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Er brach in ein rauhes Lachen aus und setzte den Hut wieder auf.

»Claude Dana«, murmelte der Journalist und überlegte krampfhaft, woher er den Namen und den Mann kannte.

Plötzlich hatte er es und rief: »Sie sind doch dieser Spieler, der überall kräftig abkassiert. Man sagt, Sie hätten mehr Glück als Verstand oder unglaublich gut gezinkte Karten.«

Dana lächelte spöttisch. »Vielen Dank für so viele Komplimente.«

»Ich habe Sie neulich erst gesehen«, fuhr Harte fort, seine Gedanken laut auszusprechen. »Sie haben sich in der Nähe der Münze herumgetrieben. Zweimal habe ich Sie dort in den letzten Tagen gesehen!«

»Fein, daß wir endlich beim Thema sind«, sagte der Spieler. »Was weißt du noch über die Münze?«

»Einiges. Schließlich arbeite ich dort.«

»Ich meine nicht deine Arbeit!«

»Was dann?«

»Ich meine das verschwundene Gold!«

»Yeah«, knurrte der Journalist. »Darüber würde ich auch gern mehr wissen.«

»Das glaube ich dir gern.« Dana grinste. »Aber du hast Pech, Schmierfink. Ich bin es, der hier die Fragen stellt. Spuck also endlich aus, was du alles über das verschwundene Gold in Erfahrung gebracht hast!«

»Den Teufel werde ich tun!« bellte Harte und fing sich einen weiteren Stiefeltritt ein, diesmal an seinen Kopf.

»Wir werden dich schon zum Reden bringen«, sagte Dana. »Du wirst noch darum betteln, endlich auspacken zu dürfen!«

*

»Ich komme mir vor wie in einem Traum«, sagte Irene und sah dabei an ihrem neuen Kleid hinunter, dessen tiefblauer Stoff unter dem ebenfalls neuen roten Umhang leuchtete. Ihre Hände griffen an den federgeschmückten Hut. »Senator Basehart ist wirklich großzügig.«

»Ja, das ist er«, brummte Jacob und betrachtete seine ebenfalls neuen Kleider.

Er trug einen breitkrempigen Hut, eine beigefarbene Jacke über einem frischen weißen Hemd mit Binder und eine Nietenhose der erfolgreichen in San Francisco ansässigen Firma >Levi Strauss & Co.<.

»Du klingst nicht gerade begeistert, Jacob.«

»Von selbst erarbeitetem Geld gekaufte Sachen sind mir lieber als Almosen.«

Die blonde Frau warf dem Mann, der neben ihr in dem offenen Wagen saß, einen langen Blick zu. Das anfängliche Befremden wechselte schnell in Stolz.

»Ich verstehe dich«, sagte Irene. »Aber der Senator meint es gut. Außerdem hat er ganz recht. Du hast dich in der Brandnacht für San Francisco eingesetzt. Da ist es nur gerecht, wenn die Stadt etwas für dich tut.«

»Die Stadt oder der Senator?« fragte Jacob.

Irene lächelte.

»Für Basehart scheint es dasselbe zu sein. Ihm ist es eine Freude, und wir sollten es einfach genießen.«

»Du hast wohl recht«, seufzte Jacob und blickte hinaus in die Straßen, durch die sie kutschiert wurden wie ein hochherrschaftliches Paar.

Basehart hatte ihnen auch einen Wagen zur Verfügung gestellt, der von einem Schwarzen in dunkler Livree gelenkt wurde. Der Kutscher hieß Nat. Er brachte Jacob und Irene zu ihrem Treffen mit Mark Twain alias Sam Clemens.

Jamie war wohlbehütet in Baseharts Haus zurückgeblieben. Mary, die Tochter des Senators, hatte das kleine Kind zu ihrem Liebling erkoren.

Vor dem Verlagsgebäude des Call verließen die beiden Deutschen die Kutsche, und Nat kehrte zu Baseharts Anwesen zurück.

Twain schien bereits auf sie gewartet zu haben. Kaum hatten sie den Vorbau betreten, da stürzte der Journalist aus der Tür und lief ihnen mit hastigen Schritten entgegen.

»Sie haben es aber eilig«, wunderte sich Jacob. »Sind wir etwa so spät dran?«

»Nein, daran liegt es nicht«, erklärte Twain. »Aber zwischenzeitlich hat sich einiges ergeben, das Eile geboten sein läßt.«

Der Zimmermann runzelte die Stirn.

»Ich dachte, wir wollten gemütlich essen.«

»Ja, natürlich, die Einladung steht. Allerdings bezweifle ich, daß unser Essen sehr gemütlich werden wird. Ich habe heute abend nämlich noch einiges vor.«

Der Journalist führte seine Gäste zu dem Fischrestaurant zwei Straßen weiter und steuerte einen abgelegenen Tisch in einem Hinterzimmer an. Sofort kam ein junger Chinese, um ihre Bestellungen aufzunehmen.

Als der Kellner wieder verschwunden war, sagte Twain: »Erzählen Sie mir alles, was Sie über den Hai von Frisco wissen, bitte! Es ist sehr wichtig!«

Twain war sichtlich nervös. Nervös und besorgt. Seine Besorgnis ging weit über das normale journalistische Interesse hinaus.

Deshalb sagte Jacob: »Wollen Sie uns nicht erst erzählen, was los ist, Mr. Twain? Ich verstehe Ihre Aufregung nicht.«

»Sie haben wohl recht«, meinte der Journalist und strich mit einer fahrigen Bewegung durch sein rotbraunes Lockenhaar. »Wenn Sie wissen, worum es geht, können Sie mir besser helfen.«

Er berichtete ausführlich von dem Treffen mit Bret Harte, zu dem dieser nicht erschienen war.

Nachdem der chinesische Kellner die Suppe aufgetragen und sich wieder entfernt hatte, griff der Journalist in eine Tasche und legte eine große, golden glänzende Scheibe auf den Tisch.

»Das ist eine der Münzen, die ich im Bauch der toten Ratte fand«, sagte Twain.

Jacob nahm sie auf, klemmte sie zwischen Zeigefinger und Daumen und hielt sie gegen das nur schummrige Licht der rotbeschirmten Lampe über ihrem Tisch. Ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln reflektierte das Licht. Um ihn herum stand zu lesen: >San Francisco California< und >Twenty D.<.

»Zehn dieser sogenannten Doppeladler, Zwanzig-Dollar-Stücke, habe ich in der Ratte gefunden.«

»Stammt die Münze aus Kalifornien?« erkundigte sich Jacob. »Die Inschrift scheint es zu sagen.«

»Right, Mr. Adler. Sie ist hier in Frisco geprägt worden, in der hiesigen Zweigniederlassung der Münze der Vereinigten Staaten.«

»Das gute Stück sieht ziemlich neu aus«, stellte Irene fest. Sie hatte sich zu Jacob gebeugt, um den Doppeladler genau zu betrachten. »Man sieht nicht den kleinsten Kratzer.«

Twain stieß mit dem Suppenlöffel in Richtung der Frau, und seine Augen leuchteten auf.

»Sie haben es erkannt, Miß Sommer. Übrigens sehen sämtliche zehn Münzen so nagelneu aus. Und alle sind in der hiesigen Münzanstalt geprägt worden.«

Jacob wollte die Münze an Twain zurückgeben, hielt aber mitten in der Bewegung inne, weil er sich an etwas erinnerte.

»Mr. Twain, sagten Sie bei unserer ersten Begegnung nicht, Ihr Freund Harte hätte einen Posten in der Münze inne?«

Der Journalist nickte.

»So ist es. Bret ist dort einer der leitenden Beamten.«

»Dann könnte sein Verschwinden.«

»... mit seiner Tätigkeit in der Münze in Zusammenhang stehen«, fiel Twain dem deutschen Auswanderer ins Wort. »Genau das ist auch meine Überlegung. Ich denke, Bret war einer großen Schweinerei auf der Spur und wollte gestern mit mir darüber sprechen. Leider bin ich zu spät gekommen!«

Irene fragte: »Warum wollen Sie in diesem Zusammenhang alles über den Hai von Frisco wissen, Mr. Twain?«

»Sie sprachen es gerade aus, Miß Sommer, ich vermute einen Zusammenhang zwischen Brets Verschwinden und den Umtrieben des Hais.«

Das machte die beiden Deutschen neugierig. Aber sie mußten ein paar Minuten auf eine Erklärung warten.

Twain schwieg, bis der Kellner das Suppengeschirr ab- und die Hauptspeisen aufgetragen hatte. Dann endlich fuhr er fort: »Ich habe den heutigen Tag benutzt, um einige Nachforschungen anzustellen. Als Journalist habe ich so meine Quellen. Es heißt, seit der Brandnacht sind viele Männer des Hais in Barbary Coast gesehen worden. Und zwar am Raddampfer-Hafen, in der Nähe eines anrüchigen Lokals, dem Red Whale.«

»Und der Wagen, auf dem vermutlich ihr entführter Freund gelegen hat, ist in Richtung Barbary Coast gefahren!« rief Jacob aus. »Jetzt verstehe ich allmählich. Sie vermuten, der Hai hat sich irgendwie an den Geldbeständen der Münze bereichert.«