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»Yeah«, sagte Twain. »Bret ist der Sache auf die Spur gekommen, war aber nicht vorsichtig genug. So denke ich es mir.«

»Dann sollten Sie sofort die Behörden unterrichten«, fand Irene.

Twain schüttelte den Kopf.

»Der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen. Erst muß ich mehr in Erfahrung bringen. Ich will nicht durch unbedachtes Handeln den Faden zerreißen, der mich vielleicht zu Bret führt. Außerdem hat Bret aus irgend einem Grund auch nicht die Behörden verständigt, sondern wollte mit mir über die Sache reden.«

»Was wollen Sie dann unternehmen?« fragte die junge Frau.

»Nach Barbary Coast gehen und mich dort umsehen.« Twain blickte Jacob an. »Begleiten Sie mich, Mr. Adler?«

»Warum Jacob?« entfuhr es der erschrockenen Irene.

»Weil er den Hai von Frisco kennt. So ist es doch - oder?«

»Wenn Irenes Vermutung stimmt, daß es sich bei dem Hai um unseren alten Bekannten Max Quidor handelt, dann ist es in der Tat so«, bestätigte Jacob und erzählte dann von den unliebsamen Begegnungen, die er und Irene mit Quidor gehabt hatten.

»Sie müssen mit mir kommen, Adler!« bat der Journalist eindringlich. »Zusammen können wir den Hai vielleicht endlich unschädlich machen!«

»Ich halte das für zu gefährlich«, wandte Irene ein.

»Wir werden vorsichtig sein«, sagte Jacob.

Irenes grünblaue Augen blickten den Freund sorgenvoll an.

»Du. du gehst also mit, Jacob?«

»Ja, es muß sein. Wir beide wissen, wie gefährlich Quidor ist. Wenn ihm nicht endlich das Handwerk gelegt wird, müssen noch viele Menschen unter seiner Gier und seiner Bosheit leiden. Vorher aber bringe ich dich zurück zu Baseharts Haus.«

»Und wenn ich mit will nach Barbary Coast?«

Erneut schüttelte der Journalist seinen lockenumwallten Kopf.

»Barbary Coast ist nicht der richtige Ort für junge Ladies, jedenfalls nicht für solche, die keiner verrufenen Tätigkeit nachgehen. Ich werde einen Wagen kommen lassen, der Sie zurückbringt, Miß Sommer. Dann können Mr. Adler und ich gleich aufbrechen.«

Bevor Irene vor dem Restaurant in den Wagen stieg, wandte sie sich noch einmal an Jacob. Sie blieb vor ihm stehen, legte ihre Hände auf seine Arme und sagte leise, aber eindringlich: »Versprich mir, daß du gut auf dich aufpaßt! Jamie und ich, wir brauchen dich.«

Jacob versprach es. Und er fragte sich, wie Irene den letzten Satz gemeint hatte.

*

Die Kleidung hing in Fetzen an dem großen Mann herab. Er wand sich schmerzerfüllt auf dem Boden, aber seine Peiniger ließen ihm keinen Raum und keine Möglichkeit zum Ausweichen.

Immer wieder schnitt die über der Flamme der Petroleumlampe glühend heiß gemachte Klinge in sein Fleisch.

Bei jedem Schrei, den Bret Harte ausstieß, leuchtete das flache, verschlagene Sommersprossengesicht des kleinwüchsigen Iren befriedigt auf.

»Rede doch endlich!« verlangte Claude Dana. »Am Ende tust du es doch. Du ersparst dir nur eine Menge Schmerzen.«

Dabei blickte der Dandy gleichgültig auf die blutenden Wunden überall an Hartes Oberkörper.

Die rasenden Schmerzen drängten den Journalisten, Danas Verlangen endlich nachzugeben. Aber sein Stolz und der Wunsch, niemanden in Gefahr zu bringen, waren stärker -noch. Harte biß die Zähne zusammen und schwieg.

Dana gab Roy Laverty ein Zeichen, und wieder fuhr die heiße Klinge in das Fleisch des Gefangenen. Sie öffnete Hartes Zähne, aber nur zu einer Mischung aus Schreien und Stöhnen, nicht zu einer Antwort.

Blut quoll aus der neuen Wunde, wie es auch aus den anderen gequollen war. Es waren schmerzhafte Schnitte, doch sie drangen nicht tief in den Körper des Mißhandelten ein. Schließlich wollten die anderen Männer ihn nicht umbringen, noch nicht.

Aber irgendwann war es zuviel für den blutenden Mann am Boden. Er verlor wiederum das Bewußtsein.

Seamus Mulholland blickte Dana an und fragte: »Soll ich 'nen Eimer Wasser holen, um ihn wieder auf die Beine zu bringen?«

»Das hat im Augenblick wenig Sinn, schätze ich. Der Schmierfink ist zäher, als ich gedacht hatte. Es wird nichts bringen, mit dieser Behandlung fortzufahren. Gehen wir erst mal an die Bar und überlegen wir uns etwas anderes.«

»An die Bar.« Der Mann mit den Tätowierungen grinste breit. »Ein guter Vorschlag.«

*

Zögernd betrat der Mann aus Deutschland das laute, nach Rauch, Alkohol und Ausdünstungen stinkende Innere des auf Land liegenden Schiffes.

Während er sich nach allen Seiten umsah, ging er auf die lange Bar zu. Um ihn herum herrschte der übliche Trubel des ausgelassenen Lebens, das mit Einbruch der Dämmerung erst so richtig in Barbary Coast begann. Der alte Mann am Piano klimperte laut und falsch vor sich hin, doch niemand störte sich daran. Die Girls tanzten oder tranken mit den Männern an den Tischen. Letztere spielten, sangen oder befingerten das warme Fleisch der Mädchen.

Ein schiefgesichtiger Keeper fragte den Besucher nach seinem Wunsch.

»Ich suche jemanden.«

Das Gesicht des Keepers verfinsterte sich.

»Und trinken wollen Sie nichts?«

»Doch, natürlich«, sagte der Deutsche schnell. »Ein Bier, bitte.«

Als der Keeper das große Glas mit dem gelben, schäumenden Inhalt auf die Theke setzte, sagte der neue Gast: »Vielleicht können Sie mir helfen, Sir. Hier soll es einen Mr. Dana geben.«

»Claude Dana?«

»Ja, so heißt er. Ich würde ihn gern sprechen. Ist er hier?«

»Ich weiß es nicht«, sagte der Keeper mit unbewegtem Gesicht. »Ich werde mich erkundigen.«

Der Keeper ging zum anderen Ende der Theke, wo Molly Reynolds das Lokal mit ihrem Lachen erfüllte. Offenbar hatte einer der Männer, die sie umstanden, gerade einen umwerfenden Witz erzählt. Es war allgemein bekannt, daß Molly für anzügliche Witze sehr empfänglich war.

»Molly«, sagte der Keeper. »Da ist einer, der Claude Dana sprechen will.«

Sofort erstarb das schrille Lachen der unglaublich fetten Frau. Ihr Gesicht wurde ernst, als sie sich dem Keeper zuwandte und fragte: »Wer?«

»Der da hinten.« Der Keeper zeigte auf den neuen Gast. »Der so lustlos an seinem Bier nippt. Scheint ein Dutch zu sein.«

»Frag ihn nach seinem Namen«, ordnete Molly an. »Dann gehst du zu Dana und sagst ihm den Namen. Soll Dana doch selbst entscheiden, ob er mit ihm sprechen will. Ah, da kommt er ja!«

Gerade betraten Dana, Mulholland und Laverty den großen Saloon.

»Right.«

Der Keeper nickte, ging zurück zu dem neuen Gast und fragte ihn nach dem Namen.

Der untersetzte Mann zögerte kurz und sagte dann: »Ich heiße Franz Pape.«

»Ich frage Mr. Dana, ob er sie sprechen will.«

*

Als Claude Dana sein Büro betrat, blickte der Mann, den alle nur den Hai von Frisco nannten, auf und fragte: »Gibt es Neuigkeiten von diesem Journalisten, Claude? Haben Sie ihn endlich zum Reden gebracht?«

»Nein, leider nicht, Sir. Er ist ein zäher Brocken. Mancher andere hätte bei dieser Behandlung gesungen wie Lola Montez. Aber dieser Harte hielt so lange durch, bis er ohnmächtig wurde. Wenn er wieder bei Sinnen ist, beschäftigen wir uns weiter mit ihm.«

Das Gesicht des Hais wurde düster, wirkte auf einen Schlag hart und grausam.

»Warum stören Sie mich dann?«

»Weil ich andere Neuigkeiten habe, die wichtig sein könnten. Sagt Ihnen der Name Midas Lode etwas?«

»Natürlich. Das ist die unglaublich ergiebige Goldader drüben am San Joaquin River. Man sagt, je mehr Gold man dort fördert, desto mehr kommt zum Vorschein. Deshalb hat man sie nach dem sagenhaften König Midas benannt, dessen Berührung alles in Gold verwandelt hat. Mit dem Gold könnte ich alle Verluste, die ich durch die Aufgabe des Golden Crown erlitten habe, auf einen Schlag ausgleichen. Ich wünschte, die Midas Lode gehörte mir.«