Aber wir wollen weitergehen.
Der Affe und die Schreibmaschine
„Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja. Ja , sagte Marmie Tallin in sechzehn verschiedenen Tonlagen und Modulationen, während der Adamsapfel in seinem langen Hals krampfhaft auf und nieder hüpfte. Er war ein Schriftsteller.
„Nein“, sagte Lemuel Hoskins und betrachtete ihn mit steinerner Miene durch die stahlgerahmten Brillengläser. Er war ein Herausgeber.
„Dann wollen Sie also keinen wissenschaftlichen Test akzeptieren. Sie wollen nicht auf mich hören. Ich bin überstimmt, wie?“ Marmie machte Anstalten, sich zu erheben, ließ sich wieder zurücksinken, wiederholte den Prozeß und schnaufte resigniert. Sein dunkles Haar stand in Büscheln aufrecht, wo er mit den Fingern hineingefahren war.
„Eins zu sechzehn“, sagte Hoskins.
„Warum müssen Sie immer recht haben?“ sagte Marmie. „Warum muß ich immer schiefliegen?“
„Sie sollten doch wissen, Marmie, nach welchen Gesichtspunkten unsere Arbeit beurteilt wird, Ihre und meine. Wenn die Auflage unserer Zeitschrift sinkt, bin ich ein Versager und fliege auf die Straße. Glauben Sie, der Verleger würde sich mit mir zusammensetzen und lange diskutieren? Er würde sich bloß die Umsatzzahlen ansehen. Aber die Auflage geht nicht herunter, sie steigt, und das macht mich zu einem guten Herausgeber. Und genauso verhält es sich mit Ihnen, mein Freund: Wenn die Herausgeber Ihre Geschichten annehmen, sind Sie ein Talent. Wenn sie Ihre Geschichten ablehnen, sind Sie eine Null, ein Nichts. Im Augenblick sind Sie ein Nichts.“
„Es gibt andere Verleger und Herausgeber, wissen Sie. Sie sind nicht der einzige!“ Marmie hob die Hände mit gespreizten Fingern. „Können Sie zählen? Genauso viele Zeitschriften würden mit Vergnügen und unbesehen eine Tallin-Geschichte nehmen.“
„Gesundheit“, sagte Hoskins.
„Sehen Sie“, sagte Marmie, in dessen Stimme ein beschwörender Ton kam, „Sie wollten zwei Veränderungen, nicht wahr? Sie wollten eine einleitende Szene mit der Schlacht. Nun, die habe ich Ihnen geschrieben: Hier ist sie.“ Er wedelte mit dem Manuskript unter Hoskins Nase, und Hoskin wich zurück.
„Aber Sie wollten auch, daß ich die Szene auf dem Schiffsdeck unterbreche und eine Rückblende einschalte“, fuhr Marmie fort. „Und das können Sie nicht haben. Wenn ich diese Änderung machte, würde ich einen Abschluß ruinieren, der, wie er jetzt ist, Pathos, Tiefe und Gefühl hat.“
Hoskins ließ sich in den Sessel zurückfallen und wandte den Kopf zu seiner Sekretärin, die während des ganzen Gesprächs still an ihrem Platz gesessen und getippt hatte. Sie war diese Szenen gewöhnt.
Hoskins sagte: „Haben Sie das gehört, Miß Kane? Er spricht von Pathos, Tiefe und Gefühl! Was weiß ein Schreiber von solchen Dingen? Passen Sie auf, lieber Freund, wenn Sie die Rückblende einschalten, erhöhen Sie die Spannung; Sie raffen die Geschichte; Sie machen sie überzeugender.“
„Wieso würde ich sie dadurch überzeugender machen?“ rief Marmie verzweifelt. „Meinen Sie etwa, daß die Geschichte überzeugender wird, wenn ein paar Leute auf einem Schiff anfangen, über Politik und Soziologie zu reden, während sie jeden Augenblick in die Luft fliegen können? Mein Gott, Hoskins!“
„Sie können gar nichts anderes tun. Wenn Sie warten, bis der Höhepunkt vorüber ist, bevor Sie Ihre Politik und Soziologie diskutieren, werden Ihnen die Leser einschlafen.“
„Sie irren sich, und ich kann es beweisen, Hoskins. Was nützt es, hin und her zu reden, wenn ich anhand eines vorbereiteten wissenschaftlichen Experiments beweisen kann, daß ich recht habe?“
„Was für ein wissenschaftliches Experiment?“ Hoskins wandte sich wieder zu seiner Sekretärin um. „Wie gefällt Ihnen das, Miß Kane? Er hält sich für eine von seinen eigenen Romanfiguren!“
„Zufällig kenne ich einen Wissenschaftler.“
„Wen?“
„Doktor Arndt Torgesson, Professor für Psychodynamik an der Columbia-Universität.“
„Nie von ihm gehört.“
„Das will was heißen“, sagte Marmie geringschätzig. „Sie haben nie von ihm gehört. Sie haben nie von Einstein gehört, bis Ihre Schriftsteller anfingen, ihn in ihren Geschichten zu erwähnen.“
„Sehr witzig. Was ist mit diesem Torgesson?“
„Er hat ein System ausgearbeitet, um mit wissenschaftlicher Methodik den Wert von etwas Geschriebenem zu bestimmen. Es ist eine ungeheure Sache. Es ist...“
„Ist es geheim?“
„Selbstverständlich ist es geheim. Er ist kein Romanprofessor. Wenn sich ein Romanprofessor eine Theorie ausdenkt, läuft er gleich damit zu den Zeitungen. In der Wirklichkeit sieht es anders aus. Ein Wissenschaftler verbringt manchmal Jahre mit Experimenten und Überlegungen, bevor er etwas in Druck gibt. Eine Veröffentlichung ist eine ernste Sache, von der der gute Ruf abhängt.“
„Wie kommt es dann, daß Sie davon wissen?“
„Doktor Torgesson ist zufällig ein Liebhaber meiner Geschichten. Er hält meine Erzählungen für die beste zeitgenössische Abenteuerliteratur.“
„Und er zeigt Ihnen seine Arbeit?“
„So st es. Ich rechnete damit, daß Sie bei dieser Geschichte hartnäckig bleiben würden, und bat ihn, ein Experiment für uns durchzuführen. Er erklärte sich einverstanden, vorausgesetzt, wir redeten nicht davon. Er sagte, es würde ein interessantes Experiment sein.“
„Was ist an seiner Methode so geheim?“
Marmie zögerte. „Nun ... angenommen, er hätte einen Affen, der Hamlet auf der Schreibmaschine auswendig schreiben kann.“
Hoskins sah ihn bestürzt an. „Was wollen Sie hier abziehen, eine Scherzveranstaltung?“ Er wandte sich zu Miß Kane. „Wenn ein Schriftsteller zehn Jahre lang Abenteuergeschichten schreibt, braucht er eine persönliche Gummizelle.“
Miß Kane tippte unbeeindruckt weiter.
Marmie sagte: „Sie haben richtig gehört: ein gewöhnlicher Affe, sieht sogar noch komischer aus als der durchschnittliche Herausgeber. Ich habe für heute nachmittag eine Verabredung getroffen. Kommen Sie mit mir, oder nicht?“
„Selbstverständlich nicht. Denken Sie, ich würde wegen Ihrer dummen Witze einen so hohen Manuskriptstapel liegenlassen?“ Er hielt die Hand waagerecht vor seinen Kehlkopf. „Meinen Sie, ich würde den Stichwortbringer für Sie spielen?“
„Wenn dies in irgendeiner Weise ein Scherz ist, Hoskins, lade ich Sie in ein Restaurant Ihrer Wahl zum Abendessen ein. Miß Kane ist Zeugin.“
Hoskins beugte sich vorwärts, dann ließ er sich in den Sessel zurückfallen und stieß schnaufend die Luft aus. „Sie wollen mich zum Essen einladen? Sie, Marmaduke Tallin, der bekannteste Mann in New York, weil er überall anschreiben läßt, Sie wollen einen Scheck zu Geld machen?“
Marmie verzog schmerzlich das Gesicht, nicht über die Erwähnung seiner mangelnden Kreditwürdigkeit, sondern weil der andere seinen Vornamen in der ganzen schrecklichen Dreisilbigkeit ausgesprochen hatte. Er sagte: „Ich wiederhole mein Angebot. Ein Abendessen auf meine Kosten, wo und was immer Sie wollen. Steaks, Pilze, Perlhuhnbrust, Alligatorenschwänze, alles.“
Hoskins stand auf und nahm seinen Hut vom Ablageschrank.
„Für eine Gelegenheit“, sagte er, „zu sehen, wie Sie eine großformatige Banknote aus dem hohlen Absatz Ihres linken Schuhes zaubern, wo Sie sie seit zwanzig Jahren vor dem Gerichtsvollzieher versteckt haben, würde ich bis Boston gehen ...“
Dr. Torgesson fühlte sich geehrt. Er schüttelte Hoskins’ Hand mit Herzlichkeit und sagte: „Ich lese Ihre Zeitschrift, seit ich in dieses Land gekommen bin, Mr. Hoskins, und in all den Jahren habe ich mich dabei nie gelangweilt. Besonders gut gefallen mir Mr. Tallins Geschichten.“