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Als der Zimmermann durch die Tür lief, zersplitterte der Rahmen zu seiner Linken. Eine Kugel hatte sich in das Holz gebohrt. Wäre Jacob nicht in stark geduckter Haltung ins Büro gestürmt, hätte ihn das Stück Blei erwischt.

Der Auswanderer ließ sich fallen und rollte sich auf dem Boden ab. Ein Kugelregen folgte ihm. Schließlich fand er Deckung hinter einem Aktenschrank.

Zwei Männer hatten auf ihn geschossen, Quidor und Buster vermutlich. Sie hatten sich hinter dem umgestürzten Schreibtisch verschanzt.

Vergeblich wartete Jacob darauf, daß seine Gefährten ebenfalls das Büro stürmten. Die Verteidiger nahmen die Tür unter Beschuß, sobald sich dort auch nur eine Nasenspitze zeigte.

»Geben Sie doch auf, Quidor!« versuchte es der Auswanderer noch einmal. »Hören Sie nicht die Schüsse überall? Ihr Versteck wird gestürmt. Ein weiterer Kampf ist sinnlos!«

»Nicht, wenn ich dich erwischen kann, Adler!« antwortete Quidor. »Du bist mir so oft in die Quere gekommen, daß ich dich mitnehmen werde, wenn es ab in die Hölle geht!«

Plötzlich tauchte Quidors Gesicht hinter der Tischplatte auf, dann sein Oberkörper. Der Hai stemmte sich hoch und griff mit der linken Hand in eine der Lederschlaufen, an der er sich festhielt. Der Revolver hing locker in der Rechten und zeigte mit der Mündung nach unten.

»Hier stehe ich, Adler!« schrie Quidor. »Willst du nicht aufstehen und es von Angesicht zu Angesicht mit mir austragen? Hast du etwa Angst vor einem Krüppel?«

»Ich habe keine Angst«, erwiderte Jacob, während er sich langsam erhob. »Ich finde nur, daß es sinnlos ist, sich gegenseitig umzubringen.«

»Das habe ich auch nicht vor«, sagte der Hai mit einem seltsamen Grinsen.

Dann ging alles sehr schnell. Jacob erkannte die Falle, in die er getappt war.

Zu spät!

Quidor meinte es nicht ehrlich - natürlich nicht!

Hinter dem umgestürzten Tisch erhob sich Busters dunkle Gestalt. Der Neger zielte mit zwei Revolvern auf den Auswanderer.

Da schob sich etwas zwischen Jacob und Buster. Gleichzeitig fielen Schüsse.

Franz Pape, der in den Raum gesprungen und sich vor Jacob geworfen hatte, brach vor diesem zusammen.

Aber auch Buster hatte es erwischt. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser, dessen Klinge man einschlug. Sein Oberkörper hing über der Tischplatte. Die beiden Revolver fielen zu Boden.

In der offenen Tür stand Mark Twain und sagte fast tonlos, ein wenig ungläubig: »Diesmal habe ich die Brust erwischt.«

Quidor stieß einen seltsamen schrillen Laut aus, Ausdruck seines Zorns.

»Dann muß ich es doch selbst machen!« kreischte er und riß den Revolver hoch.

Die Mündung zielte auf Jacob.

Mehrere Schüsse fielen kurz hintereinander.

Quidors Hand glitt aus der Lederschlaufe. Er knickte ein und verschwand hinter dem Schreibtisch.

Jacob war schneller gewesen. Zwei seiner Kugeln hatten Quidors linke Brust erwischt.

Der Hai war erlegt.

Twain sprang vor, um Buster und Quidor zu untersuchen. Hinter ihm kamen die anderen in den Raum.

»Beide sind tot«, verkündete Twain. »Und ich kann nicht sagen, daß es mir leid tut.«

»Sie haben mir schon wieder das Leben gerettet«, sagte Jacob zu dem Journalisten. »Ich stehe tief in Ihrer Schuld.«

»Irrtum«, sagte Twain. »Ohne den da wären Sie jetzt tot!«

Er zeigte auf den reglos am Boden liegenden Pape.

Jacob kniete sich neben ihn. Pape atmete noch, aber nur sehr schwach. Zwei große Löcher in seiner Brust ließen keinen Zweifel daran, daß es mit ihm zu Ende ging.

»Ich muß Ihnen danken«, sagte Jacob. »Warum haben Sie sich für mich geopfert?«

Pape röchelte, sprach leise und spuckte zwischendurch immer wieder Blut: »Ich wollte. wiedergutmachen. was ich. getan.«

»Was haben Sie getan?«

»Carl. ich habe ihn getötet. über Bord gestoßen. die Mine. wollte sie für mich. allein.«

Sein Kopf fiel zur Seite. Seine Stimme und sein Atem erstarben. Er war tot.

»So etwas habe ich bereits geahnt«, sagte Jacob leise. »Arme Irene!«

Als sich Schritte näherten, drehten sich die Männer zur Tür und hoben ihre Waffen. Sie ließen die Revolver und Messer sinken, als sie die dunklen Polizeiuniformen erkannten.

»Der Hai ist tot«, sagte Jacob und zeigte auf Quidor. »Wem verdanken wir Ihr Eingreifen?«

»Senator Basehart«, antwortete ein Polizeioffizier. »Er hat uns hergeschickt.«

*

Die Männer des Hais hatten sich ergeben, und das Red Whale befand sich in der Hand der Polizei.

Aber noch herrschte einiges Chaos. Verschreckte Gäste, die nach draußen flüchteten, wurden darauf kontrolliert, ob es sich um Männer des Hais handelte.

Jacob trat allein an die frische Luft. Mark Twain, Bret Harte und Gypo Connor wurden von einem Arzt behandelt. Bartly Connor machte eine Aussage vor der Polizei.

Der junge Zimmermann wollte nicht auf sie warten. Er mußte raus aus dem stickigen Dunst der Kaschemme. Die würzige Seeluft, die mit einer sanften Brise über Barbary Coast strich, würde ihm sicher helfen, seine Gedanken zu ordnen.

Carl Dilger war tot!

Schon einmal hatten sie das geglaubt, und es hatte sich als Irrtum herausgestellt. Aber diesmal gab es kaum Zweifel. Warum hätte Franz Pape einen Mord gestehen sollen, den er nicht begangen hatte? Wie sollte Jacob das Irene beibringen? Würde sie - ein zweites Mal - die Nachricht vom Tod des Mannes verkraften, wegen dem sie nach Amerika gefahren war, der der Vater ihres Kindes war, den sie zu heiraten gehofft hatte?

Den ganzen nordamerikanischen Kontinent hatten sie auf der Suche nach Dilger durchquert. Sie hatten gegen Flußpiraten, brandschatzende Freischärler, Indianer und weiße Banditen gekämpft und sogar geholfen, ein Attentat auf den Präsidenten Abraham Lincoln zu verhindern. Sie hatten reißende Ströme und die riesigen Gebirge der Rocky Mountains überquert. Sie hatten Freunde gewonnen und verloren.

Und jetzt mußte er Irene sagen, das alles vergeblich gewesen war!

Die Stimme einer Frau riß den Auswanderer aus den trüben Gedanken. Er dachte an Irene, sah aber sofort, daß er sich getäuscht hatte. Es war eines der Animiermädchen aus dem Red Whale in einem auffälligen, aber billigen Flitterkleid.

»Sind Sie Mr. Adler?« fragte das Mädchen und trat langsam näher.

In ihrer Haltung und in ihren Augen lag Vorsicht, vielleicht sogar Angst.

»Ja«, antwortete Jacob. »Und wer sind Sie?«

»Ich heiße Cora und arbeite im Red Whale. Ich muß Ihnen etwas Wichtiges sagen, Mr. Adler?«

»Was?«

Die nicht mehr ganz junge Frau blickte sich um, vorsichtig, ängstlich.

»Nicht hier«, sagte sie. »Hier ist zuviel los. Können wir nicht wohin gehen, wo es ruhiger ist?«

»Wohin?«

»Ich kenne einen ruhigen Ort. Kommen Sie mit!«

Die Frau ging vom Red Whale weg auf den Hafen zu, wo sich die Aufbauten und Schornsteine der Flußdampfer vom sternenübersäten Nachthimmel abzeichneten.

Jacob folgte ihr. Er war neugierig, was Cora ihm zu sagen hatte. War es ein letztes Geheimnis, das den Hai von Frisco -Max Quidor - umgab?

»Geh nicht weiter, Adler, das genügt!«

Jacob wirbelte herum.

Cora lief an ihm vorbei zu dem Mann, dessen Stimme den Auswanderer alarmiert hatte. Sie wollte sich in seine Arme werfen, aber er drängte sie zur Seite, um ein freies Schußfeld für seinen gezogenen Revolver zu haben.

Jacobs Hand fuhr zu der Waffe in seiner Jackentasche. Der Revolver, der dem Tätowierten gehört hatte.

»Ich würde das nicht tun!« sagte Claude Dana scharf. »Ich bin auf jeden Fall schneller, Dutch.«

Der Deutsche hob die Hand wieder. Dana hatte recht - leider.