nicht, da er diese Möglichkeit bereits in Betracht gezogen hatte.

Wenn es wirklich ein Gefängnis war, dann eines, vor dem so mancher Verurteilte um Einlaß gebeten hätte. Nachdem sie sich zumindest einigermaßen an die dienstbaren Geister gewöhnt hatten, fiel es Kaz und Huma nicht schwer, das Fleisch und das Obst – nicht zu erwähnen den Wein – zu genießen, die jedem Königshof Ehre gemacht hätten.

Auch die Zimmer waren überwältigend, wenngleich viel zu groß für eine normal große Person wie Huma. Kaz jedoch empfand die Einrichtung als seiner Größe angemessen und sah darin einen weiteren Hinweis darauf, daß der Turm ein Relikt seiner eigenen Rasse war. Huma wußte, daß es keinerlei Berichte gab, nach denen sich Minotauren vor dem Krieg je so weit im Westen aufgehalten hatten, doch er behielt seine Zweifel für sich.

Sie hatten jeder ein eigenes Zimmer bekommen, wogegen Kaz zuerst Einspruch erhoben hatte: Es sei ein offensichtlicher Versuch, dem Prinzip ›Teile und Herrsche‹ zu folgen.

»Wenn er gewollt hätte, hätte Magus uns beide schon mindestens hundertmal erledigen können«, gab Huma zurück. »Du hast gesehen, wie er unten mit dir fertig geworden ist.«

»Glückssache. Laß mich nur an ihn ran, Mann gegen Mann.«

»Und es wird nur noch Asche von dir übrigbleiben. Magie ist für ihn so selbstverständlich wie für uns das Atmen.«

Der Minotaurus trieb seine große Faust in die Wand. Zu seiner Befriedigung gab sie ganz gut nach. »In meiner Heimat – «

Huma unterbrach ihn, bevor er fortfahren konnte. »Das hier ist Ergod. Menschenland. Menschensitten.«

»Wirklich? Hast du die Schlacht schon vergessen?«

»Hab’ ich nicht. Ich finde nur, daß du mir vertrauen solltest. Ich kenne Magus viel besser als du.«

Kaz beruhigte sich, jedoch nicht ohne einen letzten Kommentar abzugeben: »Das hoffe ich. Um unseretwillen.«Über diese Worte sann Huma nach, als er auf seiner Bettkante saß. Trotz des Kraftaufwands, den der Marsch durch den Hain gekostet hatte, konnte er nicht schlafen. Kaz hingegen schlief wie ein Toter, nur sein Schnarchen drang durch die Wände bis in Humas Zimmer.

Die Kerzen, die bei seinem Eintreten schon gebrannt hatten, waren so weit heruntergebrannt, daß viele von ihnen am Erlöschen waren. Das Flackern warf seltsame Schatten, und Huma merkte irgendwann, daß seine Augen an einem besonders großen und dunklen Schatten in der jenseitigen Ecke hingen. Es war so finster, daß es ihm so vorkam, als wenn er geradewegs hineinlaufen und durch die Wand gehen könnte.