Im Lauf der Monate und Jahre wurde mir schließlich klar, daß Horace niemals eine Geschichte mit erkennbarer Begeisterung annahm - dafür um so häufiger mit sehr deutlichem Mangel an Begeisterung. (Und seine Ablehnungen waren grausam, so grausam, daß er viele Schriftsteller verlor, die nicht bereit waren, sich den Schmähungen und Beschimpfungen auszusetzen, mit denen er seine Ablehnungen zu begleiten pflegte.)
Jedenfalls lernte ich, daß meine selbstquälerischen Gedanken über DARWINIAN POOL ROOM unnötig gewesen waren. Es mag keine meiner besten Erzählungen gewesen sein, aber Horace war damit so zufrieden wie mit irgendeiner anderen Geschichte, was vielleicht nicht viel war.
Für mich liegt die Bedeutung von DARWINIAN POOL ROOM und PEBBLE IN THE SKY darin, daß sie den Beginn meiner Diversifikation und das Ende meiner ausschließlichen Abhängigkeit von John Campbell markierten (obgleich meine Dankbarkeit zu ihm niemals ein Ende haben wird).
Der Darwinsche Billardsaal
„Natürlich ist die gewohnte Konzeption von Buch eins der Schöpfungsgeschichte völlig falsch“, sagte ich.
„Nehmt einen Billardsaal, zum Beispiel.“
Die drei anderen stellten sich einen Billardsaal vor.
Thetier hob sogar einen Zeigefinger, schloß die Augen und murmelte: „Billardsaal!“ Trotter sagte wie gewöhnlich nichts und blies statt dessen in seine zweite Tasse Kaffee. Der Kaffee schmeckte - auch wie gewöhnlich - scheußlich, aber ich war der Neuling in der Gruppe, und meine Magenwände waren noch nicht abgehärtet genug. Wir saßen in Dr. Trotters Laboratorium auf altersschwachen Drehstühlen, und keinem von uns fiel es schwer, in den Arbeitsflächen Billardtische, in den gläsernen Rohrstücken an der Wand Queues und in den Destillierkolben Billardkugeln zu sehen.
„Stellt euch das Ende einer Partie Lochbillard vor“, sagte ich. „Wir haben jede Kugel bis auf den Spielball in einem gegebenen Loch...“
„Nicht so schnell“, sagte Thetier, immer der Purist. „Es spielt keine Rolle, in welchem Loch, solange du sie in einer bestimmten Reihenfolge oder...“
„Tut nichts zur Sache. Wenn das Spiel vorbei ist, sind die Kugeln auf verschiedene Löcher verteilt, nicht wahr? Angenommen, jemand geht in den Billardsaal, wenn das Spiel vorbei ist, sieht nur diese endgültige Position und versucht, den Ablauf der vorausgegangenen Ereignisse zu rekonstruieren. Man hat da offensichtlich eine Anzahl von Alternativen.“
„Nicht, wenn du die Spielregeln kennst“, sagte Madend.
„Nehmen wir völlige Unwissenheit an“, sagte ich.
„Man kann folgern, daß die Kugeln in die Löcher gelangten, indem sie mit dem Spielball getroffen wurden, der wiederum vom Queue angestoßen wurde. Diese Folgerung würde der Wahrheit entsprechen, aber keine Erklärung darstellen, die dem ahnungslosen Betrachter spontan in den Sinn käme. Viel wahrscheinlicher wäre, daß er denken würde, die Kugeln seien von Hand in ihre entsprechenden Löcher gesteckt worden oder hätten schon immer in diesen existiert.“
„Na schön“, sagte Thetier. „Wenn du zur Schöpfungsgeschichte zurückkehrst, wirst du behaupten, daß wir das Universum per Analogieschluß entweder als schon immer existent, als willkürliche Schöpfung oder als ein im Zuge der Evolution entstandenes veränderliches Phänomen erklären können. Habe ich recht?“
„Das ist ganz und gar nicht die Alternative, an die ich denke“, sagte ich. „Gehen wir ruhig von einer absichtsvollen Schöpfung aus und bedenken wir nur die Methoden, mittels derer eine solche Schöpfung hervorgebracht werden konnte. Es ist einfach, sich vorzustellen, daß Gott sagte: ,Es werde Licht’ und daß es Licht ward, aber es ist nicht ästhetisch.“
„Es ist einfach“, sagte Madend, „und die Regeln der Logik verlangen, daß von alternativen Möglichkeiten die einfachere gewählt werde.“
„Warum gehst du dann nicht hin und beendest ein Billardspiel, indem du die Kugeln von Hand in die Löcher steckst? Das ist auch einfacher, aber wie gesagt, es ist nicht ästhetisch. Andererseits, wenn du mit dem Ur-atom anfängst...“
„Was ist das?“ fragte Trotter.
„Nun, nenne es meinetwegen die Massenenergie des Universums, zusammengepreßt zu einer einzigen Kugel und in einen Zustand minimaler Entropie. Wenn du diese Kugel so zur Explosion bringen könntest, daß alle Bestandteile von Materie und Energie sich in genau vorberechneter Art und Weise verhalten, reagieren und zusammenwirken würden - wäre das nicht viel zufriedenstellender, als einfach mit der Hand zu wedeln und zu sagen: ,Es werde Licht!’“
„Also wie ein Stoß mit dem Spielball gegen eine der Billardkugeln, wodurch alle fünfzehn in ihre vorbestimmten Löcher geschickt werden“, sagte Madend.
„In einem hübschen Muster“, sagte ich, ,ja.“
„Ich finde, in der Vorstellung eines ungeheuren direkten Willensakts liegt mehr Poesie“, meinte Madend.
„Das hängt davon ab, ob du die Sache als Mathematiker oder als Theologe siehst“, sagte ich. „Tatsächlich könnte das erste Buch der Schöpfungsgeschichte dem Billardsystem angepaßt werden. Der Schöpfer könnte seine Zeit mit der Berechnung aller notwendigen Variablen und Beziehungen in sechs komplizierten Gleichungen verbracht haben, eine Gleichung für jeden ,Tag’. Nach Auslösung der Urexplosion würde er dann am siebten ,Tag’ ruhen, wobei der besagte siebte Tag den gesamten Zeitraum von jenem Anfang bis zum Jahr 4004 v. Chr. umfaßt. Dieser Zeitraum, während das unendlich komplizierte Muster der auseinanderstrebenden Billardkugeln sich entfaltet, ist für die Verfasser der Bibel offenbar von keinem Interesse. Die Milliarden Jahre wurden bloß als ein einziger Schöpfungsakt begriffen.“
„Du postulierst da ein teleologisches Universum“, sagte Trotter kopfschüttelnd. „Ein Universum, das durch einen Zweck bestimmt ist.“
„Klar“, sagte ich. „Warum nicht? Ich gehe ja von einem Schöpfungsakt aus, und ein bewußter Schöpfungsakt ohne Zweck wäre lächerlich. Wenn du versuchst, den Gang der Evolution als das zufällige Ergebnis nicht zweckhafter Kräfte zu betrachten, siehst du dich übrigens einigen sehr kniffligen Problemen gegenüber.“
„Und die wären?“ fragte Madend.
„Zum Beispiel dem Untergang der Dinosaurier“, sagte ich.
„Was ist daran so schwer zu verstehen?“
„Es gibt keine logischen Gründe dafür. Versuche, welche zu nennen.“
„Nichts leichter als das“, erwiderte Madend. „Das Gesetz vom abnehmenden Wirkungsgrad. Der Bronto-saurus wurde so massiv, daß er Beine wie Baumstämme brauchte, und dann mußte er noch im Sumpf leben und die meiste Arbeit der Auftriebskraft des Wassers überlassen. Damit nicht genug, mußte er die ganze Zeit fressen, um sich mit Kalorien zu versorgen. Was die fleischfressenden Arten betrifft, so waren sie in ihrem Wettkampf gegeneinander gezwungen, sich derart zu panzern, daß sie unter einer halben Tonne Knochen und Schuppen ächzten. Die Entwicklung erreichte schließlich einen Punkt, wo sich alles das nicht mehr auszahlte.“
„Gut“, sagte ich. „Die großen Ungetüme starben also aus. Aber die Mehrzahl der Dinosaurier bestand aus kleineren und beweglicheren Arten, wo weder Körpergewicht noch Panzerung übertriebene Ausmaße angenommen hatten. Was wurde aus ihnen?“
„Möglicherweise wurde ihr Lebensraum von Klimaveränderungen eingeschränkt“, sagte Thetier. „Auf jeden Fall aber spielt die Konkurrenz der Säugetiere dabei eine Rolle. Als einige Reptilienarten sich ein Haarkleid zulegten und zu Warmblütern wurden, konnten sie sich von den jahreszeitlichen Klimaschwankungen weitgehend unabhängig machen. Sie wurden nicht träge, sobald die Temperatur unter einen gewissen Wert sank. Sie brauchten keinen Winterschlaf zu halten. Die Folge war, daß sie im Wettlauf um die Nahrung vorne lagen. Manche Paläontologen vermuten, daß es unter diesen rattengroßen Ursäugern Arten gegeben haben mag, die von den Eiern der Saurier lebten und so ihr Aussterben beschleunigten.“