„Ich weiß nicht, wie viele Male Carol mich zurückschickte - immer nur ein paar Minuten oder Stunden -, bevor ich den großen Sprung machte. Die Dinosaurier interessierten mich überhaupt nicht. Ich wollte nur sehen, wie weit die Maschine mich mit der verfügbaren Energiemenge bringen würde. Gewiß, es war gefährlich, aber ist das Leben so wundervoll? Damals herrschte Krieg - was für eine Rolle spielte da ein weiteres Leben?“
Er plierte in sein Glas, als ob er über das Leben im allgemeinen nachdächte, dann schien er aufzuwachen und redete weiter. „Es war sonnig“, sagte er, „sonnig und hell; trocken und hart. Es gab keine Sümpfe, keine Farne, jedenfalls nicht dort, wo ich ankam. Nichts von den typischen Wesenszügen der Kreidezeit, die wir als den Lebensraum der Dinosaurier kennen.“
So ungefähr drückte er sich aus. Ich bekam die großen Worte nicht immer mit, also halte ich mich einfach an das, woran ich mich erinnern kann. Aber ich paßte gut auf und muß sagen, daß er diese schwierigen Wörter bei all dem Schnaps, den er in sich hineingoß, deutlich und ohne Gestotter aussprach.
Das war es vielleicht, was uns zu denken gab. Er tat so selbstverständlich, und es ging ihm alles so vertraut über die Lippen, als ob es nichts wäre.
„Es war ein spätes Zeitalter“, fuhr er fort, „zweifellos die Kreidezeit. Die Dinosaurier waren bereits am Aussterben - alle bis auf diese kleinen mit ihren Metallgürteln und ihren Schußwaffen.“
Joe steckte die Nase ins Bierglas und prustete: „Was für Kleine?“ fragte er, als er sich erholt hatte. „Was für Metallgürtel und Schußwaffen?“
Der Professor sah ihn einen Augenblick an, dann glitt sein Blick wieder ins Nichts ab. „Kleine Reptilien, ungefähr einen Meter zwanzig groß. Sie standen auf den Hinterbeinen, auf einen dicken Schwanz gestützt, und sie hatten kleine Arme mit Fingern. Um die Mitte trugen sie breite Metallgürtel, und an diesen hingen die Schußwaffen. Und das waren keine Waffen, die Schrotkügelchen verschossen; das waren Energieprojektoren.“
„Was?“ fragte ich. „Und wann soll sich das alles abgespielt haben? Vor Millionen von Jahren?“
„Richtig“, sagte er. „Es waren Reptilien. Sie hatten Schuppen und legten wahrscheinlich Eier. Aber sie gebrauchten Energiewaffen. Es waren fünf von ihnen, und sie stürzten sich auf mich, sowie ich aus der Maschine stieg. Es muß Millionen von ihnen gegeben haben, über die ganze Erde verstreut. Damals müssen sie die Herren der Schöpfung gewesen sein.“
Anscheinend dachte Ray, er hätte ihn, denn in seine Augen kam dieser schlaue Blick, bei dem man ihm am liebsten einen leeren Bierkrug über den Schädel schlagen würde, weil ein voller Bierverschwendung wäre. Er sagte: „Millionen, sagen Sie, hah? Es gibt doch Leute, die nichts anderes tun als alte Knochen suchen und mit ihnen herumspielen, bis sie ausgeknobelt haben, wie solche Dinosaurier aussahen. Die Museen sind voll von solchen Skeletten, nicht wahr? Nun, können Sie mir eines mit Metallgürtel zeigen, Professor? Wo ist es?“
Der Professor seufzte traurig. Vielleicht wurde ihm jetzt erst klar, daß er an einem Wirtshaustisch saß und es bloß mit drei Kerlen in Overalls zu tun hatte. Oder vielleicht war es ihm gleich.
„Man findet nicht viele Fossilien“, sagte er. „Stellen Sie sich vor, wie viele Tiere insgesamt auf der Erde gelebt haben. Stellen Sie sich vor, wie viele Milliarden und Trillionen es gegeben haben muß. Und dann überlegen Sie, wie wenig Fossilien wir finden. Und diese Echsen waren intelligent, vergessen Sie das nicht. Sie tappten nicht so leicht in Sumpflöcher oder dergleichen, es sei denn in seltenen Ausnahmefällen. Bedenken Sie, wie wenige fossile Überreste von Menschen es gibt - selbst von den halbintelligenten Affenmenschen, die vor einer Million Jahren lebten.“
Er starrte in sein Glas und drehte es herum und herum. „Was zeigen Fossilien überhaupt?“ fuhr er nach einer Pause fort. „Metall verrostet und oxydiert und hinterläßt nichts. Diese kleinen Echsen waren warmblütig. Ich weiß es, aber wenn man nur versteinerte Knochen besitzt, ist es nicht zu beweisen. Könnten Sie in einer Million Jahren von einem menschlichen Skelett darauf schließen, wie New York aussah? Könnten Sie die Knochen eines Gorillas von denen eines Menschen unterscheiden und beurteilen, welcher die Atombombe baute und welcher im Zoo saß und Bananen fraß?“
„He“, sagte Joe, Jeder Dummkopf kann ein Gorillaskelett von dem eines Menschen unterscheiden. Ein Mensch hat ein größeres Gehirn. Jeder kann erkennen, welcher der beiden intelligent war.“
„Wirklich?“ Der Professor lachte in sich hinein, als sei alles das so einfach und offensichtlich, daß es einfach unbegreiflich war, wie man sich darüber erhitzen konnte. „Sie beurteilen alles nach dem Gehirntyp, den wir Menschen entwickelt haben. Die Evolution erreicht ihre Ziele aber auf verschiedenen Wegen. Vögel fliegen anders als Fledermäuse. Das Leben hat verschiedene Tricks für alle. Wieviel von Ihrem Gehirn gebrauchen Sie? Was glauben Sie? Ungefähr ein Fünf-tel. Das behaupten jedenfalls die Psychologen. Soweit der Wissenschaft bekannt ist, werden achtzig Prozent der Gehirnmasse überhaupt nicht gebraucht. Unsere Gehirne arbeiten mit einem niedrigen Nutzungsgrad, ausgenommen vielleicht diejenigen einiger weniger Persönlichkeiten, die wir aus der Geschichte kennen. Leonardo da Vinci, zum Beispiel. Archimedes, Aristoteles, Gauß, Galois, Einstein...“
Bis auf Einstein waren mir alle unbekannt, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Er erwähnte noch ein paar, aber ich habe alle aufgeschrieben, an die ich mich erinnere. Dann sagte er: „Diese kleinen Reptilien hatten winzige Gehirne, vielleicht so groß wie eine Tomate, vielleicht noch kleiner, aber sie nutzten alles davon aus. Man mag es den Knochen nicht ansehen, doch die Tiere waren intelligent; intelligent wie wir Menschen. Und sie beherrschten die Erde.“
An diesem Punkt kam Joe mit etwas heraus, was wirklich gut war. Er sagte nämlich: „Sehen Sie, Professor, wenn diese verdammten Eidechsen wirklich solche großen Nummern waren, warum hinterließen sie dann nichts? Wo sind ihre Städte und ihre Gebäude und alles andere, was wir von den Höhlenmenschen finden, Steinwerkzeuge und Sachen. Zum Teufel, stellen Sie sich vor, was wir zurücklassen würden! Wnn in späterer Zeit jemand käme, könnte er keine zwei Kilometer gehen, ohne über eine Stadt zu stolpern. Und über Straßen und Brücken und was noch.“
Aber der Professor ließ sich nicht beirren. „Sie machen den Fehler, andere Lebensformen nach menschlichen Gesichtspunkten zu beurteilen“, erwiderte er. „Wir bauen Städte und Straßen und Flughäfen und was sonst noch dazu gehört - aber sie taten das nicht. Ihre ganze Lebensweise war von Grund auf anders. Sie lebten nicht in Städten. Sie hatten nicht unsere Art von
Kunst. Ich bin nicht sicher, was sie hatten, weil es so fremdartig war, daß ich es nicht erfassen konnte. Aber die Waffen erkannte ich. Sie unterschieden sich nicht so sehr von den unsrigen. Komisch, nicht wahr? Übrigens, vielleicht stolpern wir jeden Tag über die Überreste dieser kleinen Saurier und wissen nicht einmal, wem sie gehörten und was sie sind.“
Mittlerweile hatte ich es ziemlich satt. Man konnte ihn einfach nicht festnageln. Je schlauer man es anfing, desto gerissener zog er sich aus der Schlinge. Ich sagte: „Hören Sie, wie kommt es, daß Sie so viel über diese Eidechsen wissen? Was haben Sie gemacht; mit ihnen gelebt? Oder sprachen sie Englisch? Oder vielleicht können Sie die Eidechsensprache? Sagen Sie uns ein paar Worte in der Eidechsensprache.“
Ich glaube, ich kriegte allmählich zuviel. Sie wissen, wie es ist. Jemand faselt eine Menge dummes Zeug zusammen, aber man kann ihn nicht bewegen, zuzugeben, daß er Unsinn redet.
Doch der Professor ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er füllte bedächtig sein Glas und sagte: „Nein, ich sagte nichts, und sie sagten nichts. Sie sahen mich bloß mit ihren kalten, harten, starren Augen an - Schlangenaugen -, und ich wußte, was die dachten, und ich merkte ihnen an, daß sie wußten, was ich dachte. Fragen Sie mich nicht, wie es geschah. Es war einfach so, genau wie ich es erzähle. Ich wußte, daß sie auf einer Jagdexpedition waren und mich nicht gehen lassen würden.“